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NFL - New York Jets: Per Machtkampf zurück ins Chaos

Adam Gase (r.) war kein Freund von der Verpflichtung von Running Back Le'Veon Bell.
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Die New York Jets sorgten in Draft und Free Agency für positive Schlagzeilen und wähnten sich erstmals seit langem wieder auf dem richtigen Weg. Die Entlassung von General Manager Mike Maccagnan und die damit einhergehenden Nebengeräusche lassen die Franchise aber wieder im Chaos versinken.

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Nach einer turbulenten Offseason samt fragwürdiger Entscheidungen im Draft standen General Manager Dave Gettleman und die New York Giants im unfreiwilligen Medienfokus in New York und im ganzen Land. Die Lokalrivalen der Giants hingegen legten einen für ihre Verhältnisse überraschend schlüssigen Draft hin und sorgten zuvor schon in der Free Agency für positive Schlagzeilen.

Dann aber feuerte Gang Green General Manager Mike Maccagnan - wohl gemerkt nach Draft und Free Agency. Die Jets ließen Maccagnan - mutmaßlich - den Kader für die kommenden Jahre aufbauen, um ihn dann zu entlassen. Ein höchst ungewöhnlicher Schritt in der NFL.

Dieser Schritt ist aus mehreren Gründen problematisch. Zunächst fehlt hiermit schon wieder jegliche Weitsicht. Eigentlich waren die Jets mitten im Neuaufbau und hatten mit Sam Darnold im Vorjahr und Quinnen Williams dieses Jahr zwei von mehreren Eckpfeilern für die kommenden Jahre zusammen. Jetzt ging es eigentlich darum, diesen Kern adäquat zu verstärken und somit dem großen Ziel, den ungeliebten Patriots in der AFC East endlich wieder auf die Pelle zu rücken, näher zu kommen.

Jetzt allerdings hängt schon wieder alles in der Schwebe. Die Jets verschwendeten zwar keine Zeit und machten den neuen Head Coach Adam Gase zum Interims-GM. Doch dieser Move allein schon wirft Fragen auf: Macht es Sinn, einen verhältnismäßig unerfahrenen - und wenig erfolgreichen - Coach wie Gase gewissermaßen die alleinige Verantwortung zu übertragen?

New York Jets: Sechs General Manager seit 2000

Gase, der im Übrigen seit 2000, als ein gewisser Bill Belichick für einen Tag GM und Coach in einem war, bereits der sechste GM der Jets ist, verbrachte die letzten drei Jahre bei den Miami Dolphins. Seine Bilanz: 23-25 in der Regular Season (0-1 in den Playoffs).

Und dennoch verfügt er in dieser Organisation über so viel Einfluss, dass er offenbar mitgeholfen hat, den GM zur Unzeit nach internem Machtkampf heraus zu kegeln - auch wenn er jegliche Rolle in dieser Sache von sich wies. "Ich weigere mich von einem Machtkampf zu reden", sagte Gase zu NJ.com: "Wer auch immer als neuer GM eingestellt wird, wird dieselbe Rolle haben - also auch Kontrolle über den Kader. Ich werde das Football-Team trainieren. Das werde ich machen. An der Struktur wird sich nichts ändern."

Jedoch bereits vor der Entlassung machte das Gerücht die Runde, dass Gase und Maccagnan in zwei Schlüsselpersonalien dieser Offseason unterschiedlicher Meinung waren: Sowohl Running Back Le'Veon Bell (4 Jahre/52,5 Millionen Dollar) als auch Inside Linebacker C.J. Mosley (5 Jahre/85 Millionen Dollar) waren dem Coach zu teuer. Sicherlich nicht zu Unrecht, wenn man die sonst gängigen Preise für diese Positionen betrachtet. Das Verhältnis zwischen Maccagnan und Gase soll intern bereits jetzt zu angespannt gewesen sein.

Was sind nun die Konsequenzen aus dieser auch PR-technisch suboptimalen Situation? In erster Linie steht weiter Maccagnans Kader auf dem Platz - Minus Darron Lee. Den Linebacker schickte Gase keine zehn Stunden nach Beginn seiner GM-Amtszeit für einen Sechstrundenpick 2020 nach Kansas City. Doch ansonsten steht das Gerüst.

Dass Maccagnan nicht über jeden Zweifel erhaben war und man ihm vor allem zahlreiche Fehlgriffe in seinen insgesamt fünf Drafts ankreiden kann, steht außer Frage. Letztlich hinterlässt er aber mit Sam Darnold einen potenziellen Franchise-Quarterback, der ihm natürlich auch nur in den Schoß gefallen ist, weil die Giants lieber Saquon Barkley mit dem zweiten Pick 2018 wählten - selbe Stadt, anderes Chaos ...

NFL Draft: Quinnen Williams per Zufall zu Jets

Und auch Quinnen Williams hätte Maccagnan lieber einer anderen Franchise zugunsten eines Down-Trades überlassen. Niemand wollte jedoch den gewünschten Preis für den dritten Pick zahlen. Es gibt also durchaus gute Gründe, sich von Maccagnan zu trennen, unglaublich bleibt aber der Zeitpunkt.

Hätte man Maccagnan bereits zu Jahresbeginn zusammen mit Ex-Coach Todd Bowles entlassen, hätte niemand etwas gesagt. Doch zuerst einen neuen Coach zu holen - den man nach aktuellem Kenntnisstand dem GM offenbar vor die Nase gesetzt hat -, und dann solange mit der Entlassung zu warten, zeugt schon von einem größeren organisatorischen Chaos.

Eine weitere Nachwirkung dieser Situation ist freilich das Verhältnis von Gase zu seinem nun wohl größten Star. Bell gelobte zwar Professionalität, doch sein Abgang aus Pittsburgh und seine Connection zu Antonio Brown lassen zumindest mal an dieser Ansage zweifeln. Wie also wird der Coach mit seinem Running Back, den er ja eigentlich zumindest nicht für diesen Preis wollte, umgehen, sodass dieser nicht schmollt?

Loswerden wird man ihn, obgleich es Gerüchte in diese Richtung gibt, sicherlich nicht. Die Jets haben Bell bereits elf Millionen Dollar gezahlt, drei Millionen sind ihm für die Saison darüber hinaus noch garantiert. Und auch 2020 wäre ein Trade oder gar eine Entlassung Cap-technisch noch schwierig, obgleich die Jets noch recht gut in Sachen Cap Space dastehen. Frühestens 2021 kämen sie günstig aus diesem Vertrag heraus.

Gases Hauptaufgabe: Weiterentwicklung von Sam Darnold

Und so bleibt nur die Hoffnung, dass er an alte effektive Zeiten anknüpfen und darüber hinaus Darnold beim Wachsen helfen kann. Letzteres war auch der Hauptgrund für Bells Verpflichtung, denn Darnold zeigte sich 2018 noch sehr grün hinter den Ohren. Nur wenige Quarterbacks waren schlechter: In den Statistiken DYAR, DVOA und Total QBR belegte er Platz 30 aller QBs mit mindestens 200 Passversuchen.

Gases Aufgaben im sportlichen Bereich sind also ohnehin schon schwierig genug. Die Personalverantwortung darüber hinaus zu schultern, scheint also etwas viel für eine Person zu sein. Umso wichtiger wird es daher, einen brauchbaren Nachfolger für Maccagnan zu finden.

Sam Darnold: Statistiken 2018

StatistikWertLiga-Platzierung
Passquote57,7 Prozent31.
Yards286523.
Touchdowns1724.
Interceptions152.
Passer Rating77,631.
Total QBR48,430.
DYAR-10930.
DVOA-15,1 Prozent30.

Die erste Frage in dieser Sache ist jedoch: Wird der neue GM dann tatsächlich die Personalverantwortung übernehmen? Oder wird er ein Adjutant Gases, wie das etwa Mike Mayock bei den Oakland Raiders oder in weniger offensichtlicher Form auch John Schneider in Seattle ist? Wie mächtig ist Gase, der in puncto Menschenführung als durchaus streitbarer Typ gilt, durch die Trennung von Maccagnan nachhaltig?

Es muss klar definiert sein, wer das letzte Wort hat: GM oder Coach? Die Jets wiederum nutzten bereits in der Vergangenheit mit Rex Ryan und Mike Tannenbaum ein Konstrukt, in dem Coach und GM gleichberechtigt waren und beide an Teameigner Christopher Johnson beziehungsweise dessen Vorgänger Woody Johnson - der heutige US-Botschafter im UK - berichteten. Eine Konstellation, die angesichts einer nun achtjährigen Playoff-Durststrecke nicht unbedingt als Erfolgsmodell zu bezeichnen ist.

Sam Darnold zählte 2018 zu den schlechtesten Quarterbacks der NFL.
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Sam Darnold zählte 2018 zu den schlechtesten Quarterbacks der NFL.

New York Jets: Joe Douglas Top-Kandidat bei GM-Suche?

Der Name, der am meisten gehandelt wird, ist Joe Douglas, der Vice President of Player Personnel der Philadelphia Eagles. Ein Fachmann im Bereich des Kaderbaus, der bereits seit über 15 Jahren in der NFL unterwegs ist und unter dem hoch angesehenen ehemaligen GM der Ravens, Ozzie Newsome, gelernt hat.

Darüber hinaus steht in seiner Vita ein Front-Office-Job bei den Chicago Bears im Jahr 2015, als auch Gase dort als Offensive Coordinator unter John Fox tätig war. Beiden wird ein gutes Verhältnis nachgesagt, womöglich erfolgte die Trennung von Maccagnan bereits mit Douglas als Wunschkandidat im Hinterkopf. Konkret scheint dies aber noch nicht zu sein.

Vielmehr berichtete der New Yorker Journalist Manish Mehta von einer abstrusen Idee für den GM-Findungsprozess: Anstatt eine professionelle Agentur damit zu beauftragen wolle man vielmehr den Journalisten Peter Schrager (NFL Network, FOX) um Hilfe und Rat bitten. Ein Gerücht, das mittlerweile aber wieder dementiert wurde.

Doch ist dies abstruser als die generell fehlende Linie in Sachen Jets-GMs der letzten Zeit? Mitnichten. Derzeit ist nicht mal klar, welche Art GM die Jets nun verpflichten wollen.

Der vorletzte GM, John Idzik, war in erster Linie ein Finanzexperte, viele nannten ihn gar einen Erbsenzähler. Er kannte sich mit der Salary Cap aus, nicht unbedingt mit der Spielerevaluation.

Jets wollen "mehr als einen Talent-Evaluator"

Dann folgte Maccagnan, ein langjähriger Scout, der Talentbewertung als sein Fachgebiet vorwies - was angesichts seiner wenig überzeugenden Drafts zumindest mal fragwürdig anmutet. Und nun? ESPN jedenfalls spekuliert, dass Johnson jetzt eine Art klassischer Geschäftsführer vorschwebt - mit Footballhintergrund, versteht sich. Es wäre der dritte radikale Kurswechsel auf einer so zentralen Rolle innerhalb dieses Jahrzehnts.

Johnson sagte kürzlich etwas vage, er wolle "mehr als einen Talent-Evaluator. Ich will einen großartigen Strategen, einen großartigen Manager, einen Kommunikator. Jemand, der mit dem kompletten Haus zusammenarbeiten kann."

In einem solchen Modell wäre dann Gase ohne Zweifel der hochrangigste Talent-Evaluator der Organisation. Ein Fakt, der auch dadurch unterstrichen wird, dass Gase mit Bill Dekraker einen langjährigen Scout des Teams entlassen hat. Zudem berichtet die New York Daily News, dass er die komplette Scouting-Abteilung "straffen" wolle.

Gase streitet also öffentlich ab, seine Hände bei der Entlassung Maccagnans im Spiel gehabt zu haben. Gleichzeitig aber gibt es Indizien, dass er bereits weitreichende Veränderungen in Schlüsselbereichen der Organisation plane. Sein Einfluss ist offenbar beträchtlich, was ein potenzieller nächster General Manager genau beobachten wird.

Die Jets sahen nach Draft und Free Agency so aus, als würden sie erstmals seit längerem in die richtige Richtung steuern. Die letzten paar Wochen jedoch stellen dies schon wieder deutlich infrage; und zwischen Gase, Bell oder auch jemandem wie Defensive Coordinator Gregg Williams besteht permanente Explosionsgefahr. Die Organisation wirkt ähnlich chaotisch wie die Nachbarn in blau mit dem kleinen Unterschied, dass die zumindest ihre Führungsriege zusammen haben.

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