Pro oder contra - Was soll aus dem Davis Cup werden?

Von tennisnet
Yannick Noah
© getty

Seit die Vorschläge der ITF zu einer Reform des Davis Cups auf dem Tisch liegen, geht es in der Tenniswelt drunter und drüber. Aber ist denn alles an den Plänen von David Haggerty wirklich so schlecht?

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Ja, warum denn eigentlich nicht?

PRO: "Why fix it when it ain´t broke", fragt der US-Amerikaner gerne. Und kann es dann halt doch manchmal sein lassen, pfuscht an einer guten Sache herum - und macht diese zumindest kommerziell besser. Im Grunde genommen war nichts falsch mit der Lieblings-Samstagsbeschäftigung der Sportfans im Herbst, dem College Football. In sportlicher Hinsicht. Am Ende der kurzen Saison gab es ein National Championship Game, die Finalisten wurden durch ein etwas obskures System ermittelt, egal, ganz Amerika hat eingeschalten.

Und dann hat die NCAA ohne große Not ein Playoff vor dem Endspiel eingeführt (nicht zu jedermanns Freude) - und sich daran eine goldene Nase verdient. ESPN zahlt für die Übertragungsrechte der Ausscheidungsrunde 470 Millionen US Dollar. Pro Jahr. Die Studenten haben davon leider nichts, dafür werden die Universitäten immer reicher. Und guter Sport wird dennoch geboten.

Die Summen, die David Haggerty für seine ganz besondere Idee einer Davis-Cup-Endrunde ausruft, bewegen sich in ähnlichen Sphären. Drei Milliarden US Dollar für 30 Jahre, das sind im Durchschnitt 120 Millionen pro Jahr. Wird nur die Hälfte davon zu gleichen Teilen an die 18 (diese Anzahl ist allerdings erklärungsbedürftig) ausgeschüttet, blieben pro Verband mehr als drei Millionen US Dollar übrig. Zumal der Aufwand für die Veranstaltung mehrerer Davis-Cup-Wochenenden entfiele. Mit Ausnahme der Verbände Australiens, Frankreichs, Großbritanniens und jenem der USA könnte kaum eine nationale Vereinigung auf ein derart großen Betrag verzichten.

Ein anderer Termin täte gut

Und damit zur emotionalen Seite: Ja, der Schreiber dieser Zeilen ist im Wiener Praterstadion gesessen, als Thomas Muster auf Sand gegen Andre Agassi eines seiner ganz großen Matches geliefert hat. Oder ein paar Jahre später in einem umgebauten Hangar des Flughafens Wien Schwechat, als Österreich gegen die Franzosen gespielt hat. Jürgen Melzer in fünf gegen Gilles Simon. Unvergessliche Momente. Heimspiele im Davis Cup sind etwas Besonderes, keine Frage. Andererseits: Was spricht gegen eine Fanreise zu einem Nationenturnier, bei dem sich die Top-Teams der Tenniswelt treffen? Noch dazu mit mehreren garantierten Auftritten? In den großen Teamsportarten funktioniert dies im Grunde hervorragend, vor allem auch, was die Reiselust der deutschen Anhänger zu Handball-Europameisterschaften, Eishockey WMs oder aber auch den Biathlon-Wettbewerben in PyeongChang anbelangt. Wenn die Identifikation der Spieler mit dem jeweiligen Team stimmt, dann werden auch die Fans mitgerissen.

War es denn nun für Alexander Zverev in Brisbane um so vieles schwieriger, unterstützt von einer kleinen Gruppe eingeschworener Deutschland-Fans, gegen Australien groß aufzuspielen als dies vielleicht in Frankfurt der Fall gewesen wäre? Entsteht nicht erst durch solche Erlebnisse eine besondere Chemie, nicht nur im Team, sondern auch zwischen den Profis und all jenen, die große Siege vor Ort live miterlebt haben?

Und überhaupt Alexander Zverev (der sich zum Thema noch nicht geäußert hat): Die deutsche Nummer eins gehört einer Generation an, die die Tradition im Tennissport zwar schätzt, für Neues aber offen erscheint. Zverev, Nick Kyrgios, Denis Shapovalov, Andrey Rublev - diese Spieler werden den Tennissport während der kommenden Jahre prägen. Und wenn es im Rahmen eines ganz neuen Events nach Vorschlag von David Haggerty ist - warum nicht?

Denn im Unterschied zum amerikanischen College Football liegt beim Davis Cup seit einigen Jahren vieles im Argen. Boris Becker hat dies mit "verstaubt" noch sanft umschrieben. Aber wenn sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen, wird sich auch ein besserer Termin finden lassen als nach Abschluss der regulären Saison.

Jens Huiber

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