Mats-Merkel-Serie, Teil 8 - "Man sieht teilweise David gegen Goliath"

Von tennisnet
Mats Merkel auf einem Scouting Trip in den USA
© Neal Trousdale

Mats Merkel ist für Adidas als Scout und Coach unterwegs. Bei den US Open hat sich der 33-jährige Deutsche neben seinen Aktivitäten für adidas auch um den Taiwanesen Chun Hsin Tseng gekümmert. Im achten Teil unserer Serie analysiert Merkel die wichtigsten Kinder- und Jugendturniere.

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tennisnet: Cori Gauff, die in diesem Jahr bei den French Open den Junioren-Titel gewonnen hat, hat vor ein paar Tagen bei der Orange Bowl zugeschlagen, beim wohl bekanntesten Jugend-Turnier. Wo sollen Eltern ihre Kinder aus Ihrer Sicht hinschicken - wenn dies finanziell und sportlich möglich ist?

Mats Merkel: Für Jugendliche ist es grundsätzlich wichtig, sich immer wieder miteinander zu messen. In allen Sportarten, nicht nur im Tennis. Den Wettkampf zu lieben, das muss schon in jungen Jahren gelernt werden. Es gibt SpielerInnen, die erst verhältnismäßig spät, also etwa im U14-Bereich einsteigen. Es geht aber gar nicht darum, enorm viele Turniere zu spielen. Man muss diese vielmehr gezielt aussuchen.

tennisnet: Wie sieht es da in Europa aus?

Merkel: Für die U12 gibt es immer im Februar in Auray das "Open Super 12", ein sehr cooles für Kinder unter zwölf. Ist im Nordwesten Frankreichs, nicht ganz einfach zu erreichen. Als erfahrener Traveller schafft man das aber schon: Flug nach Rennes oder Brüssel, dann zweieinhalb Stunden mit dem Auto. Für die Eltern und die Kinder ist das Turnier diese Strapazen aber wert. In der Regel meldet bei diesem Turnier schon der Verband die Spieler, nach Rücksprache mit den Eltern. Bei der U12 dürfen die Eltern zumeist noch mit, U14 ist es schon eher so, dass es der Verband lieber ohne Eltern macht.

"Der Manager von Elina Svitolina ist involviert"

tennisnet: Was uns gleich zum nächsten Turnier bringt ...

Merkel: Genau. Das größte U14-Event weltweit ist "Les Petits As" in der Nähe von Toulouse. Dieses Turnier genießt schon immer ein sehr hohes, globales Ansehen. Der Manager von Elina Svitolina, Stephane Gurov von Top Five Management, ist da involviert. Aus einer gewissen Eigenmotivation natürlich - so ist es leichter, die nächste Generation abzufischen. Aber sicherlich auch, weil Stephane viel Erfahrung hat. Und auch ein, zwei Spielerinnen aus der nächsten Generation betreut, wie etwa Dayana Yastremska. Das Turnier ist jedenfalls hervorragend organisiert, angefangen vom Shuttle-Service zu einem coolen Turnier-Desk. Alle Matches werden mit Schiedsrichtern gespielt - da bekommen die Teilnehmer einen ziemlich guten Einblick in das professionelle Tennis.

tennisnet: Die Ahnentafel der SiegerInnen liest sich jedenfalls beeindruckend.

Merkel: Ja, aber: Erfolg in der Jugend ist keinesfalls immer mit Erfolg auf dem Erwachsenen-Level gleichzusetzen. Es ist leider so, dass viele Kinder überspielen, also viel zu viel trainieren oder spielen. Die Eltern wissen es meist nicht besser, weil sie in der Regel halt auch nicht aus der Sportart kommen - und dann von den vermeintlichen Beratern nicht richtig angeleitet werden. Es ist toll, wenn ein Kind U14 oder U16 weit vorne steht. Aber es geht halt auch darum, dass sich die Kinder spielerisch und körperlich weiterentwickeln. Man muss natürlich sagen: wenn ein Kind in der U12 oder der U14 der jüngere Jahrgang ist, dann sind das teilweise riesige Unterschiede. Da sieht man teilweise David gegen Goliath spielen. Und da setzt sich halt meistens der Goliath durch.

"Alle Kinder sollten in die Schule gehen"

tennisnet: Wie sieht es mit dem Gewinn eines nationalen Meistertitels aus, etwa in der U18 oder der U16? Wieviel Aussagekraft hat ein derartiger Erfolg?

Merkel: Es ist schon wichtig für die Jugendlichen, Meisterschaften einzufahren - und hat deshalb auch eine gewisse Wertigkeit. Und es ist auch für die verschiedenen Verbände wichtig, auch zur Rechtfertigung gegenüber dem DOSB. Man darf außerdem nicht vergessen, dass Tennis weltweit sehr viel Visibility für verschiedenste Marken liefert. Deshalb ist es auch wichtig zu sehen, wie schneiden die besten SpielerInnen eines Landes bei den nationalen Meisterschaften ab. Weil sich daraus ja auch die Entsendungen zu internationalen Turnieren ergeben. Schöner Nebeneffekt: Bei den deutschen Meisterschaften werden die Kinder von den Verbandstrainern betreut. Und die können dort genau sehen, woran gearbeitet werden muss.

tennisnet: Am Ende des Jahres zieht es Sie aber auch regelmäßig in die USA.

Merkel: Genau. Da gibt es das Eddie Herr und den Orange Bowl für U12 bis U18. Vor allem letzteres ist ein sehr hoch angesehenes Turnier. Der Orange Bowl fand früher auf der Anlage in Key Biscaine statt, wurde dann nach Plantation hochverlegt. Vielleicht wird das Turnier auch in ein, zwei Jahren zur USTA in die Nähe von Orlando hochziehen. Das würde ich gut finden, weil die USTA für ihr Trainingszentrum in Lake Nona wirklich viel Geld in die Hand genommen hat. Dennoch: Die Ausgaben für die Eltern von Kindern, die, vor allem in der U12 und U14, Eddie Herr und Orange Bowl spielen, sind immens. Vor allem, weil zwischen den beiden Turnieren in diesen Altersklassen eine Woche Pause ist. Und man muss ja schon früher anreisen wegen des Jet-Lags und der Gewöhnung ans Klima. Für Kinder, die eigentlich in die Schule gehen sollten - und das sind aus meiner Sicht alle - ist es eigentlich schwierig, so etwas zu rechtfertigen.

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