Davis Cup: ÖTV-Team gelingt Sensation in Russland - Plötzlich im Playoff

Von Lukas Zahrer
Melzer wurde in Moskau zum Matchwinner der Österreicher.
© GEPA

Das österreichische Davis-Cup-Team trat in Russland als klarer Außenseiter an, doch Jürgen Melzer in überraschend starker Form und Dennis Novak mit dem besten Match seiner Karriere brachten das ÖTV-Team auf die Siegerstraße. Und plötzlich steht Österreich im Playoff um den Weltgruppen-Aufstieg.

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"Rossiya! Rossiya!" Die Zuschauer der Luzhniki Small Sports Arena heizten den gesamten Samstag über mächtig ein, um ihre russischen Athleten zum Sieg anzufeuern. Mit den hohen Temperaturen in der Halle hatte vor allem Melzer zu kämpfen, gegen Ende des Tages ließ er sich gar immer wieder Coolbags reichen, um bei den Seitenwechseln ein wenig abzukühlen.

Auf dem Platz jedoch lief der 36-Jährige so richtig heiß, am Nachmittag im Einzel, doch bereits zuvor an der Seite von Philipp Oswald im Doppel. Mit 1:1 ging das Duell in Moskau in den Entscheidungstag, die Russen wirkten ob ihrer Favoritenrolle weiterhin entspannt.

Noch vor der Doppelpartie gab etwa Andrey Rublev den Spaßvogel: Beim gemeinsamen Foto vor dem Match stand der 20-Jährige neben Melzer und legte freundschaftlich seinen Arm um den Routinier, um auch wirklich alle vier Akteure auf das Bild zu bekommen.

Melzer/Oswald juckte Andrey Rublevs Auftritt kein bisschen

Als die beiden Doppel für die Kameras posierten, fing Rublev an, Melzer ein wenig zu kitzeln, Oswald und Rublevs Partner Karen Khachanov blickten etwas verdutzt, ehe es ins Warmup ging.

Während die Österreicher das kleine Psycho-Spielchen nicht wirklich juckte, wich die Lockerheit Rublevs jedoch schnell einer Verkrampftheit, die beim Weltranglisten-35. bereits am Freitag in dessen Partie gegen Novak zu sehen war. Oswald und Melzer harmonierten wie schon im Juli vor zwei Jahren in der Ukraine perfekt und besiegten die Masters-Finalisten von Miami überraschend klar in zwei Sätzen.

"Wir haben nicht viel Blödsinn gemacht, das Match gut zu Ende gespielt", sagte Melzer nach dem Doppel. Oswald blickte sogar schon voraus und witterte bereits eine Sensation: "Jetzt haben wir eine Chance."

Jürgen Melzer: Mit Softbällen zum Davis-Cup-Comeback

Nach dem starken Auftritt Melzers im Doppel stellte sich für Kapitän Stefan Koubek die Frage, in der Aufstellung ob des Vorsprunges zu riskieren und Melzer anstatt des am Freitag glücklos agierenden Sebastian Ofner für das vierte Match zu bringen.

Melzer selbst gab sich vorsichtig. "Wenn ich nur eine Hälfte abdecken muss, muss ich mich auch nicht so viel bewegen", stellte er nach dem Doppel mit einem Schmunzeln fest.

Ganze neuen Monate war Melzer nämlich durch eine Verletzung am Ellbogen seines linken Schlagarmes lediert und konnte sich überhaupt nicht in Richtung Tennisplatz bewegen. Erst deutlich nach der Jahreswende fing Melzer mit leichtem Schlagtraining an, bis vor fünf Wochen trainierte er ausschließlich mit Softbällen. Erst Ende März kehrte er ins Profigeschäft zurück, beim Challenger im spanischen Marbella musste er allerdings in der ersten Runde eine Zweisatzniederlage hinnehmen.

Mit einer einzigen Turnierwoche in den Beinen, noch dazu auf Sand, stellte sich die Frage, ob Melzer tatsächlich der richtige Mann für ein Einzel wäre. "Es würde sich wahrscheinlich ausgehen", sagte er selbst nach dem Doppel, auch wenn er "nicht mehr superfrisch" agieren könne.

Stefan Koubek: Davis-Cup-Aufstellung eine Team-Entscheidung

Das ÖTV-Team blieb dem Motto der gesamten Woche treu: Verlieren könne man ohnehin nichts. So entschied sich Koubek zur kurzfristigen Änderung in der Aufstellung, auch wenn er betonte: "Ich bin zwar verantwortlich, aber es waren immer Team-Entscheidungen. Wir haben alle Details gemeinsam besprochen und durchdiskutiert."

Die Entscheidung fiel auf Melzer, und dieser spielte all seine Routine aus, zeigte auf dem Platz exakt das, wozu er derzeit im Stande ist. Dadurch schob er den gesamten Druck auf den in Rückstand liegenden Evgeny Donskoy, der vor der Partie gegen Melzer eine knapp positive Davis-Cup-Einzelbilanz von 3:2 aufweisen konnte.

Der 27-Jährige hielt nur im zweiten Satz mit, und so avancierte der vom Leid geplagte Melzer zum großen Helden. "Ein Märchen ist wahr geworden. Im Spätherbst der Karriere so etwas erleben zu dürfen, ist einfach schön", freute sich der Niederösterreicher.

Davis Cup: Stimmung im ÖTV-Team für Stefan Koubek ausschlaggebend

In dritten Satz sei er mit seinen Kräftereserven schon am Limit gewesen, doch "wenn man für sein Land spielt, dann gibt es kein müde sein. Ich habe gekämpft bis zum Umfallen, habe alles rausgeholt", sagte Melzer, der bereits im September 1999 gegen Schweden sein Davis-Cup-Debüt feierte.

Sein Kapitän Koubek, der ihn nach dem verwandelten Matchball als erstes glücklich herzte, strich nach dem Triumph die Stimmung in der Mannschaft hervor: "Unsere Truppe versteht sich super, der Zusammenhalt ist enorm."

Dies sei auch der Grund dafür, dass "alle Top-Leistungen abgerufen haben - gegen ein übermächtiges Team. Das war eine Team-Leistung vom Feinsten", strich Koubek hervor.

Dabei vergaß der Kärntner nicht den Auftritt von Novak, der am Freitag gegen Rublev zum ersten Mal einen Top-50-Spieler schlug. "Ich weiß, dass ich gutes Tennis spielen kann", sagte Novak. "Andrey ist ein cooler Typ, der diesen Sport liebt. Das ist bislang der größte Sieg meiner Karriere."

Davis Cup: Österreichs Duelle gegen Russland/UdSSR

JahrOrtPhaseErgebnis
2018MoskauEuropa/Afrika-Gruppe, Viertelfinale3:1 Österreich
2012Wr. NeustadtWeltgruppe, 1. Runde3:2 Österreich
1984YurmalaEuropa, Halbfinale3:2 UdSSR
1981PörtschachEuropa, Halbfinale3:2 UdSSR

Jürgen Melzer übt Kritik: Reform zerstört Davis Cup

Der neue ÖTV-Präsident Werner Klausner sprach nach dem Sieg in Russland von einem "heroischen Kampf. Das ist Sport in seiner besten Form."

Die aktuelle Form des Austragungsmodus im Davis Cup spielte bei Österreichs Triumph eine große Rolle. Das Best-of-Three-Format kam den körperlich nicht in Topform agierenden Melzer entgegen, auch Novak nutzte die kürzere Spielweise für eine Überraschung.

Melzer ließ es sich nicht nehmen, trotz des Erfolges nach der Partie seinen Ärger über die geplanten Änderungen im Teamwettbewerb Kund zu tun. "Ich bevorzuge die Variante über drei Tage. Ginge es nach mir, würde ich auch wieder auf Best-of-Five wechseln", sagte Melzer. "Diese Reform zerstört die Geschichte dieses wunderschönen Wettbewerbs."

Jürgen Melzer: "Es geht im Davis Cup um die Tradition"

Der dee eines einwöchigen World Cup of Tennis, die ITF-Präsident David Haggerty vor rund sechs Wochen vorgestellt hatte, kann Melzer wenig abgewinnen. "Ich würde es nicht unterstützen. Damit reißt du dem Davis Cup das Herz aus, vor allem für kleinere Länder."

Fans hätten in diesem Fall keine Chance, Spieler wie Dominic Thiem im eigenen Land spielen zu sehen. "Wir müssen dann einfach dorthin reisen, wo man am meisten bereit ist, zu zahlen. Geld sollte keine Rolle spielen, es geht um die Tradition", sagte Melzer.

Das ÖTV-Team darf sich nach dem Triumph über Russland auf eine Playoff-Partie gegen einen Verlierer aus der ersten Runde der Weltgruppe einstellen. Mögliche Gegner sind die Niederlande, Japan, Großbritannien, die Schweiz, Australien, Kanada, Serbien und Ungarn. Die Auslosung erfolgt am Dienstag, gespielt wird von 14. Bis 16. September.

Davis Cup, Russland - Österreich: Die Ergebnisse aus Moskau im Überblick

HeimGastErgebnis
Andrey RublevDennis Novak6:7(5), 4:6
Daniil MedvedevSebastian Ofner6:1, 6:2
Karen Khachanov/Andrey RublevJürgen Melzer/Philipp Oswald3:6, 6:7(3)
Evgeny DonskoyJürgen Melzer3:6, 6:3, 3:6
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