Lernen von den Profis: Die ultimative Lobhudelei auf Karolina Pliskova

Karolina Pliskova
© getty

Viele Tennisfans tun sich schwer, mit der Siegerin des Porsche Tennis Grand Prix warmzuwerden. Zu Unrecht, denn Karolina Pliskova zeigt vieles, von dem sich auch der Freizeitspieler was abschauen kann.

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Von Florian Goosmann aus Stuttgart

"Die zeigt nie Emotionen." - "Die spielt so unspektakulär." - "Die reißt mich nicht mit." Diese oder ähnliche Aussagen kriegt man bei Matches von Karolina Pliskova oft zu hören. Dabei hat die Tschechin ein durchaus feines Spiel (und eine feine Art), wenn man genau hinschaut. Die ultimative Lobhudelei auf die Stuttgart-Siegerin.

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Fangen wir mit dem Sound an. Pliskova spielt die klassisch tschechische Schule: bloß nicht zu viel Spin! Wenn sie den Ball trifft, ist es für den musikalisch bewanderten Tennisfan ein Genuss. Bei ihr macht der Ball einen gewissen Extra-Plopp - ein Traum für Kenner!

Was im Umkehrschluss aber nicht bedeutet, dass Pliskova "nur" kloppt. Im Gegenteil: Ex-Coach David Kotyza, der langjährige Trainer ihrer Landsfrau Petra Kvitova, wollte aus Pliskova offenbar die zweite "K-Viddy" machen. Schnellere Punkte, bitte! Pliskova wollte dies nicht und trennte sich von Kotyza. In Stuttgart erklärte sie: "Ich brauche das Timing für die Schläge, ich bin nicht der Typ, der gleich den ersten oder zweiten Ball killt. Ich spiele aggressiv, und wenn ein direkter Punkt herausspringt, ist das ein Plus. Aber ich brauche Rallyes." Schön erklärt, dass "aggressiv" nicht immer gleichbedeutend ist mit "schießen aus jeder Lage".

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Pliskova bewegt sich eher... nun ja, sagen wir's so: Sie ist nicht David Ferrer. Oft wirkt sie etwas hüftsteif, und so lautet der Taktiktipp gegen sie meist: nicht mitfeuern, sondern bewegen. "Move her, move her, move her", betete der Coach von Anett Kontaveit am Samstag. Die gute alte Beinarbeit, für jeden Clubspieler ein durchaus leidiges Thema. Pliskova zeigt, dass man auch mit mittelmäßigen Beinen erfolgreich sein kann, wenn das Timing stimmt. Gepaart mit ihrer sauberen und einfachen Technik, ihrer offensiven Spielweise und vielen freien Punkten durch den guten Aufschlag, bedeutet dies: weniger Energieverschwendung. Dessen ist sich Pliskova auch bewusst.

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Pliskova kennt also ihre Stärken - und Schwächen. Das sollte auch jeder Clubspieler. Pliskova weiß: Aufschlag gut, Grundschläge gut, Beinarbeit mäßig, beim Volley zu oft an der T-Linie statt weiter vorne am Netz. Und ja: Sie arbeitet daran, aber baut auf ihre Vorteile. Es ist die alte Trainer-Diskussion: Sollte man die Stärken trainieren? Oder vermehrt die Schwächen? Irgendwie beides: Natürlich muss man an den Schwächen arbeiten, aber wichtig, siehe Pliskova: Die Stärken müssen sitzen, niemand gewinnt Matches, weil die Schwachstellen nicht mehr ganz so schwach sind, aber die früher tolle Vorhand darunter gelitten hat.

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Stichwort Aufschlag: Was der doch hilft! Und Pliskova weiß darum. Wie sagte sie nach ihrem Match gegen Veronika Kudermetova über die Tatsache, dass sie schlecht ins Spiel gekommen war: "Da ist es immer wichtig, dass ich meinen Aufschlag halten kann. Ich glaube dann daran, dass ich meinen Rhythmus immer noch finden kann - und das ist im zweiten Satz passiert." Heißt für uns: Aufschlag üben! Dann kommt man auch an einem schlechten Tag mal durchs Match.

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Noch mal Aufschlag: Was sieht der einfach aus bei der 26-Jährigen! Ball hoch - und drauf. Ohne 300 Ballaufsprünge, Verrenkungen oder anderweitige Umstände. Simple Serving - etwas, das viele gute Aufschläger auszeichnet.

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Harte Aufschläge und Grundschläge, wenig Spin: Pliskova ist keine Laura Siegemund, die ständig den Stopp auspackt. Und wenn, dann nicht den, der drei Zentimeter hinter der Netzkante runterfällt und sie am Ende noch zurückdreht. Aber sie hat das Auge, wann ein Dropshot passt. Im Finale gegen Vandeweghe machte sie die Punkte im Klein-Klein - dank guter Übersicht und trotz nur mittelsensationeller Stopps. Die waren dafür schön entgegen der Laufrichtung angesetzt und umso schwieriger zu holen. Pliskova hat dann mit dem folgenden Schlag den Ballwechsel beendet. Es muss ja nicht immer gleich der direkte Punktgewinn sein...

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Freuen und jubeln - gerne! Aber eher innerlich. Es muss nicht nach jedem Punkt die Faust her, schon gar nicht nach einfachen Fehlern des Gegners. Und braucht man mal die Faust, sollte sie nicht zum Gegner gehen. Pliskova hatte im Verlaufe dieser Woche einige Momente, in denen sie wichtige Punkte mit einem energischen "Come onnnn!" begleitete - aber eben an sich gerichtet. So sieht Fairplay aus.

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Ebenfalls toll: Pliskova rennt kaum zum Handtuch, vor allem nicht nach Doppelfehlern und Assen - und schon gar nicht bei gegnerischen Assen und eigenen Doppelfehlern, wie es einige Profis tun. Vorbildlich!

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Kriegt ihr nicht manchmal die Krise, einen Gegner zu spielen, der kaum Emotionen zeigt? Viel schöner ist's doch, wenn er austickt, sich statt mit Tennis lieber mit Schlägerwürfen und Schimpftiraden beschäftigt und aus dem Konzept bringt. Bei "ruhigen" Gegnern fragt man sich oft, warum keinerlei Regung kommt... und ob sie mental einfach so abgehärtet sind, dass kein Leistungseinbruch zu erwarten ist. Diese Frage stellen sich wohl auch Pliskovas Gegnerinnen.

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Stille Wasser sind tief. Pliskovas Interviews sind keine Feuerwerke an schlagzeilenträchtigen Aussagen. Aber sie hat durchaus einen feinen Humor mit einer leichten Prise Ironie. Eben wie ihr Spiel: auf den ersten Blick unspektakulär, auf den zweiten wunderschön.

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Alles ist relativ, das wusste schon Albert Einstein. Und auch Pliskova setzt alles in Relation. Warum sie so wenig Emotionen zeigt? "Es gibt soviel Leid auf der Welt. Ein gewonnenes Match oder ein Ass werden mich nie zu außergewöhnlichem Jubel veranlassen. Ich kann die Welt dadurch nicht ändern", sagte sie mal. Eine gute Perspektive, auch für's eigene Match am Medenspielsonntag. So sehr man auch gewinnen will.

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