Maria Sharapova im Interview: "Ich will die jungen Spielerinnen herausfordern"

Maria Sharapova
© Jimmie48 Tennis Photography

Seit knapp einem Jahr ist Maria Sharapova wieder dabei - mit gemischten Ergebnissen. Hat sie sich ihr Comeback einfacher vorgestellt? Was erwartet sie von den Newcomern der Tour? Und wozu war ihre Auszeit vielleicht sogar gut? Wir haben mit der fünffachen Grand-Slam-Siegerin in Indian Wells gesprochen.

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Maria Sharapova ist gut gelaunt, als sie am Montagabend zum Interviewtermin mit tennisnet.com erscheint. Sie posiert fröhlich für Fotos ihres Partners Porsche vor der traumhaften Bergkulisse in Indian Wells und gibt sich im anschließenden Gespräch gewohnt tiefgründig, antwortet ausführlich und bedacht. Ihren ersten Auftritt in Indian Wells, wo sie 2006 und 2013 gewonnen hat, hat sie am Mittwoch ab 17 Uhr Ortszeit (2 Uhr MEZ in der Nacht auf Donnerstag) gegen Naomi Osaka. DAZN überträgt das Turnier live ab heute, 20 Uhr.

tennisnet: Frau Sharapova, Sie haben beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart vor einem Jahr ein beeindruckendes Comeback gegeben. Es folgten Verletzungen, frühe Niederlagen, aber auch Highlights, wie Ihr Sieg über Simona Halep in New York. War das Jahr herausfordernder, als Sie gedacht haben?

Maria Sharapova: Es war ein interessanter Weg und ich habe viel gelernt. Ich hatte definitiv meine Momente, in denen mein Spiel da war, wo ich es haben will - aber als ich daran anknüpfen wollte, hat mein Körper mich im Stich gelassen. Das waren die Ups und Downs. Wenn man wegen etwas pausieren muss, verliert man auch das Gefühl für den Wettkampf. Und dafür, dauerhaft Matches zu spielen, was ich von klein auf getan habe. Dieses Hin und Her war letztlich auch der Grund für meine Verletzungen während der Sandplatzsaison. Ich wusste, dass mein Körper sich erst wieder an alles gewöhnen muss.

tennisnet: Während Ihrer Auszeit haben Sie Ihren Aufschlag stark verbessert. Wie war das möglich? Nach Ihrer Schulter-OP im Jahr 2008 konnten Sie ja nicht mehr so aufschlagen wie früher.

Sharapova: Das war ein dauerhafter Prozess. Als Teenager war mein Aufschlag eine Waffe. Meine Gelenke in der Schulter waren recht locker, dadurch hatte ich einen guten Rhythmus - aber genau das war dann auch der Grund für die OP. In den Jahren danach habe ich ständig am Aufschlag gebastelt, habe verschiedene Bewegungen probiert. Es gab Zeiten, in denen ich viele Fehler gemacht habe, in denen mein Ballwurf nicht konstant war. Das habe ich nun besser hinbekommen. Aber es ist noch Luft nach oben. Tempo, Genauigkeit und Konstanz will ich noch verbessern.

tennisnet: In der regulären Off-Season bleibt meist nur wenig Zeit, am Spiel zu feilen, sich weiterzuentwickeln. Hat eine unfreiwillige Auszeit in solchen Fällen ihre positiven Seiten?

Sharapova: (überlegt) Ach, das weiß man nie so recht. Es kommt drauf an, wie man Situationen nutzt, in die man kommt. Man muss sich fragen: Was ist wichtig? Ich habe meinem Spiel während dieser Pause definitiv einiges hinzugefügt. Ich komme mehr nach vorne, spiele variabler. Dennoch muss man immer an den Basics arbeiten. Das heißt bei mir: den Ball lang spielen, aggressiv, den Gegner so herausfordern - und das sehr konstant.

tennisnet: Was sagen Sie zur Entwicklung des Tennis allgemein: Speziell im Herrenbereich wird aktuell viel experimentiert, der Davis Cup soll reformiert werden, es gab neue Regeln bei den Next Gen Finals... Muss sich Tennis verändern oder ist alles gut so, wie es ist?

Sharapova: Es gibt ja viele Überlegungen. Zum Ende der Saison sieht man immer, wie viele Verletzungen jeder mit sich rumschleppt. Dennoch wird der Kalender immer voller. Wir haben aktuell kein Gleichgewicht, eine zehnmonatige Saison ist zu lang und müsste kürzer sein. Aber wie nimmt man Events raus, die es bereits gibt? Das ist eine Frage des Geldes, der Sponsoren. Ich weiß nicht, ob sich etwas tun wird, solange ich spiele. Tennis ist ein internationaler Sport, das macht es ziemlich verzwickt.

tennisnet: Sie haben im letzten Jahr ihre Autobiografie Unstoppable: My Life So Far veröffentlicht, in der Sie auch viel über Serena Williams geschrieben haben. Unter anderem glauben Sie, dass Serena Ihnen nie verziehen hat, dass Sie nach Ihrem Wimbledon-Sieg 2004 gehört haben, wie sie laut geweint hat. Wie würden Sie die Beziehung zu ihr beschreiben?

Sharapova: Im Laufe der Jahre wurde natürlich viel über unsere Rivalität geredet. Wir kommen aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen und haben beide unseren Weg gefunden, es nach oben zu schaffen. Man sieht uns immer als Rivalen, statt dass wir beide gefeiert werden - aber das ist in unserer Gesellschaft normal. Wie man im Buch lesen kann, respektiere ich sie unglaublich dafür, was sie erreicht hat. Und dafür, dass sie immer weitermacht. Ich denke, wir haben eine professionelle Beziehung. Ich habe viel über sie geschrieben, weil es sehr merkwürdig wäre, wenn eine meiner größten Rivalinnen nicht vorkommen würde. Ich habe Biografien von Tennisspielern gelesen, und in manchen wurden die größten Rivalen gar nicht erst erwähnt. Das fand ich immer etwas komisch (lacht).

tennisnet: Können Sie sich vorstellen, nach Ihrer Karriere eine Art Freundschaft zu ihr zu entwickeln?

Sharapova: Ich hatte das große Glück, von klein auf große Freundschaften aufzubauen, die in vielerlei Hinsicht sehr bedeutsam sind. Die mir geholfen haben, mich zu entwickeln, zu wachsen. Am Ende des Tages sind Serena und ich immer Rivalen. Sogar, als ich noch nie gegen sie gespielt hatte und nur wusste, dass sie diese phänomenale Spielerin ist, die Grand-Slam-Turniere gewonnen hat. Schon damals habe ich diese Konkurrenzsituation gespürt, habe gefühlt, dass ich auf das Level kommen möchte, sie und ihre Schwester zu schlagen. Wir sind beide große Wettkämpfer. Der Antrieb, besser zu sein: Das macht uns letztlich zu dem, wer wir sind.

tennisnet: Eine dicke Freundschaft haben Sie zum Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart entwickelt. Hier hat 2012 Ihr Lauf auf Sand begonnen, Sie haben das Turnier drei Jahre in Folge gewonnen und so den Grundstein für Ihre beiden French-Open-Siege gelegt.

Sharapova: Es war ein entscheidendes Turnier für meine Sandplatzkarriere! Ich habe es lange Zeit nicht gespielt, aber als ich angefangen habe, meine Sandvorbereitung dort zu starten, hat es "Klick" gemacht. Es ist eine Kombination aus vielem: ein toller Platz, in der Halle, wo auf Sand alles etwas berechenbarer ist. Und wenn man drei Mal gewonnen hat, freut man sich natürlich darauf wiederzukommen. Und den Porsche die Rampe runterzufahren (lacht).

tennisnet: Um den duelliert sich 2018 auch die nächste Generation. Wenn Sie sich die Newcomer der letzten Jahre anschauen, wie Jelena Ostapenko, Sloane Stephens, Ashleigh Barty... Wer hat die besten Chancen, Sie oder Serena mal abzulösen?

Sharapova: Das ist so eine Sache. Es gibt viele Möglichkeiten - aber auch viele Richtungen, in die man gehen kann. Vieles muss zusammenpassen. Alle haben ihre Stärken und Schwächen, aber die Frage ist: Können sie ihr Level Jahr für Jahr für Jahr halten? Und ihren Antrieb? Die Zeit wird das zeigen. Aber es ist viel Talent da. Was Sloane Stephens für den US-Markt getan hat, ist großartig: in die Fußstapfen der Williams-Sisters zu treten, die US Open zu gewinnen, im eigenen Land.

tennisnet: In Indian Wells spielen Sie zum Auftakt gegen eine der jungen Wilden, gegen Naomi Osaka, die einen tollen Start ins Jahr hingelegt hat.

Sharapova: Wir haben noch nie gegeneinander gespielt. Sie ist eine gute Spielerin, die schon gegen erfahrene Spielerinnen gewonnen hat. Sie ist diejenige, die man seit gut einem Jahr im Blick hat. Aber genau gegen diese jungen Spielerinnen will ich spielen und sie herausfordern. Sie sind es schließlich, die unseren Platz einnehmen werden, wenn wir aufhören.

Das Gespräch führte Florian Goosmann in Indian Wells.

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