Die Stopps und die Nerven

Anastasija Sevastova ist knappest möglich am Halbfinal-Einzug gescheitert
© getty

Wie schon im Vorjahr hat Anastasija Sevastova das Viertelfinale der US Open erreicht. Dort war für die Lettin mit österreichischer Anbindung gegen Sloane Stephens allerdings Endstation.

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Von Jens Huiber aus New York City

Die US Open 2017 sind aus Sicht der Veranstalter wahrlich nicht nach dem vorgesehenen Drehbuch verlaufen: Die zahlreichen Absagen auf der einen, der männlichen, die frühen Ausfälle auf der anderen Seite, der weiblichen, haben interessante neue Optionen auf den Spielplänen der letzten Tage zugelassen. Immerhin, so dachte man, sei auf Maria Sharapova Verlass, sowohl sportlich wie auch im Sinne der Aufmerksamkeit, die das Comeback der Russin auf Grand-Slam-Bühne mit sich gebracht hat.

Aber dann kam die unglaubliche Anastasija Sevastova. Und nahm Sharapova im Achtelfinale ziemlich humorlos aus dem Tableau.

Dass es mit dem Einzug ins Halbfinale nicht gereicht hat, wird Sevastova indes ganz ordentlich wurmen: Spätestens ab Mitte des zweiten Satzes hatte sie das Kommando im Match gegen Sloane Stephens übernommen. In der Entscheidung führte Sevastova zweimal mit einem Break, musste sich am Ende im Tiebreak Stephens geschlagen geben. Im vergangenen Jahr war ebenfalls Viertelfinale angesagt, Sevastova verletzte sich gleich zu Beginn des Matches gegen Caroline Wozniacki, spielte tapfer bis zum Ende durch.

Den Respekt ihrer Gegnerinnen hat sich Anastasija Sevastova jedenfalls längst erarbeitet.

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Sie hätte ganz große Probleme gehabt, die Stoppbälle Sevastovas als solche zu erkennen. Erklärte Carina Witthöft nach ihrem Erstrunden-Aus gegen eben jene. Sie habe die Variabilität in ihren Schlägen. Sagte wiederum Sharapova nach ihrem Ausscheiden gegen Sevastova.

Tatsächlich kann die Spielanlage der 27-Jährigen, die ihren Wohnsitz seit einigen Jahren in Österreich bei Coach Ronnie Schmidt aufgeschlagen hat, an guten Tagen Gift für für jede Gegnerin sein: Das schnelle Handgelenk bei der Vorhand, das einen ziemlich heftigen Spin fabrizieren kann. Auf der anderen Seite die Möglichkeiten mit der Rückhand, entweder sehr flach und schnell zu spielen - oder aber auch sehr langsam und extrem kurz. Die Drop Shots von Anastasija Sevastova sind für Tennis-Ästheten ein Grund, sich ein Ticket zu kaufen. An nicht ganz so guten Tagen landen die Bälle an der T-Linie, aber das gehört eben auch zur Angebots-Palette von Sevastova.

Zweiter Titel

2013 hatte sie ihre Karriere eigentlich schon für beendet erklärt, zu vielen Verletzungen Tribut gezollt. Sevastova versuchte sich daraufhin in Alt-Erlaa als Tennistrainerin, brachte dort Kindern den Sport näher. Bis sie Schmidt überzeugte, es noch einmal auf der Tour zu versuchen. Mit durchschlagendem Erfolg. Sevastova hat sich in der Weltrangliste unter den Top 20 festgespielt, im laufenden Jahr auf Mallorca ihr zweites Turnier auf der WTA-Tour gewonnen.

Der Austausch mit Schmidt, der Thomas Muster bei dessen Comeback als Coach begleitet hatte, ist intensiv und kontinuierlich. Im Match gegen Witthöft hat dies eine Verwarnung wegen Coachings zur Folge gehabt, die Sevastova kommentarlos zur Kenntnis nahm.

Dabei ist sie um Kommentare nicht weiter verlegen, in verschiedenen Sprachen. Nach ihrer Niederlage gegen Stephens wurde sie auf ihre Taktik im Tiebreak angesprochen. Die Antworten fielen angesichts der Umstände erstaunlich entspannt aus. "Wenn man ein Tiebeak spielt und dann Stopps versucht, ich weiß nicht so recht. Es war hart. Man braucht starke Nerven. Vielleicht habe ich die Nerven verloren."

Genau das aber macht die Matches von Anastasija Sevastova so unterhaltsam.

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