Gernot Trauner im Interview: "Ich dachte: Was hält mich noch groß in Österreich?"

Gernot Trauner im Feyenoord-Trikot
© getty

Im Interview mit SPOX spricht Eredivisie-Legionär Gernot Trauner über seinen idealen Start bei Feyenoord, die Nichtberücksichtigung für das ÖFB-Team und die sportliche Krise bei Ex-Klub LASK.

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Für Gernot Trauner hätte der Wechsel zu Feyenoord nicht besser laufen können. Der 29-Jährige wurde auf Anhieb Schlüsselspieler, Leader und Fanliebling. Mit dem Traditionsklub aus Rotterdam liegt Trauner auf dem dritten Tabellenplatz - auf Tuchfühlung mit den starken Konkurrenten Ajax Amsterdam und PSV Eindhoven.

"Wir haben einen erfahrenen Innenverteidiger gesucht, der unsere Abwehr anführen kann. Diesen Spieler haben wir mit Gernot gefunden - er spielt seit zehn Jahren auf Top-Niveau und füllt diese Rolle perfekt aus", erklärt Feyenoord-Sportdirektor Frank Arnesen im Gespräch mit SPOX.

Trauners Sommer-Transfer vom LASK zu Feyenoord war kein Zufall - Neo-Coach Arne Slot kennt den Österreicher seit seinen Duellen mit Alkmaar gegen den LASK im Februar 2020. Mit Slot wurde im "De Kuip" (die Wanne) ein neuer Spielstil implementiert - dabei spielt Trauner eine zentrale Rolle. "Er hilft uns dabei, hoch zu pressen und attraktiven Fußball zu spielen - Feyenoord und Gernot passen perfekt zusammen", streut Arnesen seinem Neuzugang Rosen.

Geht es nach Feyenoord-Fans, zählt Trauner mittlerweile zu den besten Innenverteidigern der Eredivisie. Für eine Einberufung in die österreichische Nationalmannschaft reichte das aber zuletzt nicht - ein Umstand, der beim 15-fachen niederländischen Meister für Verwunderung sorgt.

Im Interview mit SPOX spricht Trauner über seinen starken Start, das ÖFB-Team, sein mysteriöses Nasenpflaster und die prekäre Situation beim LASK.

Sie haben 29 Jahre lang die Linzer Gegend nicht verlassen - war der Umzug nach Rotterdam ein kleiner Kulturschock?

Gernot Trauner: Ich habe mein ganzes Leben in Oberösterreich gewohnt, in Linz, Ried und dann wieder Linz-Umgebung. Die Umstellung war aber überhaupt kein Schock, sondern sehr positiv. Ich bin von Rotterdam angetan - eine wirklich interessante Stadt, die im zweiten Weltkrieg zerbombt und nachher neu aufgebaut wurde. Rotterdam ist vielfältig und was die Lebensqualität betrifft sehr ähnlich wie bei uns - nur Berge gibt es keine, davon haben wir in Österreich aber eh genug. (lacht) Die Leute sind extrem nett, freundlich und hilfsbereit - es war sehr einfach, mit meiner Familie hier anzukommen.

Ich bin einmal mit Max Wöber durch Amsterdam spaziert - er wurde sehr oft von Menschen angesprochen. Geht es Ihnen in Rotterdam ähnlich?

Trauner: Das war tatsächlich eine große Umstellung. In Österreich wird man eigentlich in Ruhe gelassen, es gibt sicher auch nicht ganz so viele fußballverrückte Menschen. Fußball ist in Holland wirklich der Nationalsport Nummer eins, in allen Stadien ist eine gute Stimmung und viel Publikum. Ich kann allen nur empfehlen, sich das einmal vor Ort anzusehen. Jedes Mal, wenn ich mich im öffentlichen Bereich bewege, werde ich erkannt und angesprochen. Am ärgsten war es in der Anfangszeit, als ich im Hotel im Zentrum gewohnt habe. Obwohl alles immer sehr freundlich war, will man diese Begegnungen natürlich auch nicht immer haben, darum passt es ganz gut, etwas außerhalb zu leben.

Sie haben bisher alle Liga-Partien über 90 Minuten absolviert - war die Eingliederung in die Mannschaft wirklich so reibungslos?

Trauner: Es gab gewisse Umstellungen, speziell was meine Rolle betrifft. Wir spielen mit einer Viererkette, das verändert auch mein Spiel. In der Dreierkette beim LASK konnte ich viel aggressiver nach vorne verteidigen, weil zwei Kollegen hinten absicherten. Das ist jetzt etwas anders. Da musste ich mein Abwehrverhalten adaptieren. Trotzdem war der Einstand reibungslos - wir hatten zu Saisonbeginn noch nicht die großen Gegner, das hat sicher etwas geholfen.

Einen großen Gegner hattet ihr dann im September mit Roger Schmidts PSV Eindhoven. Feyenoord hat auswärts mit 4:0 gewonnen.

Trauner: Das war sehr besonders, wir waren nicht in der Favoritenrolle, sondern leichter Außenseiter. Ein perfektes Spiel von uns - auch wenn es über 90 Minuten gesehen nicht so eindeutig war, wie man vermuten würde. Wir waren effizient, haben hinten nichts zugelassen und so ist das Ergebnis zustande gekommen. Vielleicht ist es zu hoch ausgefallen, aber insgesamt war es gemeinsam mit dem Spiel gegen Union Berlin (3:1-Sieg für Feyenoord, Anm.), das von der extrem heißen Stimmung im Stadion geprägt war, das große Highlight.

Ihr seid in der Tabelle vorne voll mit dabei, aber es ist extrem eng und die Qualitätsdichte ist hoch. Wie würde eine erfolgreiche Saison aussehen?

Trauner: Wir sind auf einem guten Weg. Ich will mich aber nicht auf einen konkreten Tabellenplatz festlegen. Wir gehören zu den Top-Vier Mannschaften der Liga und dort wollen wir landen. Aber wir haben im Vergleich zur Vorsaison den Spielstil verändert - da funktioniert vieles sehr gut, aber wir können und müssen uns steigern. Gegen die kleinen Mannschaften haben wir Punkte liegen gelassen - das tut weh, wenn du vorne dabei sein willst. Wir haben noch viel Potenzial.

Abseits von Infrastruktur und Fan-Interesse - wo sind die gravierenden Unterschiede zum österreichischen Fußball?

Trauner: In Holland wird einfach mehr Fußball gespielt - es wird Wert auf Ballbesitz gelegt, auch die kleineren Teams wollen hinten rausspielen. Es gibt weniger lange Bälle. In Österreich wird schon guter Fußball gespielt, keine Frage, aber es wird mehr Fokus auf die Arbeit gegen den Ball gelegt. Hier ist es umgekehrt - man beschäftigt sich im Training sehr viel mit dem Ball. Zudem gibt es Spieler mit enormer individueller Qualität, technisch gut ausgebildete Kicker. Aber ich will keine direkten Vergleiche ziehen, der WAC hat zum Beispiel Feyenoord besiegt, da treffen unterschiedliche Philosophien aufeinander. Mein Eindruck ist, dass mehr Risiko im Ballbesitz genommen wird, in Österreich ist der Fußball geradliniger.

Feyenoord-Trainer Arne Slot kennt Sie schon seit den Duellen mit dem LASK im Februar 2020. Wie lief der Transfer im Sommer ab?

Trauner: Als mir mein Manager das erste Interesse mitgeteilt hat, gab es mehrere interessierte Vereine. Ich habe mich Anfangs nicht zu intensiv damit beschäftigt. Ein paar Wochen später ist alles sehr schnell gegangen - innerhalb weniger Tage hat Feyenoord ernst gemacht. Ich musste mich schnell entscheiden. Es war eine schwierige Woche und ich habe schon fast nicht mehr damit gerechnet, weil wir mit dem LASK mitten im Saisonstart waren. Es gab viele Überlegungen in alle Richtungen, aber ich habe gewusst: Wenn ich noch einmal eine neue Herausforderung im Ausland annehmen will, ist Feyenoord perfekt für mich. Trainer Arne Slot und der Verein haben sich sehr um mich bemüht und hatten einen klaren Plan mit mir. Ich habe mir gedacht: Was hält mich noch groß in Österreich? Beim LASK ist auch nicht mehr alles perfekt gelaufen und ich konnte mich nicht mehr mit allem identifizieren. Ich habe zehn Jahre in Österreich gespielt, ich wollte einen neuen Reiz.

Womit konnten Sie sich nicht identifizieren?

Trauner: Es ist viel rund um den Verein passiert und es sind viele Entscheidungen getroffen worden, mit denen ich persönlich einfach nicht immer hundertprozentig einverstanden war. Aber das ist okay. Ich habe dem LASK viel zu verdanken, wunderschöne Jahre gehabt und bin dem Verein nach wie vor sehr verbunden.

Die sportliche Situation ist prekär - entgegen aller Erwartungen liegt der Verein am Tabellenende.

Trauner: In erster Linie tut es mir für die Jungs sehr, sehr leid. Ich kenne die Mannschaft ja. Für mich ist das schwer zu verstehen. Im Cup und international sieht es ja nicht schlecht aus, aber aus irgendeinem Grund will es in der Liga nicht klappen. In den Spielen, die ich gesehen habe, hat die Chancenauswertung nicht gepasst. Der große Vollstrecker fehlt offenbar - und hinten werden viele blöde Tore kassiert. Aber die Tabelle ist eng, selbst die Meistergruppe ist nicht aus der Welt. Bis auf Salzburg und mit Abstrichen Sturm ist das Feld dicht zusammen. Fußball ist oft nicht einfach zu verstehen. Ich glaube, große Sorgen muss man sich nicht machen, die Mannschaft hat Qualität.

Für Eredivisie-Insider zählen sie zu den besten Verteidigern der Liga. Wieso reicht das nicht für das ÖFB-Team?

Trauner: Schwierig zu beurteilen. Wir haben gute Qualität im Abwehrzentrum und viele Spieler, die regelmäßig in Deutschland spielen und sicher ihre Leistung abrufen. Ich würde mir wünschen, wieder berücksichtigt zu werden, aber nachdem bei den letzten beiden Partien zwei Spieler nachberufen wurden und ich nicht dabei war, war das schon ein Zeichen für mich. Aber: Ich werde versuchen, mein Bestes zu geben, auf mich aufmerksam zu machen und alles andere kann ich nicht beeinflussen. Ich beobachte ja die anderen Innenverteidiger auch nicht, wenn sie ihre Sache besser machen als ich, dann haben sie es auch verdient dabei zu sein. Ich würde mich sehr freuen, den Weg ins Nationalteam zurück zu finden.

Ein Feyenoord-Fan hat mich um folgende Frage gebeten: Planen Sie noch einen Karriereschritt, oder sehen Sie sich langfristig in Rotterdam?

Trauner: Ich bin ein Sicherheitsmensch. Ich war sehr lang beim LASK. Im Fußball kann es schnell gehen, aber seien wir realistisch: Ich bin nicht mehr der Jüngste und habe einen Vierjahresvertrag bei Feyenoord unterschrieben. Dabei habe ich mir schon etwas gedacht. Ich gehe davon aus, dass ich vier Jahre hier sein werde, meine Kinder hier zu Schule gehen und wir uns weiter wohlfühlen. Aber im Fußball sind schon viele verrückte Dinge passiert, man muss auf alles eingestellt sein.

Abschließend: In niederländischen Medien wird erstaunlich viel über Ihr mysteriöses Nasenpflaster berichtet. Haben Sie den langwierigsten Nasenbeinbruch aller Zeiten, oder hat das andere Hintergründe?

Trauner: (lacht) Ich habe durch die Nase schlecht Luft bekommen. Ein Physiotherapeut hat mir dann das Pflaster empfohlen - ich habe das Gefühl, dass mir das hilft, und darum bleibt es auch drauf. Ich mache keine große Sache daraus, aber die Holländer sind sehr darauf aufgesprungen - jetzt werde ich oft darauf angesprochen. Mir kommen immer wieder Fotos unter, auf denen Feyenoord-Fans mit einem Trauner-Trikot und Nasenpflaster zu sehen sind. Ich kann darüber lachen.

Das Spitzenfeld der Eredivisie

#VereinSpiele+/-Pkt.
1Ajax Amsterdam113526
2PSV Eindhoven11824
3Feyenoord101322