Das Wimbledon-ABC

Wimbledon
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Was ihr über Wimbledon wissen solltet, zusammengefasst in 26 Stichworten von A bis Z.

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Von Christian Albrecht Barschel aus Wimbledon

"Du kannst nicht als großer Spieler in Betracht gezogen werden, wenn du nicht in Wimbledon gewonnen hast", sagte einst Mats Wilander, der bei den All England Championships nie triumphieren konnte. Wimbledon ist sicherlich das speziellste unter den vier Grand-Slam-Turnieren. Tradition wird groß geschrieben an der Church Road im Südwesten Londons. Was ist so besonders an Wimbledon? Hier erfahrt ihr es in unserem ABC über den Rasenklassiker.

A wie All England Lawn Tennis & Croquet Club: Anders als bei den anderen drei Grand-Slam-Turniere steht in Wimbledon nicht der jeweilige nationale Tennisverband hinter dem Turnier, sondern ein Tennisclub, und zwar der All England Lawn Tennis Club & Croquet Club. In Wimbledon werden Traditionen gepflegt. So kommt man ohne Werbung und Sponsoring aus. Wie ging es überhaupt los in Wimbledon? Um die Reparatur einer Rasenwalze in Höhe von 10 Pfund bezahlen zu können, wurde 1877 ein Tennisturnier ins Leben gerufen. Meldegeld war ein Pfund und ein Shilling. Es war der Beginn des Wimbledonturniers.

B wie Boykott: Das Wimbledonturnier 1973 wurde aus sportlicher Sicht zum Debakel für die Veranstalter. Während bei den Damen alles normal lief und Billie Jean King den Titel holte, wurde die Herrenkonkurrenz zur Farce. 81 Spieler sagten ihre Teilnahme ab, darunter Titelverteidiger Stan Smith. Zwölf von 16 gesetzten Spielern zogen zurück. Was war passiert? Niki Pilic wurde kurz zuvor vom nationalen Verband sowie vom Amateur-Weltverband gesperrt, weil er sich anscheinend geweigert haben soll, im Davis Cup für Jugoslawien anzutreten und stattdessen in Montreal im Doppel um Prämien gespielt hatte. Pilics Sperre fiel in den Zeitraum von Wimbledon. Die im September 1972 gegründete ATP rief ihre Spieler schließlich zum Boykott des Wimbledonturniers auf, wenn Pilic nicht spielen dürfte. Und fast alle Mitglieder der ATP, bis auf Ilie Nastase, Roger Taylor und Ray Keldie, folgten dem Aufruf. So gewann schließlich Jan Kodes, der noch kein Mitglieder der ATP war, den Wimbledontitel. Zwei weitere Spieler, die ebenfalls der ATP nicht angehörten, spielten sich 1973 in den Vordergrund: Jimmy Connors und der 17-jährige Björn Borg. Aus wirtschaftlicher Sicht konnte der Boykott den Veranstaltern nicht viel anhaben. Über 300.000 Zuschauer kamen damals auf die Anlage, bis dato das zweitbeste Ergebnis.

C wie Centre Court: Der Centre Court in Wimbledon ist mit 15.000 fassenden Zuschauern zwar nicht das größte Tennisstadion der Welt, aber mit Sicherheit der ehrwürdigste aller Tennisplätze. Nicht ohne Grund wird die Spielstätte auch als "Heiliger Rasen" bezeichnet. Anders als bei den anderen Grand-Slam-Turnieren sind die Hauptplätze in Wimbledon nicht nach besonderen Personen benannt. Tradition und der Tennissport stehen im Vordergrund.

D wie Dresscode: 90 Prozent der Kleidung muss in Wimbledon aus klassischem Weiß bestehen. Die weiße Kleidung in Wimbledon wurde eingeführt, um peinliche Schwitzflecken zu verstecken. Die Kleiderpolizei geht streng vor und macht vor großen Namen nicht halt. So wurde Roger Federer nach seinem Auftaktsieg im Jahr 2013 aufgefordert, seine Schuhe zu wechseln, da die Sohlen farbig waren. Federer schied im nächsten Match mit weißen Sohlen sensationell gegen Sergiy Stakhovsky aus.

E wie Erdbeeren: Was wäre Wimbledon ohne die berühmten Erdbeeren mit Schlagsahne?! Die Erdbeeren dürfen nur zwischen zwölf und 13 Gramm wiegen. In jeder Schale sind mindestens zehn Erdbeeren.

F wie Friedhof der Stars: Der ehemalige Court 2 in Wimbledon wurde auch als Friedhof der Stars ("Graveyard of the Champions") bezeichnet, weil viele Stars dort sensationell scheiterten. So verlor Pete Sampras sein letztes Wimbledonmatch im Jahr 2002 in der zweiten Runde gegen Lucky Loser George Bastl. Weitere Opfer: John McEnroe, Jimmy Connors, Andre Agassi, Serena Williams.

G wie Golden Set: Yaroslava Shvedova spielte 2012 in der dritten Runde in Wimbledon gegen Sara Errani den bislang einzigen Golden Set in einem Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers. Die Kasachin gewann im ersten Satz alle 24 Punkte und wurde erst nach ihrem Sieg auf ihr besonderes Kunststück aufmerksam. Errani hatte drei Wochen zuvor im Finale der French Open gestanden.

H wie Henman Hill: Für seine stimmungsvolle Atmosphäre ist die Rasenfläche vor dem Centre Court bekannt, die von den Fans "Henman Hill" (benannt nach Tim Henman) getauft wurde. Dort können die Zuschauer bei einem entspannten Picknick die Spiele auf dem Centre Court oder anderen Plätzen auf einer Großbildleinwand verfolgen. Nach den Erfolgen von Andy Murray kamen unter anderem die Namen "Murray Mountain", "Mount Murray" und "Murrayfield" hinzu.

I wie Inschrift: "If you can meet with triumph and disaster and treat those two impostors just the same." Diese Inschrift mit dem Zitat aus dem Gedicht "If" von Rudyard Kipling aus dem Jahr 1895 muss jeder Spieler passieren, wenn er den Centre Court betritt. Übersetzt bedeutet die Inschrift: "Wenn du Triumph und Niederlage hinnimmst und beide Blender gleich behandelst." Das Gedicht von Kipling endet übrigens so: "Dann gehört dir die Welt, und alles, was drin ist."

J wie Junioren: Der Titelgewinn in den Juniorenkonkurrenzen in Wimbledon geht immer mit hohen Erwartungen an die Zukunft einher. Nur wenige Spieler und Spielerinnen, die bei den Junioren auf dem "Heiligen Rasen" siegten, konnten diesen Erfolg auch bei den Erwachsenen bestätigen. Viele Titelträger versanken danach in der Versenkung. Die letzten Juniorensieger, die auch bei den Profis nah an den Titel kamen, waren Agnieszka Radwanska und Grigor Dimitrov. Roger Federer, Stefan Edberg, Pat Cash, Björn Borg, Martina Hingis und Amélie Mauresmo siegten sowohl als Junior als auch als Profi.

K wie Knicks: Bis 2003 mussten sich die Spieler vor der Royal Box (insgesamt 74 Sitze) verbeugen, die Spielerinnen mussten einen Knicks machen. Das wird mittlerweile von den Spielern und Spielerinnen nur noch erwartet, wenn die Queen oder der Prinz von Wales zuschaut. Das kommt allerdings selten vor, denn Queen Elizabeth II. besuchte seit ihrem Amtsantritt nur viermal das Wimbledonturnier, zuletzt im Jahr 2010.

L wie Last 8 Club: Wenn ein Spieler in Wimbledon im Einzel das Viertelfinale erreicht, erhält er lebenslange Mitgliedschaft im sogenannten Last-Eight-Club, das gilt auch bei der Halbfinalteilnahme im Doppel und der Finalteilnahme im Mixed. Spieler dieses elitären Clubs, der 1986 eröffnet wurde, müssen sich keine Gedanken mehr machen, wann und wie sie auf die Anlage kommen. Es gibt für jeden Tag ein Groundticket, einen Gästepass, den möglichen Zugang zum Centre Court und Court 1 sowie kostenlosen Kaffee und Tee und eine Happy Hour von 18 bis 19 Uhr in einem speziellen Raum, der wie ein Museum wirkt. Das Last 8 Club hat derzeit knapp 650 Mitglieder.

M wie Manic Monday: Nach dem traditionell spielfreien Middle Sunday folgt der Manic Monday. Für viele Tennisfans ist dies der schönste Tag des Jahres, denn alle Achtelfinalspiele der Damen und Herren finden am gleichen Tag statt. Das gibt es bei keinem anderen Grand-Slam-Turnier.

N wie Nummer eins: In Wimbledon triumphieren meist nur die ganz großen Spieler der Tennisgeschichte. Das Turnier geht auch oft mit einem Wechsel der Nummer eins einher. Das kam bei den Herren bereits zehnmal vor, bei den Damen fünfmal. So übernahm siebenmal der aktuelle Wimbledonsieger der Herren durch den Titelgewinn auch die Weltranglistenführung. Novak Djokovic schaffte durch seinen ersten Wimbledontitel im Jahr 2011 auch erstmals den Sprung auf den Tennisthron. Bei den Damen wurden Martina Navratilova und Serena Williams ebenfalls erstmals die Nummer eins der Welt, nachdem sie Wimbledon zum ersten Mal gewonnen haben.

O wie Order of Play: Die Order of Play, der Spielplan, richtet sich in Wimbledon nach Traditionen. So eröffnet am Montag auf dem Centre Court stets der Titelverteidiger bei den Herren den Spielbetrieb, die Titelverteidigerin bei den Damen beginnt am Dienstag auf dem Centre Court. Der Dienstag in der zweiten Turnierwoche ist den Damen-Viertelfinals vorbehalten, der Mittwoch den Herren-Viertelfinals. Bis einschließlich des Manic Monday sind auf dem Centre Court und Court 1 jeweils drei Spiele angesetzt, da der Spielbetrieb im Vergleich zu den Außenplätzen 90 Minuten später startet. In den ersten sieben Turniertagen sind auf dem Centre Court fast immer zwei Herren- und ein Damen-Match angesetzt, was bereits zu Kritik an der Bevorzugung der Männer geführt hat.

P wie Pimm's: Wer in Wimbledon Erdbeeren mit Schlagsahne genießt, tut dies oft in Verbindung mit dem alkoholischen Getränk Pimm's Cup, oder nur kurz Pimm's. Das bräunliche Getränk mit Zitronen- und Gurkenscheiben, das in durchsichtigen Plastikbechern serviert wird, ist aus Wimbledon nicht mehr wegzudenken. 1971 eröffnete die erste Pimm's Bar auf der Turnieranlage. Allerdings gab es in den letzten Jahren Zoff, da das Getränk angeblich zu überteuerten Preisen und zu verdünnter Mischung ausgegeben wird.

Q wie Queue: Im Vergleich zu den anderen Grand-Slam-Turnieren kann man in Wimbledon nur in wenigen Ausnahmefällen Karten erwerben. Der Großteil der Karten wird wegen der großen Nachfrage verlost. Oder man stellt sich in die weltberühmte Schlange am Kassenhaus, "The Queue". Viele Fans übernachten vor den Kassenhäuschen, um am nächsten Tag Tickets zu ergattern.

R wie Rufus: Rufus, der Falke, ist der heimliche Star in Wimbledon. Er dreht täglich seine Runden, um störende Tauben zu verscheuchen. Rufus, der Falke, hat genauso wie das Dach des Centre Courts und die Queue einen eigenen Twitter-Account.

S wie Setzliste: Die Setzliste der Herren in Wimbledon orientiert sich nicht zwingend an der aktuellen Weltrangliste. Die Veranstalter in Wimbledon hatten in der Vergangenheit immer wieder Ausnahmen gemacht. Seit 2002 gibt es ein spezielles Setzlistenverfahren, bei dem die Ergebnisse bei Rasenturnieren der vergangenen zwei Jahre berücksichtigt werden.

T wie Tiebreak: Seit 1972 gibt es den Tiebreak in Wimbledon, allerdings nicht im entscheidenden Satz. Auf dem "Heiligen Rasen" gab es einige denkwürdige Tiebreaks. Allen voran der weltberühmte Tiebreak zwischen John McEnroe und Björn Borg im Wimbledonfinale 1980. Im vierten Satz erzwang McEnroe durch ein spektakuläres 18:16 gegen den Schweden einen fünften Satz. Nicht weniger dramatisch war das 12:10 von Roger Federer gegen Novak Djokovic im Wimbledonfinale 2015. Der Tiebreak machte es zudem möglich, dass Spieler als Sieger vom Platz gingen, ohne einmal den Aufschlag des Gegners zu durchbrechen. So geschehen beim Wimbledon-Halbfinale 1991 zwischen Michael Stichund Stefan Edberg, als Stich den Schweden ohne ein einziges Break mit 4:6, 7:6 (5), 7:6 (5), 7:6 (2) besiegen konnte. Kurioserweise verstarb an diesem Tag der Erfinder des Tiebreaks Jimmy van Alen. Edberg meinte daraufhin: "Wenn Jimmy van Alen nicht gelebt hätte, würden Michael und ich wohl noch dort draußen sein und spielen."

U wie Ungesetzt: Ungesetzte Grand-Slam-Sieger im Einzel sind rar gesät, vor allem in Wimbledon. Mittlerweile ist dies in Zeiten der 32er-Setzliste noch schwieriger geworden. Bei den Damen gab es in der Open Era noch keine ungesetzte Siegerin oder Finalistin in Wimbledon. Bei den Herren hingegen gab es einige Male diese märchenhaften Siege bis ins Finale oder sogar bis zum Titel. Boris Becker gewann 1985 als 17-Jähriger und Nummer 20 der Welt den Wimbledontitel. 1996 kam es zum unwahrscheinlichen Finale zwischen MaliVai Washington und Richard Krajicek, der nur wegen des Rückzuges von Thomas Muster gesetzt war. Die traumhafteste Geschichte legte Goran Ivanisevic hin, der 2001 mit einer Wildcard den Titel gewann. Dazu gleich noch mehr.

V wie Venus Rosewater Dish: Die Siegerschale bei Damen trägt den Namen Venus Rosewater Dish und wurde im Jahr 1864 erstellt. In der Mitte der Schale ist die römische Göttin Venus zu sehen. Ein Rosewater Dish ist eine flache Schale, die dafür benutzt wurde, um sich nach dem Essen mit Rosenwasser die Hände zu waschen. Auf der Trophäe der Männer ist die Inschrift "The All England Lawn Tennis Club Single Handed Championship of the World" zu lesen. Zudem befindet sich oben auf der Trophäe eine goldene Ananas. Obwohl die Herren für ihre Siege in Wimbledon fürstlich entlohnt werden, spielen also alle auch hauptsächlich um die goldene Ananas.

W wie Wildcard: Ob es solch eine märchenhafte Geschichte noch mal geben wird? Goran Ivanisevic bekam 2001 wegen seiner schlechten Weltranglistenplatzierung, Nummer 126, eine Wildcard und schaffte das, wovon er so viele Jahre geträumt hatte, den Triumph in Wimbledon. Es war das erste Mal, das ein Spieler mit einer Wildcard ein Grand-Slam-Turnier gewinnen konnte. Da das Finale gegen Patrick Rafter erst am Montag, dem sogenannten People´s Monday, ausgetragen werden konnte, wurde es zu einem der emotionalsten Momente der Tennisgeschichte. 2012 gab es einen erneuten Turniersieg mit einer Wildcard. Jonathan Marray und Frederik Nielsen konnten in der Doppelkonkurrenz nur dank einer Wildcard am Start sein und gewannen sensationell das Turnier.

X wie Xtra Long: Es war ein Spiel der Rekorde, in dem Tennis- und Sportgeschichte geschrieben wurde. John Isner und Nicolas Mahut spielten in der ersten Runde beim Wimbledonturnier 2010 das längste Tennismatch aller Zeiten und wurden dadurch weltberühmt. Worte für dieses epische Duell, zu finden, sind schwer. Nach 11 Stunden und 5 Minuten besiegte John Isner Nicolas Mahut mit 6:4, 3:6, 6:7 (7), 7:6 (3), 70:68. Alleine der fünfte Satz wäre mit einer Spielzeit von 8:11 Stunden als längstes Tennismatch durchgegangen. "Was diese beiden Spieler gezeigt haben, zählt zum Größten, was es in diesem Sport je gegeben hat. Das war pures Heldentum", versuchte John McEnroe Worte für dieses Match zu finden. Nach drei Spieltagen fand das Match, das viele Rekorde pulverisiert hat, ein Ende. Isner machte 478 Punkte und schlug 112 Asse, Mahut machte 502 Punkte und schlug 103 Asse. Besonders kurios: Isner und Mahut standen sich ein Jahr später wieder in Wimbledon gegenüber - erneut in der ersten Runde. Die Wahrscheinlichkeit auf dieses Ereignis lag vor der Auslosung bei 1:142,5. Isner setze sich wieder gegen Mahut durch, brauchte dafür aber diesmal nur 2:03 Stunden.

Y wie You cannot be serious: Dieser Ausspruch ist inzwischen ein geflügeltes Wort, das giftige "You cannot be serious" von John McEnroe. Der US-Amerikaner hatte seinen berühmtberüchtigten Ausraster beim Wimbledonturnier 1981, und das in der ersten Runde gegen Landsmann Tom Gullikson.

Z wie Zocken: Das Wetten ist in England fast schon ein Nationalsport und gehört in Wimbledon stets dazu. Das führt auch dazu, dass die irrwitzigsten Wetten angeboten werden. So konnte man darauf wetten, dass es in den nächsten Jahrzehnten ein Wimbledonfinale im Mixed zwischen den vier Kindern von Roger Federer geben wird. Die Quote hierfür ist 1:10.000. Allerdings lag der Maximaleinsatz für diese Wette bei 17 US-Dollar.

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