"Fans wollten mich umbringen": Ein dunkles Kapitel Wiener Derby-Geschichte und die Folgen

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© Imago/Getty

Kein Duell im österreichischen Fußball hat schon so viele Geschichten geschrieben wie das Wiener Derby. Zum 337. Duell der beiden Traditionsvereine erinnert sich SPOX an ein dunkles Kapitel einer wenig amikalen Rivalität.

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Das 272. Wiener Derby am 26. Mai 2005 werden Joey Didulica und Axel Lawaree niemals vergessen. Im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion streckte der herauslaufende Austria-Tormann Didulica den auf den Ball fixierten Lawaree mit dem Knie nieder.

Lawaree ging zu Boden, erlitt einen Trümmerbruch des Nasenbeins, ein Schädeltrauma und eine Augenverletzung. Die Veilchen siegten durch einen Treffer von Sigurd Rushfeldt im Ernst-Happel-Stadion vor 46.000 Zuschauern mit 0:1, über das Ergebnis per se sollten nach Schlusspfiff aber nur wenige sprechen.

Das Foulspiel wurde ein Fall für das Gericht, die folgenden Derbys eskalierten. "Rache an Didulica", schworen sich die Rapid-Fans und hängten im Fan-Block eine lebensgroße Didulica-Puppe an den Galgen. Didulicas Kung-Fu-Kick blieb nicht ohne Folgen. Der Strafsenat griff tief in den Schmalztopf und legte den Austria-Goalie für acht Spiele auf Eis. Der Fall beschäftigte satte zweieinhalb Jahre die Gerichte.

Didulica wurde erst in zweiter Instanz vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen, Lawarees Klage vor dem Zivilgericht um Schmerzensgeld und Verdienstentgang endete nach mühsamen Vermittlungen der Richterin schließlich mit einem Vergleich. Didulica überwies 18.000 Euro an die Kinder-Dialysestation des Wiener AKHs, die Gerichtskosten wurden geteilt. Didulica sagte im Sportmagazin-Interview danach: "Ich fühle mich wie nach einem Derbysieg!"

Lawaree: "Didulica hat mich mit den Fans zusammengeschweißt"

Für Lawaree hatte der Zusammenprall auch auf dem Rasen Folgen. "Nach meiner Verletzung habe ich nicht gut gespielt. Mein Fehler war, dass ich mich nach der Attacke nicht gleich an der Nase operieren ließ", so der Belgier. "Ich hatte eine schlimme Entzündung, habe sechs Monate verloren. Leider habe ich heute noch immer Beschwerden, muss täglich Nasenspray nehmen, sonst kann ich nicht durch die Nase atmen. Aber ich bin Didulica nicht mehr böse, die Vergangenheit ist abgehakt. Das gehört zu meiner Geschichte mit Rapid und den Ultras untrennbar dazu. So ist das Leben. Didulica hat mich damals mit den Fans noch enger zusammengeschweißt. Die Ultras waren hinter mir, haben mich unterstützt."

An Leistungen von früher konnte der heute 48-Jährige trotz Kultstatus im Block West nicht mehr anschließen. Nur vier Bundesliga-Tore erzielte Lawaree in der Folgesaison und verabschiedete sich dann zum FC Augsburg. Es folgte eine Odyssee mit einigen Stationen in Belgien und Deutschland, lediglich mit Teilerfolgen. Im Sommer 2015 beendete Lawaree seine Karriere.

Didulica: "Rapid-Fans wollten mich umbringen"

Auch Didulica avancierte nach dem Horrorfoul an Lawaree zum Publikumsliebling. 103 Spiele sollte er insgesamt für die Wiener Austria absolvieren, bis der vierfache Nationalspieler Kroatiens für rund 1,5 Millionen Euro zu AZ Alkmaar in die Eredivisie wechselte.

Didulica, heute 44 Jahre alt, verabschiedete sich als Galionsfigur aus Favoriten: "Für Rapid-Fans bin ich ein Hass-Symbol, weil wir so erfolgreich waren. Der Neid war riesig. Aber zum Glück war ich auch ein Symbol für die Fans der Austria. Ich stand für Emotion und Kampf. Rapid-Fans wollten mich umbringen, über den Zaun springen - aber ich ging immer ohne Angst in die Spiele. Ich wusste, dass mich die Veilchen hinter mir auf der Tribüne nie im Stich lassen würden. Hoffentlich bleibe ich der Austria als Spieler in Erinnerung, der immer die Fahne hochgehalten hat."

Aber auch Didulica konnte an seine Erfolge in Österreich nicht mehr anschließen. Nur drei Monate nach seinem Abgang aus Wien bekam Didulica in einem Match gegen PSV Eindhoven beim Crash mit seinem Landsmann Jason Culina den Ball aus nächster Nähe gegen das Kinn.

Ein Uppcercut mit bösen Folgen: Eine Stunde lang war Didulica ohne Bewusstsein, erst vier Tage danach erkannte er Frau und Tochter wieder. Ein halbes Jahr kämpfte Didulica mit verheerenden Kopfschmerzen. "Es war unerträglich, als wenn dir jemand täglich zwölf Stunden mit dem Hammer auf den Schädel haut", erinnerte sich der exzentrische Keeper. 526 Tage dauerte seine Zwangspause.

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Doch es erwischte ihn ein zweites Mal. Ende April 2009, Monate nach seinem Sensationscomeback, sah der 1,91 Meter große Schlussmann erneut nur noch Sterne. Nachdem er einen Elfmeter von Luis Suarez nur halb bändigen konnte, prallte die Stürmerlegende mit dem Knie gegen Didulicas Kopf.

Der Goalie renkte sich einen Wirbel aus, Lähmungserscheinungen im Arm waren die Folge. Zwar fand Didulica erneut den Weg zurück auf den Rasen, insgesamt aber kam er nur noch zu 15 weiteren Karriereeinsätzen. Ausgelöst durch seine beiden schweren Kopfverletzungen musste Didulica im Oktober 2011 seine aktive Laufbahn beenden.

Didulica: "Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen"

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"Nachdem ich Österreich verlassen habe, wurde ich zum ersten Mal ausgeknockt. Dann bekam ich im Spiel gegen Ajax das Knie von Luis Suarez an den Kopf. Seitdem haben mich die Kopfschmerzen nie ganz verlassen. Ich hätte gerne noch weitergespielt und dem Fußball noch viel geben können", sollte Didulica über die folgenschweren Verletzungen sagen. "Suarez hat mich angerufen. Es war ein Unfall, das Leben geht weiter. Ich habe die Entschuldigung angenommen und später seine Hand geschüttelt."

Einen reibungslosen Abschluss wie mit Suarez konnte Didulica mit Lawaree nie finden. "Wir haben vor Gericht gesprochen. Er war damals noch immer ziemlich aufgebracht. Um ehrlich zu sein: Suarez hat meine Karriere beendet. Ich bekam eine Titanplatte ins Genick, wäre fast im Rollstuhl gelandet. Ich habe Suarez zuletzt im TV gesehen - ganz ohne Hass. So ist der Fußball einfach. Aber wenn Lawaree noch immer böse auf mich ist, kann ich das verstehen. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen."

Die Stimmen von Axel Lawaree und Joe Didulica zum 272. Wiener Derby wurden im Jahr 2016 von SPOX eingefangen.