Welpenschutz für die Superstars

Dominic Thiem muss viele Punkte streichen
© Jürgen Hasenkopf

Wer sich auf der ATP-Tour als besonders fleißig erweist, muss feststellen, dass sich ein nicht unerheblicher Teil der Bemühungen nicht in der Weltrangliste niederschlägt.

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Dominic Thiem hat also den beschwerlichen Weg von Rotterdam nach Rio de Janeiro angetreten, wo der beste Spieler Österreichs sich erstmals in der laufenden Saison auf Sand versucht. Mit im Gepäck hat Thiem 420 Punkte, für die er eigentlich beim Einchecken eine Extra-Gebühr hätte zahlen müssen. Denn diese Punkte hat sich der Lichtenwörther in den vergangenen zwölf Monaten ehrlich erspielt, etwa mit der Finalteilnahme in München 2016 oder den diesjährigen Viertelfinali in Brisbane und Sydney. Alleine: Die Mühe war vergebens, das Ranking-System der ATP belohnt die Vielspieler nicht, die Punkte fallen aus der Wertung.

Schade eigentlich, könnte man meinen, schließlich bedeuten 420 Punkte eine Position um etwa 130 in der Welt. Ändern könnte diesen Zustand die Spielergewerkschaft, also die ATP selbst, und damit allen voran deren prominenteste Vertreter Novak Djokovic und Andy Murray. Alleine: Dazu sehen die beiden Branchenbesten wohl wenig Anlass. Bedeutete dies doch, sich öfter messen zu müssen, auch Turniere zu spielen, die weniger Charme versprühen als die Majors und Masters-1000er-Veranstaltungen.

Aufrückprobleme

Murray hat nämlich in den vergangenen zwölf Monaten exakt kein Ergebnis gestrichen: Die Finalteilnahme in Doha zu Beginn 2017 war gerade noch würdig, in die Jahreswertung des Schotten einzugehen, der zweifache Goldmedaillen-Gewinner schont seine Ressourcen für höhere Aufgaben. Immerhin hat Murray drei 500er-Turniere gespielt (und im Queen´s Club, in Peking und in Wien auch gewonnen), während sich Novak Djokovic in dieser Kategorie nur einmal gezeigt hat: In Dubai, wo das Viertelfinale dem Serben 90 Punkte eingebracht hat.

Wer allerdings, wie Djokovic, bei den Grand-Slam-Turnieren mit wenigen Ausrutschern bis tief in die zweite Woche spielt, dazu noch vier ATP-Masters-1000-Titel holt, der kann sich eine selektive Turnierplanung leisten. Und dennoch seinen Platz an der Sonne behalten. Für nachrückende Spieler ist es andererseits umso schwieriger, nach oben zu kommen.

Lex Kafelnikov

Das war nicht immer so: Vor einigen Jahren gab es für einen Sieg gegen die besten Spieler der Welt etwa noch Bonuspunkte, eine Variante, deren Wiedereinführung von Turnier-Direktoren wie Michael Stich (Hamburg) oder Alexander Antonitsch (Kitzbühel) herzlich begrüßt werden würde. Auch auf die Gefahr hin, dass einige gut gereihte Spieler öfter spielen, aber nicht mit dem nötigen Ernst, wie etwa der ehemalige Weltranglisten-Erste Yevgeny Kafelnikov.

Im Moment jedenfalls gehen die besten acht Ergebnisse bei den ATP-Masters-1000-Events in die Wertung ein, Turnieren also, bei denen die besten Spieler der Welt zum Antreten verpflichtet sind. Sein sollten. In Wahrheit gibt es nämlich laut Auskunft der ATP 38 Spieler unter den Top 100, die von Ausnahmeregelungen Gebrauch machen dürfen, sich nicht in Monte Carlo, Rom oder Cincinnati zeigen müssen. Auf der anderen Seite birgt dies natürlich die Chance für schlechter klassierte Profis, sich gerade bei diesen Turnieren gute Punkte zu holen.

So großartig die Periode der Großen Vier für das internationale Tennis war und ist - für die jüngeren Spielern, die viele Turniere spielen können und wollen, werden die Aufstiegsmöglichkeiten durch das aktuelle System eingeschränkt. Die Rückkehr der Bonuspunkte könnte da ein klein wenig Abhilfe schaffen, ebenso wie die Beschränkung der Anzahl der Gesetzten bei den Grand-Slam-Turnieren auf 16. Schließlich benötigen Murray, Djokovic und Kollegen keinen Welpenschutz.

Die aktuelle ATP-Weltrangliste

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