Stefan Maierhofer im Interview: "Im Nationalteam haben Spieler vorgetäuscht, krank zu sein"

Von Christian Albrecht
Für die WSG Tirol gelang Stefan Maierhofer bislang ein Treffer in fünf Spielen.
© GEPA
Cookie-Einstellungen

 

Zuletzt waren Sie in der Schweiz beim FC Aarau tätig. Dort bestritten Sie die drittmeisten Karrierespiele (45) hinter Rapid (60) und Salzburg (53). War es geplant, dass Sie für ihre Karriere verhältnismäßig so lange in der Schweiz bleiben?

Maierhofer: Ich konnte den Verein aus einer Misere herausholen. Im ersten Jahr wollte ich den Verein vor dem Abstieg retten, dann schafften wir es sogar bis in die Barrage, die Relegationsspiele für den Aufstieg. Sie brauchten genauso einen Spielertypen wie mich. Leider ist dann von Vereinsseite viel falsch kommuniziert worden. Sie wollten unbedingt um den Aufstieg mitspielen, da wollte ich natürlich ein Teil davon sein. Plötzlich spielen wir mit einem 18-jährigen Torhüter und ersetzten keinen Abgang adäquat. Dann kann das nicht funktionieren. Im Winter habe ich dem Verein dann meine Meinung gesagt, dass ich es schade finde, dass sie einen bald 37-Jährigen mit falschen Hoffnungen einen Vertrag unterschreiben lassen. In der zweiten Schweizer Liga um einen Platz im Mittelfeld zu spielen, ist nicht mein Anspruch. Der Trainer wollte mich dann ins Trainerteam integrieren, aber ich wollte noch Fußballspielen. Deswegen haben sich die Wege getrennt.

Auch wenn es weh tut: Können Sie noch einmal die Barrage mit Aarau (Anm. d. Red.: Aarau gewann das Hinspiel bei Xamax Neuchatel auswärts mit 4:0, verlor vor eigenem Publikum jedoch ebenso mit 4:0 und musste sich im Elfmeterschießen geschlagen geben) Revue passieren lassen?

Maierhofer: Wir hatten im Hinspiel sogar Chancen auf das fünfte oder sechste Tor. Das habe ich nach dem Spiel auch angesprochen. Ich habe vor und nach dem Spiel eine Ansprache gehalten, aber vielleicht nicht jeden Spieler erreicht. Im Rückspiel setzte es nach 20 Minuten aus einer blöden Situation dann einen Elfmeter. Zack, 0:1. Standardsituation, 0:2. Dann gingen wir mit einem 0:3 in die Halbzeit und dachten: Was ist da jetzt eigentlich los? Wir nutzten die Chancen auf den Anschlusstreffer nicht und dann ging es mit einem 0:4 in die Verlängerung. Im Elfmeterschießen hat dann unser Kapitän leider verschossen. Aber so ist dieser Sport, er schreibt so schöne, traurige und brutale Geschichten.

Maierhofer: "Im Training bei Millwall musste ich Innenverteidiger spielen"

Sie haben in Ihrer Karriere alles erlebt, sind mit Millwall (2014/15) auch einmal abgestiegen. Wie blicken Sie auf diese Situation zurück?

Maierhofer: Ja, ich bin mit Millwall abgestiegen. Persönlich habe ich in den letzten elf Spielen aber kaum mehr etwas beitragen können. Ich bin im Jänner zum Verein gekommen, als sie in einer prekären Situation waren. Als der Trainer, der mich holte (Anm. d. Red.: Ian Holloway), entlassen worden ist und Neil Harris übernommen hat, hatten wir noch die Möglichkeit, die Liga zu halten. Harris hat damals aber alle Neuzugänge des alten Trainers aussortiert. Er wollte nur mit Spielern spielen, die über den Sommer hinaus Vertrag haben. Ich musste im Training als Innenverteidiger spielen. Er hat sich selbst ins Bein geschossen. Durch meine geringe Einsatzzeit fühlte es sich deshalb persönlich nicht wie ein Abstieg an.

Sie konnten aber auch einige Abstiege abwenden und natürlich auch Titel feiern. Welche Erlebnisse waren am prägendsten?

Maierhofer: Mit TuS Koblenz feierten wir 2007 den Nicht-Abstieg mit über 10.000 Leuten. Unser Trainer, Uwe Rapolder, hat damals gesagt: "Jungs, glaubt's mir eines: Das hier ist schön, aber wenn man einen Titel feiert, ist das noch einmal etwas ganz anderes." Nur ein Jahr später wurde ich Meister mit Rapid. Und das kann ich nur bestätigen: Einen Titel zu feiern - mit 50.000 Leuten am Rathausplatz - ist noch einmal etwas ganz anderes und viel emotionaler.

Von links nach rechts: Stefan Maierhofer, Johann Strauß, Erwin Hoffer, Yashin Pehlivan.
© GEPA
Von links nach rechts: Stefan Maierhofer, Johann Strauß, Erwin Hoffer, Yashin Pehlivan.

Maierhofer: "Marcel Koller hat zwei Gesichter"

Sie haben in Ihrer Karriere auch 19 Länderspiele bestritten. Nach einem vergebenen Elfmeter im Spiel gegen die Türkei soll es in der Dusche eine Auseinandersetzung mit Marko Arnautovic gegeben haben. Was ist damals wirklich vorgefallen? Es gibt ja viele Spekulationen.

Maierhofer: Dann sollen die Leute weiter spekulieren. Solche Sachen bleiben für mich intern, ich habe da nie etwas ausgesprochen und werde es auch nie tun. Für mich ist das Geschichte.

Salzburgs Neuzugang Noah Okafor hat kürzlich verraten, dass Marcel Koller ein ausschlaggebender Faktor war, weshalb er den FC Basel verlassen hat. Auch Sie hatten Unstimmigkeiten mit Koller, als er sie aus dem ÖFB-Team strich. In Österreich wurde er lange Zeit als Held gefeiert. Hat Marcel Koller zwei Gesichter?

Maierhofer: Ja. Mehr brauche ich dazu nicht sagen. Ich bin jetzt keiner, der irgendjemanden an den Pranger stellt. Leider hat man mir gegenüber nicht viel Verständnis gezeigt. Aber wenn das ein junger Spieler so von sich gibt, bin ich ja nicht alleine mit meiner Meinung über Koller.

Sie haben sich für Ihre Zeit nach der Profikarriere schon mehrere Standbeine aufgebaut. Mit "Major" haben Sie Ihre eigene Marke kreiert. Welche Edelmaterialen sind in Ihren Kapperln vernäht sind, dass das Stück in Ihrem Online-Shop 48 Euro kostet?

Maierhofer: Das ist eine gute Frage. Ich lasse die nicht in China oder sonst irgendwo produzieren, sondern über ein österreichisches Label: KingCredible. Die haben auch die Kappen von David Alaba oder Franck Ribery gemacht. Wenn ich 10.000 Stück aus China kaufen würde, könnte ich sie vielleicht für zehn oder 15 Euro verkaufen, ich lasse sie in Österreich produzieren, deswegen haben sie natürlich ihren Preis.

Marko Arnautovic soll nach einer Auseinandersetzung mit Stefan Maierhofer im Jahr 2011 kurz vor einer Suspendierung gestanden sein - heute kickt der China-Legionär noch immer für das ÖFB-Team.
© GEPA
Marko Arnautovic soll nach einer Auseinandersetzung mit Stefan Maierhofer im Jahr 2011 kurz vor einer Suspendierung gestanden sein - heute kickt der China-Legionär noch immer für das ÖFB-Team.

Maierhofer über Niko Kovac: "Überragender Typ"

Sie haben bereits öfters angekündigt, nach Ihrer aktiven Karriere dem Fußballgeschäft treu bleiben zu wollen. Wie steht es aktuell um Ihre Trainerausbildung?

Maierhofer: Derzeit besitze ich die UEFA A-Lizenz. Bis zur Regionalliga dürfte ich in Österreich also alles trainieren. Deshalb bin ich auch nach Österreich zurückgekehrt. Ich bekomme bei der WSG Tirol die Möglichkeit, als Co- und Individualtrainer tätig zu sein. Jeden Mittwoch leite ich ein Individualtraining und sammle die nötige Praxis, um hoffentlich für den Pro-Lizenz-Kurs 2022 aufgenommen zu werden.

Sie hatten in Ihrer Karriere einige renommierte Trainer wie Peter Pacult, Bruno Labbadia, Felix Magath, Hermann Gerland oder Roger Schmidt. Wer hat Sie am meisten inspiriert?

Maierhofer: Niko Kovac, er war Co-Trainer zu meiner Zeit in Salzburg. Sein Fußballfachwissen, sein menschlicher Austausch und seine Art, wie er mit einem Spieler spricht, waren großartig. Seine hohe Fußballintelligenz und tolle Menschenführung zeichnen ihn aus. Überragender Typ.

Würden Sie in Ihrem Spielsystem als Trainer einen Spielertyp wie Stefan Maierhofer haben wollen?

Maierhofer: Unbedingt! Als Stürmer und als Typ in der Mannschaft. Es wäre ja Wahnsinn, wenn ich jetzt etwas anderes sagen würde. (lacht)

Die Gegenwart heißt aber WSG Tirol - gab es österreichweit auch andere Interessenten?

Maierhofer: Ja, von ganz unten bis ganz oben. Ich habe mich zum Glück für ganz oben entschieden. (lacht)

Maierhofer: "Das Finden von Schuhen in Größe 48 war früher schon oft eine Challenge, da bin ich auch mal mehrere Kilometer mit dem Auto gefahren."
© GEPA
Maierhofer: "Das Finden von Schuhen in Größe 48 war früher schon oft eine Challenge, da bin ich auch mal mehrere Kilometer mit dem Auto gefahren."

Maierhofer: "Die Bundesliga ist besser als vor 15 Jahren"

Bei Aarau mussten Sie laut eigenen Angaben finanziell Abstriche machen - ist das bei der WSG ähnlich?

Maierhofer: Man kann sich ungefähr vorstellen, was ein Aufsteiger in Österreich bezahlen wird. Aber ich bekomme hier das volle Vertrauen und die Möglichkeit, Erfahrungen als Trainer zu sammeln. Das war für mich wichtiger, als mit 37 Jahren noch das große Geld zu verdienen. Ich bin extrem glücklich über die Aufgabe, hier als Spieler, als Typ und als Trainer mitzuhelfen. Die Menschen, die hier arbeiten, tragen alle das Herz am rechten Fleck.

Wie hat sich die heimische Bundesliga seit Ihren ersten Einsätzen für Rapid verändert?

Maierhofer: Die Stadien haben sich auf jeden Fall weiterentwickelt und auch die Spielweise hat sich verbessert. Es kommen auch bessere Spieler nach Österreich, plötzlich spielt etwa ein Sidney Sam für Altach. Man sieht aber auch, welche Spieler bei Salzburg, LASK oder beim WAC auflaufen. Die Liga ist auf jeden Fall besser, als noch vor 15 Jahren.

Inwieweit bekommen Sie mit, wie sich die aktuelle Corona-Krise auf die WSG Tirol auswirken wird?

Maierhofer: Dafür bin ich hier in Niederösterreich aktuell zu weit weg. In erster Linie zählt, dass der Verein ohne größere Schäden davonkommt, dementsprechend werden wir uns auch alle für die Kurzarbeit melden.

Also stehen Sie der Kurzarbeit positiv gegenüber?

Maierhofer: Jeder Spieler verzichtet ungern auf sein Geld. Aber in so einer Situation müssen wir alle solidarisch zusammenstehen.

Wie trainieren die Spieler der WSG momentan?

Maierhofer: Wir haben ein Fitnessprogramm bekommen, das spulen wir tagtäglich ab. Natürlich ist das ein Unterschied zum Training am Platz, aber das ist nun einmal eine Krisensituation, die man so annehmen muss. Wir dürfen nicht so viel abbauen, um später wieder angreifen können.

Was sind Ihre Ziele mit den Tirolern?

Maierhofer: Gesund bleiben und den Klassenerhalt schaffen.

Sie sind jetzt 37 Jahre alt - wie lange werden wir Sie noch als aktiven Fußballer erleben dürfen?

Maierhofer: Ich fühle mich fit, mir geht es gut, mir macht es Spaß. Wenn wir die Liga halten, verlängert sich mein Vertrag um ein Jahr. Vielleicht übernehme ich dann eine Funktion im Verein, vielleicht hänge ich auch noch ein Jahr dran. Wichtig ist in erster Linie die Gesundheit. Dann arbeiten wir weitere Ziele aus und bestreiten den weiteren Weg hoffentlich gemeinsam.

Stefan Maierhofers Karriere in Zahlen

SpieleToreAssists
603813
531710
45147
4221-
4197
32125
2132
141-
143-
1331
123-
101-
511
411
3--
3--
2--