Toni Nadal im tennisnet-Interview: "Kerber hat beste Chancen auf Wimbledonsieg"

Von Ulrike Weinrich
Toni Nadal im exklusiven tennisnet-Interview
© getty

Im exklusiven tennisnet-Interview verrät Toni Nadal, warum für ihn Angelique Kerber 2018 beste Chancen auf den Wimbledonsieg und die Rückkehr an die Spitze der Weltrangliste hat. Der Onkel von Superstar Rafael Nadal spricht außerdem über die Grand-Slam-Blockade von Alexander Zverev, die berechtigte "GOAT"-Bezeichnung von Roger Federer und die Mallorca Open (18. bis 24. Juni), bei denen Toni als Turnierdirektor fungiert.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Von Ulrike Weinrich

Toni Nadal wirkte gelöst und verbindlich, als er am Wochenende die "European Tennis Base" in Salzburg/Rif besuchte. Der 57-jährige Spanier spricht sehr gut Deutsch und war auch in der Mozartstadt um keinen Spruch verlegen.

tennisnet: Herr Nadal, Angelique Kerber wird in diesem Jahr bei der dritten Auflage der Mallorca Open in Santa Ponsa an den Start gehen, bei denen Sie der Turnierdirektor sind. Sind Sie der Meinung, dass sie wieder die 'alte Angie' von 2016 ist?

Nadal: Ich glaube, sie ist absolut auf dem richtigen Weg. Angelique hat aus meiner Sicht auch gute Chancen, am Ende des Jahres wieder die Nummer eins der Weltrangliste zu sein. Ihre Erfolge zu Saisonbeginn mit dem Turniersieg in Sydney und dem Halbfinale in Melbourne bei den Australian Open haben Angie viel Selbstvertrauen gegeben, denn sie hat dort einfach auch super stark gespielt. Sie hat mich schon beeindruckt. Bis jetzt gab es nur wenig Niederlagen, ihre Bilanz 2018 (19:3 Siege, Anmerk. d. Red.) ist wirklich sehr stark.

tennisnet: Viele Experten haben Kerber besonders in punkto Wimbledonsieg auf dem Zettel. Sie auch?

Nadal: Natürlich. Angies Spiel passt blendend zum Rasen. Ich glaube, die Vorzeichen stehen gut, dass es bald wieder eine deutsche Wimbledonsiegerin gibt. Kerber hat beste Chancen, dieses Turnier zu gewinnen und zählt zu den Top-Favoritinnen. Ich habe ihre knappe Achtelfinal-Niederlage im vergangenen Jahr gegen Garbine Muguruza in Wimbledon gesehen. Die Spanierin wurde danach Wimbledon-Champion. Hätte Angie das Duell gegen Muguruza gewonnen, wäre sie die Favoritin auf den Titel gewesen. Sie hatte 2017 ein Problem, weil sie nicht konstant war, aber Kerber hat die Kurve wieder bekommen und ist in Topform.

tennisnet: Wie bewerten Sie derzeit das Niveau im Frauen-Tennis - und was trauen Sie Serena Williams mittelfristig nach ihrem Comeback zu?

Nadal: Die Spitze ist gerade in letzter Zeit breiter geworden. Und das ist auch die Chance für eine Spielerin wie Angie. Vor ihrer Schwangerschaft war Serena Williams der große Star und hat dominiert. Aber mittlerweile gibt es nicht mehr so eine Super-Favoritin wie früher. Zumal auch Maria Sharapova und Victoria Azarenka aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr so präsent waren. Aber ich denke, wenn Serena zurückkommt, wird sie gleich wieder zu den Anwärterinnen auf Siege zählen.

tennisnet: Wie sehr freuen Sie sich auf eine Angie Kerber bei den Mallorca Open, die ja auch Anfang April noch eine Pressekonferenz vor Ort geben wird?

Nadal: Für uns ist das natürlich eine tolle Sache, dass sie dort zum ersten Mal spielen wird. Ich glaube aber auch, dass es für sie eine sehr gute Möglichkeit ist, sich optimal auf Wimbledon vorzubereiten. Die Zuschauer haben jedenfalls die Gelegenheit, eine tolle Spielerin live und aus der Nähe zu sehen.

tennisnet: Ein Schwenk zu den Männern - trägt Roger Federer zu Recht den inoffiziellen Titel als GOAT - Greatest of all time?

Nadal: Im Moment ist Roger der beste aller Zeiten. Keiner hat das geschafft, was er erreicht hat. Auch Rod Laver war sehr gut, aber keiner hat 20 Grand-Slam-Titel, einen Davis-Cup-Erfolg und viele andere Siege geholt. Rafael hat auch 16 Majors gewonnen, viermal im Davis Cup triumphiert - aber Federer ist besser, er ist der Beste!

tennisnet: Federer ist mit 36 Jahren wieder die Nummer eins im Ranking. Haben Sie sich ein bisschen mitgefreut?

Nadal (schmunzelnd): Ich will natürlich, dass mein Neffe ganz oben steht - und nicht Federer. Aber Roger ist natürlich ein außergewöhnlicher Spieler, es ist unglaublich, was er erreicht hat in seinem Alter. Er ist ein besonderer Tennisspieler, hat einen super Aufschlag, eine super Vorhand. Ich denke, er kann noch eine Weile auf diesem Niveau spielen.

tennisnet: Boris Becker ist als Vollzeit-Coach von Alexander Zverev im Gespräch. Was könnte diese Zusammenarbeit bewirken?

Toni Nadal: Allein die Präsenz von Becker kann gut sein für Zverev. In diesem Tennis-Zirkus kommt es auch darauf an, wer etwas sagt - und wie es gesagt wird. Wenn ein Mann wie Boris etwas von sich gibt, dann ist es immer etwas Besonderes für den Spieler. Er war selbst ein toller Profi und hat einen exzellenten Job mit Novak Djokovic gemacht. Es könnte eine super Sache für Zverev sein, Becker an der Seite zu haben.

tennisnet: Für Sascha Zverev hat es bei den Grand-Slam-Turnieren noch nicht ganz gereicht. Wird es bei den Majors irgendwann bis zum Sieg reichen?

Toni Nadal: Ja, da bin ich sicher. Wenn man - wie er - in Rom und Montreal gewinnen kannst, kannst Du auch bei den Grand Slams in Paris, New York oder Melbourne den Titel holen. Aber es gibt auch noch mehr Spieler, die das können. Ich denke da an Denis Shapovalov, Dominic Thiem oder Hyeon Chung.

tennisnet: Sie gehören wie vereinbart nicht mehr dem Trainerteam ihres Neffen Rafael Nadal an. Wie haben Sie seine Spiele bei den Australian Open verfolgt?

Toni Nadal: Ich war in meinem Haus auf Mallorca und habe selbstverständlich alle Matches von ihm gesehen. Er hat gut gespielt, war dann aber leider verletzt. Ich habe nun natürlich eine andere Perspektive und Sichtweise. Früher war ich der Coach UND der Onkel - jetzt bin ich nur noch der Onkel. Ich habe mit Rafael auch öfter vor und nach den Matches telefoniert. Aber ich habe mit ihm wie ein Onkel geredet, nicht mehr wie ein Trainer. Natürlich ging es bei den Gesprächen auch um Tennis. Ich habe ihm schon meine Meinung gesagt. Aber eben nicht mehr so wie früher.

tennisnet: Wird Rafael Nadal auch mit 36 Jahren noch spielen?

Toni Nadal: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Aber wenn sein Körper mitspielt, schließe ich nichts aus. Andererseits gibt es viele junge Profis, die nachrücken. Aber wenn Rafael die Möglichkeit sieht, noch große Turniere gewinnen zu können, ist es möglich, dass er noch ein paar Jahre spielen wird.