Anderson-Sensation oder Nadal-Durchmarsch?

Kevin Anderson
© getty

Alexander Zverev muss nun zuschauen, wie sein Lieblingsgegner Kevin Anderson das Finale der US Open bestreiten darf. Hier muss er gegen Rafael Nadal eine Galavorstellung abliefern.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Man kann sich gut vorstellen, dass Alexander Zverev an diesem Wochenende noch einmal mit heiliger Wut auf die Tenniswelt blickt. Und auf sein frühes, bitteres Ausscheiden bei den US Open. Anderthalb Wochen ist das nun her, eigentlich könnte Zverev das Malheur in New York, seine Misere überhaupt bei den Majorwettbewerben abgehakt haben. Aber das Schicksal eines der beiden Finalisten ist eng mit Zverevs Geschichte in dieser Saison verknüpft, mit seinem atemraubenden Aufstieg in der Welt des Herrentennis.

Bei allen drei großen Turnieren, bei denen er am Ende den Siegerpokal in die Höhe reckte, der deutsche Shootingstar, traf er früher oder später auf einen gewissen Kevin Anderson, einen 31-jährigen Südafrikaner aus dem gediegenen Mittelstand des Tingelbetriebs. Beim Masters in Rom schlug Zverev den dürren 2,03-Meter-Riesen gleich in der Auftaktrunde, Anderson war damals sogar erst durch die Qualifikation ins Hauptfeld gelangt. Später, im Sommer, ging Zverev zwei weitere Male als Gewinner vom Platz, im Endspiel des ATP-500-Wettbewerbs in Washington und im Viertelfinale des Montreal-Masters. Zverev rückte anschließend so hoch in der Weltrangliste wie nie zuvor, er war selbstverständlich einer der Mitfavoriten bei den Offenen Amerikanischen Meisterschaften, beim Grand Slam-Abschluss des Jahres 2017 - erst recht, nachdem er in der unteren Auslosungshälfte als besteingestufter Profi verblieben war.

Und nun dies: Während Zverev, der Titelkandidat, als einer der enttäuschtesten und verbittersten Verlierer aus dem Big Apple abzog ("Mein Niveau war katastrophal"), ist sein Lieblingsgegner immer noch da - jener Kevin Anderson, der bisher noch nie über ein Grand Slam-Viertelfinale hinausgekommen war und in zehn Karrierejahren weniger Titel (3) herausgespielt hatte als beispielsweise der junge Deutsche (6). Nicht Zverev oder einer der höher gehandelten Berufsspieler nutzte die Freiräume, die sich bei diesem seltsamen Grand Slam-Spektakel boten, sondern Anderson: Er war und ist der überraschende, wenn nicht sensationelle Profiteur vieler prominenter Absagen und Favoritenstürze im Turnierverlauf.

Nadal mit makelloser Bilanz

Und er darf nun als letzter Rivale versuchen, den US Open-Durchmarsch des aktuellen Weltranglisten-Ersten Rafael Nadal zu stoppen, am Sonntagabend deutscher Zeit (ab 22 Uhr/Eurosport) im Finale der US Open. "Es ist schon jetzt ein Traum, so eine Chance zu bekommen", sagte Anderson, der nach dem Vier-Satz-Triumph über den Spanier Pablo Carreno-Busta nun als niedrigst eingestufter Endspielteilnehmer (ATP 32) in New York in der modernen Tennisära ins Rennen gegen den mallorquinischen Matador geht. Nadal wird selbstverständlich der haushohe, überragende Favorit sein, umso mehr nach seiner beeindruckenden Vier-Satz-Siegvorstellung gegen Argentiniens Juan Martin del Potro (4:6, 6:0, 6:3, 6:2) im zweiten Halbfinale.

Alle vier bisherigen Partien gegen Anderson hat Nadal gewonnen, zuletzt bei seiner Erfolgsmission in diesem Jahr in Barcelona. Die Pointe bei diesem Turnier der irren Drehungen und Wendungen, der immer neuen Turbulenzen könnte Nadal liefern: Weist er Anderson erwartungsgemäß in die Schranken, den krassen Außenseiter, hat einfach nur die Nummer 1 der Welt triumphiert. Verliert er allerdings, stündie die Tenniswelt endgültig auf dem Kopf.

Artikel und Videos zum Thema