NHL

Überlebenskünstler unter sich

Von Christoph Köckeis
On Fire: Bostons David Krejci schenkte den Pens in den Conference Finals vier Treffer ein
© getty

Gestählt vom Kampf gegen das drohende Saison-Aus streben die Chicago Blackhawks und Boston Bruins ab Mittwoch nach der begehrtesten Gravur im Eishockey. Im Duell der Gründungsmitglieder werden Legenden geboren, doch nur eine Franchise verewigt sich auf dem Lord Stanley.

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Chicago Blackhawks (1.) vs. Boston Bruins (4.)

Ausgangslage: Es sind 90 Zentimeter Tradition. Dazumal eine kümmerliche, silberne Schüssel ließen Jahrzehnte den Holy Grail wachsen. Zu dem, was er heute ist. Zigarrenförmig, 20 Kilogramm schwer, eine sagenumwobene Trophäe. Der Brisanz nicht genug, stehen einander zwei Original-Six-Franchises gegenüber. Mehr Prestige geht nicht.

Dennis Seidenberg im SPOX-Interview: "Chicago mit Pittsburgh vergleichbar"

Letztmals bescherten die Montreal Canadiens und New York Rangers der NHL 1979 einen solchen Showdown. Noch länger, genau 35 Jahre, datiert das letzte Treffen der diesjährigen Finalisten zurück. Die Blackhawks wurden gesweept, sinnen nun auf die lange erhoffte Rache. "Diese Rivalität belebt den Sport", weiß Coach Joel Quenneville.

Locker pflügten seine Schützlinge als Gewinner der President's Trophy in das Conference-Halbfinale. Nach dem Spaziergang gegen Minnesota nahm der erneute Coup nach 2010 konkrete Formen an. Bis die Detroit Red Wings kamen - und den Favoriten direkt gen Abgrund manövrierten. Chicago rettete sich in sieben Spielen.

Ein Weckruf zum goldrichtigen Zeitpunkt. Playoff-geeicht wurde der noch amtierende Champion, die Los Angeles Kings, eliminiert. Jonathan Toews erklärte danach: "Wir sind selbstbewusst, können als Einheit schwierige Momente überstehen." Eine Nahtod-Erfahrung, welche auch die Bruins prägte.

Erst die epische Aufholjagd gegen Toronto ebnete ihren Triumphzug. Mit der bisherigen Krönung im Endspiel der Eastern Conference. Die Penguins, hoch gehandelter Titel-Aspirant, wurden nach allen Regeln der Kunst gedemütigt. Dan Bylsma, Pittsburghs Mastermind, grübelte nach dem 0:4, sprach von einer "unerklärlichen Macht".

"We want the Cup"-Rufe verdeutlichten: Die Sport-Metropole ist heiß auf das Revival von 2011. Und die Spieler? Die sind bereit, allen voran Jaromir Jagr: "Endlich wieder hier zu stehen, ist großartig. Ich genieße jede Begegnung." 21 Jahre sehnte der Altmeister das Stanley-Cup-Triple herbei. Jetzt hat er die Krönung in greifbarer Nähe.

Players to watch: Im Fundament beider sind kaum Unterschiede auszumachen: Beide bauen auf einen ausgeprägten Kollektivgedanken. Das Gemeinwohl kommt vor Befindlichkeiten Einzelner. Entsprechend brillieren die Roster mit Tiefe. Speziell in der Offensive. Die Hawks verfügen über vier Forwards, welche das Gütesiegel Weltklasse völlig zurecht verdienen.

So konnten Marian Hossa und Patrick Sharp über manch Schwächeperiode hinwegtäuschen. Etwa die von Toews. Er suchte in den Playoffs (1 Tor) vergeblich die Treffsicherheit vergangener Tage. Ähnlich erging es Patrick Kane. Gerade noch rechtzeitig legte der Right Wing seine Ladehemmung ab, traf in den abschließenden Begegnungen vier Mal.

Überraschend explodierte Bryan Bickell: Neben dem Faktor Physis verleiht er dem vierfachen Meister unverhoffte Feuerkraft. Mit acht Treffern zeigte er Talente, die in der Regular Season (9) verborgen blieben. In der Abwehr geben Duncan Keith und Brent Seabrook die Richtung vor. Nicht zuletzt ihnen ist die beinahe unheimliche Penalty-Killing-Quote (84,8 Prozent) geschuldet.

Ein achtsames Auge sollten sie auf David Krejci werfen. Der Center ist schlicht on fire. Und zwar ohne Übertreibung. Anders als viele Elite-Forwards genießt er kein exponiertes Standing. Mitunter deshalb wird er vielerorts unterschätzt. 21 Scorerpunkte können allerdings getrost als sein Durchbruch in die Riege der Superstars interpretiert werden.

Die kongenialen Partner: Nathan Horton, zweitbester Scorer, und Milan Lucic. Gemeinsam bilden sie eine der gefährlichsten Speerspitzen der Liga. Nicht minder talentiert sind Brad Marchand oder Tyler Seguin, wobei Letzterer in der Postseason an der Wahrnehmungsgrenze vorbeischrammt. Mit Patrice Bergeron erfreut man sich eines Zwei-Wege-Stürmer-Prototypen.

Überhaupt scheint Boston in der Rückwärtsbewegung im Vorteil. Dank Zdeno Chara. Kaum jemand prägte die Defender-Kultur wie er. Franchise-Player, Wortführer, Go-to-Guy im Powerplay - der 36-Jährige verkörpert die Konstante in Claude Juliens System. Flankiert wird er von DEB-Crack Dennis Seidenberg, der sich längst unverzichtbar machte.

Hinter dem Parade-Duo garantieren Johnny Boychuk und Adam McQuaid Stabilität, zudem belebte Rookie-Sensation Torey Krug das Überzahlspiel. Von der herausragenden Defense profitiert mitunter Tuukka Rask. Der finnische Goalie glänzte mit 94,3 Prozent Fangquote, und ist über seinen Gegenüber Corey Crawford zu stellen.

Reduziert man die Matchups auf ein Duell, dann wäre es: Toews vs. Chara. Der Blackhawks-Center schöpfte sein Potenzial in den Playoffs zu selten aus. Nachdem die Bruins um Chara zuvor die Pens-Superstars in beeindruckender Manier kalt stellten, können zusätzliche Option im Angriffsspiel nicht schaden.

Prognose: Das letzte direkte Kräftemessen datiert aus der letzten Saison. Ob des Lockouts und der verkürzten Regular Season hatten die beiden Teams bislang nicht die Ehre. Die Eishockey-Fans dürfen sich auf eine dramatische und überaus ausgeglichene Serie freuen. 4:3 für die Bruins

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