Djokovic-Coup: Der Meister aller Masters

Novak Djokovic
© getty

Der erste Sieg in Cincinnati machte die Masters-Sammlung komplett. Novak Djokovic feierte "einen der größten Momente meines Tennislebens".

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Der Moment, in dem Novak Djokovic einmal komplett den Überblick beim Masters-Spektakel in Cincinnati verlor, war natürlich gleich in den virtuellen Welten des Internet fein säuberlich dokumentiert. Es war Freitagnacht, nach seinem Viertelfinalmatch gegen Milos Raonic, als der Serbe den riesigen Parkplatz vor der Tennisanlage betrat und in der Dunkelheit sein Mietauto plötzlich nicht mehr fand. Zaungäste filmten, wie Djokovic erheitert "Mamma mia, wo ist mein Wagen" schrie und dann einige Zeit auf dem Gelände herumirrte. Schließlich erhielt der Tennisstar im nächtlichen Nieselregen den richtigen Tipp von einem aufmerksamen Passanten, steuerte mit seinem Helfertrupp das Auto an, bedankte sich hoch und heilig und brauste davon.

Auf dem Centre Court hatte Djokovic keine vergleichbaren Orientierungsschwierigkeiten - in einer Woche, die ihm zuguterletzt einen der größten und herausragendsten Augenblicke seiner Karriere bescherte: Der wiedererstarkte, zu altem Glanz auferstandene "Djoker" gewann am Sonntagabend nicht einfach nur den nächsten großen Pokal im Tourbetrieb, mit dem 6:4, 6:4 über den ewigen Rivalen Roger Federer. Djokovic hatte sich als Titel-Held von Cincinnati nun als erster Spieler der Geschichte auch alle Masters-Titel wenigstens einmal gesichert, von den ersten Siegen im Jahr 2007 in Miami und bei den Canadian Open bis hin zu diesem Erfolgserlebnis am 19. August 2018 in der Großstadt am Ohio River - er war nun der "Master of the Masters", der Meister aller Masters.

Federer: "Gewaltige Leistung"

"Das ist einer der größten Momente meines Tennislebens, keine Frage", sagte Djokovic (31), der zuvor fünf Endspiele bei diesem letzten Topevent vor den US Open verloren hatte, drei davon auch gegen Federer. Djokovic, so geschichtsbewusst wie seine großen Kontrahenten Federer und Nadal, hatte den beiden Titanen zum zweiten Mal etwas wirklich Bedeutsames voraus - nachdem er in den Jahren 2015 und 2016 vier Grand Slam-Titel in Serie gewonnen hatte, als erster Profi in der modernen Ära dieses Sports. "Es ist eine gewaltige Leistung, all diese Turniere gewonnen zu haben. Man sollte heute nicht über meine Fehler reden, sondern über Novak", sagte Federer, wie stets der Gentleman auch in der Niederlage.

Djokovics Triumph krönte, gemeinsam mit dem Wimbledon-Sieg vor gut einem Monat, ein bemerkenswertes Comeback in der Weltspitze. Nach seinem French Open-Sieg 2016 hatte der Serbe sich vorübergehend mit Motivationsproblemen und persönlichen Krisen aus der Elitegruppe verabschiedet und war sogar falschen Propheten wie dem berüchtigten spanischen Esoterik-Guru Pepe Imaz aufgesessen. Es wurde einsam um Djokovic - buchstäblich. Erst verließ ihn Erfolgstrainer Boris Becker, dann entließ Djokovic noch den Rest seiner eingeschworenen Betreuungscrew. 2017 kamen noch Verletzungsprobleme am überlasteten rechten Arm hinzu, der Serbe musste sich einem Eingriff am Ellenbogen unterziehen. Als die Saison 2018 begann, rangierte er nur noch auf Platz 14 der ATP-Weltrangliste, und viel besser wurde es zunächst auch nicht bei den ersten Turnieren. "Es war eine große Achterbahnfahrt in letzter Zeit", sagte Djokovic am Abend seines Sieges in Cincinnati, "ich bin froh, dass ich wieder das Feuer in mir gefunden habe. Den Biss, den es braucht, um große Turniere zu gewinnen."

"Bin zwischenzeitlich vom Weg abgekommen", sagt Djokovic

Geschafft hatte er die Wende zeimlich simpel - mit der Rückkehr zu den vertrauten Begleitern, zu seiner Tennis-Familie. Auch in Cincinnati saßen sie wieder am Rand der Tennisbühne, Marijan Vajda, der langjährige Coach. Oder Gebhard Gritsch, Ernährungs- und Fitness-Experte aus Österreich. Djokovic hatte sie im tiefsten Tief der Krise gefeuert und dann im Frühjahr 2018 demütig an seine Seite zurück beordert, er redete allerdings auch nicht lange um seine Irrungen und Wirrungen herum, gestand sich "gewaltige Fehler ein": "Ich bin zwischenzeitlich total vom Weg abgekommen, habe nicht mehr gesehen, wer wichtig ist für mich."

Djokovic ist jetzt auch der Wettfavorit für die US Open, vor den Mitstreitern Federer und Nadal oder einem ambitionierten Außenseiter wie Alexander Zverev. "Es ist fast ein wenig unwirklich, auf diesem Level zurück zu sein", meinte Djokovic, "ich habe nicht immer geglaubt, das noch einmal zu schaffen."

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