Angelique Kerber - "Besser hätte das Jahr gar nicht beginnen können"

Angelique Kerber mit Sieger-Trophöe Nummer 11.
© getty

Mit ihrem Turnier-Sieg in Sydney hat Angelique Kerber ihren Favoriten-Status für das erste Grand-Slam-Turnier 2018 endgültig zementiert.

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Angelique Kerber hatte gerade die Glückwünsche ihrer Gegnerin Ashleigh Barty entgegen genommen und sich artig beim Publikum bedankt, als ihr selbst auffiel, dass da noch irgendwas fehlte in diesem Glücksmoment in Sydney. Also machte sich die soeben gekürte Siegerin des WTA-Turniers von Sydney noch einmal schnell zur Trainerloge auf dem einst olympischen Centre Court auf. Und dort entstand dann auch so etwas wie das Bild des Tages, auch das Symbolfoto für diese ersten Tennistage der Saison 2018 - nämlich eine innige Umarmung mit dem neuen Trainer Wim Fissette.

"Besser hätte das Jahr nicht beginnen können", sagte Kerber später, nach dem 6:4, 6:4-Sieg über Barty. Was in diesem Fall auch besonders meinte: Besser hätte sich das Zusammenspiel der ehemaligen Weltranglisten-Ersten und dem belgischen Übungsleiter beim ersten Ernstfall auf der Tour nicht entfalten können. Ungeschlagen geht die 29-jährige Kielerin nun in das Grand Slam-Abenteuer in Melbourne - und anders als in so vielen Monaten der vergangenen Seuchensaison, in denen man sie zunehmend übersehen und ausblenden konnte, wird sie im National Tennis Center wieder ein Machtfaktor im Grand Slam-Kräftespiel sein. Nicht wenige sehen in Kerber und auch in Landsfrau Julia Görges bedeutende Mitfavoritinnen bei der Titelvergabe down under, selten jedenfalls war die Ausgangslage für das deutsche Frauentennis derart komfortabel wie jetzt zum Start der Spielzeit 2018.

Bessere Vorbereitung

Schon vor Wochenfrist hatte Görges mit dem Pokalcoup in Auckland weitere Erwartungen geweckt und ihre steil aufsteigende Form untermauert. Nun folgte Kerber in Sydney nach, jene Spielerin, die Görges bei ihrem atemraubenden Schlußspurt 2017 sogar noch als Nummer eins hierzulande abgelöst hatte. Görges nimmt die Grand Slam-Herausforderung in Melbourne nun als Nummer zwölf der globalen Tennis-Hackordnung in Angriff, Kerber kletterte mit dem Triumph in Sydney zurück auf Platz 16. Kerber spielte nicht nur in Sydney, sondern auch schon bei der inoffiziellen Mixed-WM in Perth, als hätte es das verkorkste letzte Jahr überhaupt nicht gegeben. Den letzten Titel vor dem Volltreffer in der ostaustralischen Millionenmetropole hatte Kerber bei den US Open 2016 gewonnen, es bedeutete damals auch den Sprung auf Platz 1 und die Vollendung einer märchenhaften Jahresserie. In dem glänzenden Abschluß war allerdings auch schon die Krise angelegt, Kerber hatte sich restlos verausgabt, war am Ende der Saison auch am Ende aller Kräfte.

2017 begann schwierig, nach zu kurzer Vorbereitung kam gleich das Erstrunden-Aus in Melbourne. Kerber verlor Matches, weil sie ihre uriegensten Stärken verloren hatte: Ihre Hartnäckigkeit, ihre Zähigkeit, den Biss, bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus zu gehen. Der Absturz verlief schleichend, am Ende aber war er kapital. Hatte das alles auch mit Kerbers Weigerung zu tun, neue Wege zu gehen, sich neue Köpfe für neue Prüfungen zu suchen? Diese Fragen entschied die Deutsche erst nach dem Saisonende mit der Trennung von ihrem alten, treuen Weggefährten Torben Beltz.

Trumpfkarte Fissette

Und der Verpflichtung von Fissette, dem Mann, der einst an der Seite von Kim Clijsters bei zwei Grand Slam-Siegen gewesen war und der auch Sabine Lisicki 2013 ins Wimbledonfinale geführt hatte. Kerber hatte wohl einen weisen Entschluß gefaßt, nämlich den, die Zusammenarbeit mit Fissette nicht etwa noch Hals über Kopf in der Krisensaison zu beginnen, sondern zum Start ins neue Jahr. Fissette ging so unbelastet von früheren Ergebnissen an die Arbeit, und er tat es mit der gewohnten Akribie und Hellsichtigkeit. Dem Belgier eilt nicht zufällig der Ruf eines glänzenden Analytikers voraus, eines Mannes, der Schwachstellen sozusagen bei Freund und Gegner vortrefflich aufzuspüren weiß.

So wirkt Kerber dieser Tage nicht nur wieder fitter und drahtiger, sondern auch zupackender gerade beim Aufschlag - einem Aspekt ihres Spiels, der immer als Defizit betrachtet wurde. "Ich habe jahrelang Gegnerinnen von Angie gecoacht", sagt Fissette, "deshalb ist mir nicht fremd gewesen , woran wir zu arbeiten hatten." Natürlich sind die australischen Tenniswochen von enormer Wichtigkeit für das neue Gespann, aber Fissette hat das Große und Ganze im Blick, die Langzeitperspektive: "Wenn Angie lernt, sich noch viel mehr zuzutrauen, noch aggressiver und mutiger zu spielen, haben wir noch sehr viel Gutes vor uns." In diesem Jahr. Und auch danach.

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