Kein Grund zum Weinen

Das Comeback von Juan Martin del Potro in den Augen seiner Fans
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Die Stimmung auf dem Grandstand beim Match von Juan Martin del Potro gegen Dominic Thiem hat an große Davis-Cup-Partien erinnert.

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Von Jens Huiber aus New York City

Was sich Kristina Mladenovic wohl gedacht haben mag an jenem magischen Abend im National Tennis Center, der für Österreichs Nummer eins, Dominic Thiem, einen derart bitteren Ausgang genommen hat. Mladenovic war zu Gast in der Box Thiems, sie konnte hautnah miterleben, wie sich ein Match, zu dessen Start die Sympathien im Publikum aufgrund der argentinischen Fan-Überzahl auf Seiten Juan Martin del Potros lagen, in ein veritables Davis-Cup-Auswärtsspiel verwandelt haben. Kein unfaires, wie Dominic Thiem bei aller Enttäuschung über das Ergebnis betonte.

Mladenovic jedenfalls war vor gar nicht langer Zeit an einer Partie beteiligt, die emotional mit jener auf dem Grandstand in New York durchaus zu vergleichen war: Im Achtelfinale der French Open bespielte die Französin die Titelverteidigerin Garbine Muguruza, das Publikum auf dem Court Suzanne Lenglen ergriff sehr eindeutig Partei für die lokale Heroin. Was Muguruza im Nachklapp zu einer tränenreichen Pressekonferenz bewegte. Sie hatte sich tatsächlich unfair behandelt gefühlt, aus ihrer Sicht vielleicht sogar ein kleines bisschen mit Recht, zu parteiisch sei das Heimpublikum gewesen.

Duell der Favoriten

Dominic Thiem, der nach Mladenovic für sein Achtelfinale gegen Horacio Zeballos auf den Lenglen gekommen war, hatte damals schon erklärt, dass an der Atmosphäre im Stadion nichts auszusetzen gewesen sei. Er, der große Fußball-Fan sähe darin kein Problem. Auch in New York nicht. "Ich spiele lieber vor einem vollen Stadion, das mehrheitlich meinen Gegner anfeuert, als vor 500 Leuten, die alle für mich sind", so Thiem.

Juan Martin del Potro hat sich mit seiner bewegten und bewegenden Geschichte zwischen Triumphen und Verletzungspausen Sympathien unter den Tennisfans erarbeitet, die sich mit jenen der Allergrößten vergleichen lassen. Die Mittwochspartie gegen Roger Federer wird auch in dieser Hinsicht interessant werden, schließlich genießt auch der Maestro in New York ein gefühltes Heimspiel. Womit sein Achtelfinal-Gegner Philipp Kohlschreiber auch kein Problem hatte, wie der gebürtige Augsburger nach seinem Ausscheiden betonte.

Mehr Argentinier

Das Verhalten der Zuschauer bei den US Open ist manchmal rätselhaft: Zu begründen, wie Federer ein "Come on, Roger"-Ruf zwischen erstem und zweitem Aufschlag wie im Match gegen Feliciano Lopez helfen soll, fällt schwer. Aber gerade die Amerikaner können mit dem Gedanken der Fairness durchaus etwas anfangen, zweite Chancen werden den Spielern auch verbal zugestanden, siehe das Beispiel Maria Sharapova.

Was Dominic Thiem im Moment nicht weiter hilft. Der allerdings hat in der ihm eigenen Nüchternheit die Gewichtung der Fan-Sympathien auf den Punkt gebracht: Es gäbe halt einfach mehr Argentinier als Österreicher. Fertig. Und dass diese Argentinier ihrem Idol gerne folgen, hat das vergangene Jahr gezeigt: Juan Martin del Potro hat bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro Heimvorteil genossen, die Stimmungslage beim Davis-Cup-Finale in Zagreb war zumindest ausgeglichen.

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