Adidas-Coach Mats Merkel - "Die kommende Generation muss nach vorne spielen"

Von tennisnet
Mats Merkel hat Spieler aller Altersgruppen im Blick
© Jürgen Hasenkopf

Mats Merkel ist für Adidas als Scout im Tenniszirkus auf Achse. Wenn Coaching-Not am Mann ist, springt der 33-Jährige ein. Merkel hat neben anderen Spitzenspielerinnen auch Caroline Wozniacki betreut. Das Exklusiv-Interview für tennisnet.com führte Jens Huiber.

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tennisnet: Herr Merkel. Wir treffen uns hier in Wörschach beim Finale der Adidas Club Challenge. Was führt Sie in die Obersteiermark?

Mats Merkel: Nun, ich kümmere mich hier um Dominic Thiem und Stefanos Tsitsipas, der hier zum Glück sehr kurzfristig eingesprungen ist. Er war ja in Kufstein mit seinem kleinen Bruder, der dort gerade ein Turnier spielt. Ich bin am Freitag zurückgekommen aus Wimbledon, meine Kollegen sind für das Finale von Angelique Kerber dort geblieben. Wobei das Event heute natürlich mindestens genauso wichtig ist (lacht).

tennisnet: Um kurz bei Angelique Kerber zu bleiben: Ab welchem Match haben Sie denn daran geglaubt, dass Kerber wirklich eine Chance hat, das Turnier zu gewinnen?

Merkel: Gehofft habe ich es von der ersten Runde an. Sie hat mit Wim Fissette seit der Off-Season im letzten Jahr sehr, sehr gut gearbeitet. Auch wenn es in Australien vielleicht nicht ganz so geklappt hat, wie sich Angie das erhofft hatte. Die anderen Turniere sind aus ihrer Sicht wohl o.k. verlaufen. Dennoch war es mir immer klar, dass sie bei den Grand Slams eine der Topfavoritinnen sein würde. Spätestens ab Woche zwei weiß man dann aber: Angie ist eine der Top-Contenderinnen, die definitiv um den Titel spielt. Dass sie dann im Finale gegen Serena in zwei Sätzen gewinnt, war natürlich eine unfassbare Performance. Aber auch wie sie durch die Matches davor zum Teil gecruiset ist, das war schon sehr, sehr gut.

"Angelique Kerber hat einen unfassbaren Siegeswillen"

tennisnet: Gegen Belinda Bencic hätte Kerber in Probleme kommen können, hätte beinahe einen Satz verloren.

Merkel: Ja, da hatte sie ein bisschen Glück. Aber da ist sie dann halt Angelique Kerber und weiß genau, wie sie die Mädels dann zu spielen hat. Da kommt ihr ihre Erfahrung zugute und natürlich dieser unfassbare Siegeswille. Der motiviert und beflügelt sie, in genau jenen Momenten ihr bestes Tennis abzurufen.

tennisnet: Die Gemengelage an der Spitze der WTA ist im Moment etwas unübersichtlich ...

Merkel: Das stimmt. Meine Hauptaufgabe für Adidas ist es aber eigentlich zu scouten und nach den nächsten Talenten zu suchen.

tennisnet: Da fällt einem natürlich sofort das Juniorinnen-Finale bei den French Open vor ein paar Wochen ein. Gewonnen hat eine Amerikanerin, Cori Gauff, erst 14 Jahre alt. was halten Sie von Ihr?

Merkel: Die spielt schon fantastisch. Cori ist körperlich unheimlich weit für ihr Alter, und hat sich aber auch während der letzten zwölf bis 18 Monate technisch extrem entwickelt. Ich habe Cori das erste Mal so richtig gesehen, als sie in Südfrankreich bei Touluse "Les Petites Aces" gespielt hat, die kleinen Asse. Eines der größten U-14-Turniere der Welt. Dort hat sie sehr gut gespielt, zwar nicht das Turnier gewonnen, aber man hat gesehen, dass sie unfassbares Potenzial hat. Ich bin der Meinung, dass sie mit der richtigen technischen Entwicklung bald viel erreichen kann.

"Gute Hitting Partner sind bei den Damen extrem wichtig"

tennisnet: Wo trainieren Spielerinnen dieses Kalibers?

Merkel: Gauff ist bei Mouratoglou in der Akademie, trainiert aber auch mit José Higueras in Florida. Sie hat eine sehr, sehr gute Basis, super Trainingspartner. Und einen exzellenten Hitting Partner, was bei den Damen extrem wichtig ist, um sich schnell weiterzuentwickeln. Der muss die verschiedensten Spielstile simulieren können. Sie ist auf einem sehr guten Weg, hat in Wimbledon jetzt im Viertelfinale verloren. Aber normalerweise spielt man erst ab 16 bei den U-18-Grand-Slams mit.

tennisnet: Wen habt Ihr bei Adidas auf dem Zettel?

Merkel: Sebastian Korda ist bei uns unter Vertrag. Für mich ist es aber so, dass ich grundsätzlich alle Spieler verfolge, die für uns irgendwann einmal in Frage kommen könnten. Ob wir es letztendlich schaffen, Spieler von anderen Firmen zu uns rüber zu lotsen, ist eine andere Frage. Bei Sascha Zverev etwa hat es aber gut geklappt.

tennisnet: Wie lange verfolgen Sie schon die Karriere von Stefanos Tsitsipas?

Merkel: Stefanos kenne ich sehr gut. Ich habe ihn zum ersten Mal vor vier Jahren gescoutet mit meinem Arbeitskollegen Klaus Marten. Da waren wir bei der Eddie Herr Orange Bowl in Florida, da war Tsitsipas schon extrem beeindruckend. Meiner Meinung nach hat er jetzt schon einen der besten Rückhand-Returns auf der Tour. Unheimlich kompakt, für seine Größe bewegt er sich sehr gut. Hat bisher noch keine Verletzungsprobleme, obwohl er 2018 eine sehr intensive Saison gespielt hat. Deshalb ist es auch ganz gut, mal das ein oder andere Turnier weniger zu spielen. Stefanos hat einen guten Berater, der sich um ihn kümmert. Ich freue mich, dass er für uns in den nächsten Jahren einiges an Visibilität bringen wird.

tennisnet: Auffällig bei Tsitsipas ist auch sein gutes Spielverständnis, sogar auf Rasen, wo er sehr offensiv agiert hat.

Merkel: Das ist im Tennis ganz generell bei der nächsten Generation so, die die jetzige herausfordern wird. Der Tennissport muss sich ja immer weiterentwickeln. Es wird sehr schnell serviert, die Jungs retournieren alle gut, aber momentan sieht man auf allen Belägen, dass die Spieler sehr weit hinter der Linie spielen.

"Man muss Dominic Thiem ein wenig den Druck nehmen"

tennisnet: Auch Alexander Zverev ...

Merkel: Auch Sascha. Für mich ist das eine ganz klare Indikation, dass jene Spieler, die die Zverevs, Thiems, Nadals, Djokovics dieser Welt aus dem Fahrwasser bringen wollen, die müssen nach vorne spiele können. Das ist essentiell.

tennisnet: Ihre Beziehung zu Dominic Thiem ist eine ganz besondere. Thiem war in Paris knapp vor seinem ersten Grand-Slam-Titel. Was hat an jenem Tag in Roland Garros aus Ihrer Sicht noch gefehlt?

Merkel: Ich kenne Dominic schon sehr, sehr lang. Ich bin mit seinem Mentor und Trainer Günter Bresnik gut befreundet, weil ich die ersten eineinhalb Jahre, als Dominic auf der Tour gespielt hat, dabei war, auch bei seinem ersten Davis-Cup-Auftritt. Da hat sich nicht nur eine super Zusammenarbeit entwickelt, sondern auch eine gute Freundschaft. Er hat sich wirklich sehr gut entwickelt. Auf Sand kann er seine Schläge auch am besten einsetzen. Ich glaube, dass ihm noch der allerletzte Glaube fehlt, dass er so einen Spieler wie Nadal auch in einem Best-of-Five-Match schlagen kann. Über Drei-Satz-Matches hat Dominic das schon bewiesen. Ich glaube, dass er dazu in der Lage ist, aber es eine überwältigende Situation: Das Finale zu spielen, der dieses Turnier schon zehn Mal gewonnen hat in den letzten zwölf Jahren. Da muss man Dominic ein wenig den Druck nehmen und ihm sagen, dass es eine gute Leistung war. Gut, für ihn war es wahrscheinlich nicht gut genug, und deshalb ist er ja auch Dominic. Sonst wäre er nicht da, wo er ist. Und er wird sich in den kommenden Jahren noch weiter steigern.

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