Qualifikanten und echte Menschen

Augen auf bei der Auslosung - es könnten Qualifikanten drohen
© getty

Zehn Tage US Open. Das muss reichen, auch wenn die großen Preise noch nicht vergeben sind. Die persönliche Abschlussbilanz.

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Journalisten sind auch nur Menschen. Für den US-Amerikaner zum Teil nicht begreifbare: Dann nämlich, wenn in Europa die Qualifikationsspiele zur Fußball-Weltmeisterschaft 2018 laufen. Da staunt der US-Reporter, wenn der große Gigi Buffon am Bildschirm des italienischen Kollegen am Ball vorbeitaucht, die DFB-Buben auf dem Laptop des deutschen Hauptstadtvertreters die Tschechen bespielen - und die gesamte spanische Phalanx über die Sinnhaftigkeit eines Antretens in Liechtenstein diskutiert.

Der Dienstag nach dem Labour Day bringt alljährlich einen Kulturschock mit sich - auch an der Tageskasse. Wo man am letzten Tag vor Schulbeginn noch 80 US Dollar für ein "Ground Ticket" hinlegen muss, kommt man 24 Stunden später um die Hälfte zu einem garantierten Sitzplatz im Arthur Ashe Stadium. Der wird einigermaßen voll, auch wenn Carreno Busta gegen Schwartzman noch nicht ganz das Flair der großen, weiten Tenniswelt versprüht.

Realitätscheck auch auf dem Grandstand: Am Montag war für das Doppel der Bryans kein Tribünenplatz frei, auch die Herren Marach und Pavic durften sich über die volle Hütte freuen. Das Viertelfinale gegen Roger-Vasselin und Benneteau? Sehr freie Platzwahl. Was sich am ehesten dadurch erklären lässt, dass im Anschluss kein Argentinier mit erfolgreicher US-Open-Vergangenheit angesetzt war.

Eine Sache fehlt 2017: Zwar bestreitet Mats Wilander seine täglichen Shows auf Eurosport mit der großartigen Babsi Schett gewohnt brillant - der längst nicht alte Schwede hat aber im Parking Lot H eine große Lücke hinterlassen. Dort stand in den vergangenen Jahren sein Reisebus, "Wilander on Wheels", in diesem Jahr nicht. Hat der Meister seine Trainertätigkeit eingestellt? Nutzt er ein anderes Fortbewegungsmittel? Man weiß es nicht. Und kann Mats auch nicht fragen. Dieser Mann ist wirklich busy.

Apropos: Boris Becker ist ebenfalls in Diensten von Eurosport unterwegs, er zeigt sich täglich im Garten vor dem Arthur Ashe Stadium. Und zieht die Menschen immer noch wie magisch an. Das Bemerkenswerte: Nur die Allerwenigsten gehen ohne Autogramm des Siegers von 1989 nach Hause. Die Allerwenigsten von ganz schön vielen.

Wer außerdem noch fehlt: Odell Beckham junior. Der Wide Receiver der New York Giants hat im vergangenen Jahr dem Empfinden der Zuschauer nach keine Session ausgelassen,2017 ist von seinem markanten Haupt nichts zu sehen. Immerhin: Justin Timberlake ist am Start. Vor allem bei Federer-Matches. Und der Alleskönner zeigt all jenen Leuten, die in Eksatse verfallen, sobald sie die Stadion-Kamera erfasst, wie in solchen Situationen zu verfahren ist: sparsame Gestik. Kernaussage: Ganz ruhig. Es läuft.

Es läuft im Übrigen auch für Pablo Carreno Busta: erstes Grand-Slam-Halbfinale. Der Weg dorthin allerdings sucht seinesgleichen: vier Qualifikanten - und dann ein Diego Schwartzman, der von den Anstrengungen der letzten Runden gezeichnet war. Viel einfacher wird es nicht mehr werden.

Die Freundlichkeit der USTA-Belegschaft ist atemberaubend. Buchstäblich. Die junge Dame am Eingang zur Kantine fordert unnachgiebig eine Zustandsbeschreibung der augenblicklichen Laune. Auch wenn der unentschlossene Reporter innerhalb von fünf Minuten dreimal an ihr vorbei muss.

Und, jetzt schließt sich der Kreis, ein letzter Beleg dafür, dass Journalisten wirklich nur Menschen sind: Bei den Matches von Roger Federer herrscht im Presseraum högschde Anspannung, die Neutralität beim Verfassen der jeweiligen Artikel steht außer Frage. Wenn aber Maestro aber einen einfachen Ball gegen Mikhail Youzhny vergibt, ist das kollektive Aufstöhnen der oben angesprochenen Italiener, Spanier und Deutschen bis vor die Haustür zu vernehmen.

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