Mama ist die Beste

Alexander Zverev und Mutter Irina
© Jürgen Hasenkopf

Für Alexander Zverev ist seine Mutter Irina der Fels in der Brandung. "Sie hält alles zusammen", sagt der 20-jährige Hamburger über das Herz und den Kopf der Wandertruppe.

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Von Jörg Allmeroth aus New York City

Als Alexander Zverev Mitte August in Montreal den großen Roger Federer schlug, ging Mutter Irina einer gewohnten Beschäftigung nach: Sie führte eine gute Stunde lang den drolligen Familienpudel Lovik aus, in einer kleinen Schleife immer rund um das Stadion herum. Immer wenn ihr jüngerer Sohn in ganz großen Duellen um den Sieg kämpft, braucht die Mama dringend Ablenkung und Zerstreuung. Auf dem Centre Court würde ihr die Nervenanspannung zu groß, deshalb zieht sie mit dem Hündchen von dannen, ruhelos und aufgeregt zwar, aber fernab vom Wettkampftrubel.

Irgendwann klingelt dann das Handy, meist ist ihr Mann am anderen Ende, er ist dann der Überbringer der immer häufiger werdenden guten Nachrichten. Aber manchmal aber auch noch der Bote, der Niederlagen mitzuteilen hat. Oft schafft sie es noch zu den Siegerehrungen in die Arenen, so wie auch bei den herausragenden Triumphen in dieser Saison, im Mai in Rom gegen Novak Djokovic. Oder wie im Sommer in Kanada, gegen Roger Federer. Und dort war dann auch dieser Satz des jungen Champions zu hören: "Meine Mutter ist der Fels in unserer Familie. Sie hält alles zusammen, sie hat mir so unheimlich viel beigebracht."

Chefin des Familienunternehmens

Weit ist es gekommen für Alexander Zverev, der in der Late-Night-Show am Montag seine Erstrundenaufgabe gegen den aus Barbados stammenden Kollegen Darian King mit ziemlich viel Mühe löste, beim 7:6, 7:5, 6:4-Sieg unter den Flutlichtstrahlern im größten Tennisstadion der Welt, bis um 2:04 Uhr morgens. Aber eben auch für Mutter Irina, die 50-jährige Chefin des erstaunlichen Familienunternehmens, die gerade von der New York Times als Herz und Kopf der Wandertruppe Zverev geadelt wurde.

Beiden Söhnen, auch dem 30-jährigen Mischa (er gewann sein Erstrundenmatch am Montag ebenfalls, in fünf Sätzen gegen den Amerikaner Thai-son Kwiatkowski), hat die ehemals viertbeste Spielerin Russlands die Tennislektionen von Kind auf erteilt, in Hunderten, wenn nicht Tausenden Stunden auf den Courts in Hamburg. Bei Sascha ist nicht nur die technische Handschrift der Mama zu erkennen, jene grundsolide Ausbildung in allen Schlägen, sondern auch ihr Charakter. "Meine Frau ist eine große Fighterin gewesen", sagt Alexander Zverev senior, "sie gab kein Match vor dem letzten Ball verloren. Und jetzt schauen sie sich Sascha an."

Der Ehrgeiz des jungen Ausnahmetalents ist inzwischen schon legendär geworden im Welttennis, ein Ehrgeiz, gegen den sich die ebenfalls siegbewusste Mama einst nur mit Tricks wehren konnte: "Wenn ich mit ihm Tennis gespielt habe oder auch mal ein Gesellschaftsspiel, dann musste ich ihn irgendwann gewinnen lassen. Sonst hätte es kein Ende gegeben." Schon vier Tage nach der Geburts nahm Mutter Zverev ihren jüngeren Sohn das erste Mal mit auf den Tennisplatz, er ist dann später tatsächlich das vielbeschworene Kind des Wanderzirkus geworden, stets aufmerksam dabei, wenn Bruder Mischa herumtourte und sein Glück rund um die Welt versuchte.

"Wir mussten Sascha bremsen"

"Er hat schon als Kleinkind mit vielen Stars zum Spaß gespielt, hat immer gefragt, ob er ein paar Bälle spielen kann. Mal mit Rafael Nadal, mal mit Roger Federer", sagt die 50-jährige, "er ist einfach komplett natürlich in dieses Leben hereingewachsen. Es gab eigentlich keinen Zweifel, dass er auch einmal Tennisprofi wird."

Die Eltern, Vater Alexander und Mutter Irina, ließen ihrem Jüngeren mehr Freiheiten und mehr Spielraum in seiner Karriere als zuvor Bruder Mischa. Den größten Druck machte sich stets "Sascha selbst", erinnert sich die Mama, "da mussten wir eher schon mal bremsen." Um die Talente des Teenagers optimal zu fördern, wurden schon früh externe Berater und Servicekräfte angeheuert, allen voran Manager Patricio Apey.

Später folgten beispielsweise Fitnesscoach Jez Green oder Physiotherapeut Hugo Gravil. Den spanischen Ex-Weltranglistenersten Juan Carlos Ferrero holte indes Sascha Zverev selbst an Bord, zur durchaus angenehmen Überraschung der Familie und von Geschäftsbesorger Apey. "Es ist für mich ein Zeichen, wie erwachsen Sascha schon geworden ist", sagt Apey. Vielleicht sogar schon so reif, dass Mama Zverevs Jüngster schon in New York zum großen Schlag ausholt.

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