NFL

NFL Third and Long Week 10: Bradys Probleme, die Colts-Offense - und das MVP-Rennen

Tom Brady und die New England Patriots haben in Tennessee verloren.
© getty

Woche 10 in der NFL und das Playoff-Picture wird klarer - außer in der NFC East. Wer geht in den Saison-Endspurt als Favorit auf den MVP-Titel und die anderen Awards? Welche Teams bekommen eine Wildcard? Wie geht es in Seattle weiter, welche Probleme haben die Patriots - und was bedeutet die Kupp-Verletzung für die Rams? Außerdem: was macht die Offense der Indianapolis Colts dieses Jahr eigentlich so stark?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!

Die Colts-Offense: die beste Tight-End-Offensive der Liga

Die Indianapolis Colts sind eine der Under-the-Radar-Überraschungen dieser Saison und ein Team, das möglicherweise sogar noch im Wildcard-Rennen der AFC ein Wörtchen mitreden kann. Die Colts sind auf einem extrem guten, vielversprechenden Weg und ein ganz heißer Kandidat, um in zwei Jahren im Titelfenster zu sein; und das beginnt mit dem Passing Game.

Andrew Luck wurde seit Woche 5, oder 189 Dropbacks in Folge, nicht mehr gesacked. Von Quarterbacks mit mindestens 400 Pässen stehen nur Roethlisberger, Brees, Brady, Flacco und Trubisky prozentual seltener unter Druck. Luck hatte dieses Jahr vier Spiele mit null Sacks, zwischen 2012 und 2016 hatte er sieben solcher Spiele. Keine Frage - er spielt hinter der besten Offensive Line seiner NFL-Karriere.

Gegen die Jaguars steckte er ganze zwei QB-Hits ein, über die letzten drei Spiele brachte Luck gut 72 Prozent seiner Pässe für 680 Yards, zehn Touchdowns und eine Interception an. Und dabei fällt eine Sache ganz besonders auf: die Colts sind dieses Jahr unheimlich gut darin, die Tight Ends ins Passing Game einzubinden. Vielleicht besser als jedes andere Team.

Das war gegen die Jaguars vielleicht am deutlichsten, und einige der kreativsten Tight-End-Play-Designs, die man in der NFL aktuell sieht, waren in diesem Spiel sichtbar. Zehn Targets sahen die Tight Ends gegen Jacksonville, mit denen Indianapolis die Linebacker immer wieder extrem gut attackierte.

Das erste Big Play der Partie kam dann auch über einen In-Line-Tight-End und einer Route-Kombination, die dem Tight End Platz verschaffte.

Die Colts setzen ihren Running Back gerne auf der Seite des primären Tight-End-Reads ein, um einen Linebacker oder Safety auf der Seite mit in Coverage einzubeziehen und im Idealfall eine Seite der Formation zu überladen oder einen Verteidiger dazu zu zwingen, sich zwischen zwei Receivern entscheiden zu müssen.

Dieses Play zeigt die Kreativität im Umgang mit den Tight Ends. Die Colts kommen mit einer engen Formation raus und deuten bei First Down so Pre-Snap den Run an.

Tatsächlich gibt es auch einen Play-Action-Fake, was die Defense nochmals mehr Richtung der Line of Scrimmage zieht - Play Action bei First Down aus einer I-Formation ist ein wahnsinnig effizientes Konzept, umso mehr, wenn man diese Line und Luck Under Center hat.

Dabei ist der Tight End im Backfield als vermeintlicher Lead-Blocker. Stattdessen aber gibt es nach dem Snap wieder den (erfolgreichen) Versuch, eine Seite der Line of Scrimmage gezielt zu attackieren: Der Outside-Receiver auf der linken Seite der Formation räumt mit einer vertikalen Route den Cornerback aus dem Weg, der Tight End aus dem Backfield läuft eine Mid-Range-Route in Richtung zur Seitenlinie.

Unterstützt wird er dabei durch den Running Back, der nach dem Play-Action-Fake ebenfalls eine kurze Route in die Flat läuft. Das Resultat ist ein sehr guter Raumgewinn bei First Down mit einem Play, bei dem man die Defense in ihr Base Personnel zwingt.

Und es ging genau so weiter, dieses Spiel war ein Lehrbeispiel dafür, wie man Tight Ends kreativ und vielseitig einsetzen und mit Formationen überraschen kann. Das ist der 27-Yard-Pass zu Alie-Cox kurz vor Ende des ersten Viertels beim zweiten Touchdown-Drive der Colts, und spannend ist hier vor allem die Art und Weise, wie Indianapolis ins vertikale Passing Game geht.

Die Colts kommen mit 13-Personnel - also ein Running Back, drei Tight Ends und nur ein Wide Receiver - raus, und spielen daraus ein 4-Verts-Konzept, also vier vertikale Routes. Die drei Tight Ends sind dabei auf einer Seite, der Running Back hat sich aus dem Backfield Pre-Snap auf der linken Formation im Slot aufgestellt.

Daraus laufen zwei Tight Ends tiefe Routes, der dritte, außen postierte Tight End beschäftigt den Outside-Cornerback mit einer Comeback-Route.

Und die Colts nutzen ihre Tight Ends - wo andere primär auf Wide Receiver setzen - auch bei End Arounds. Das ist Ebrons Touchdown-Run direkt zum Ende des ersten Viertels.

Wieder ist es eine enge Formation, mit Blockern auf beiden Seiten. Jacksonville muss also mit einem Run durch die Mitte, genau wie mit einem Run zu beiden Seiten rechnen. Einen Tight-End-Run jedenfalls sieht man in diesem Bereich des Feldes nicht allzu oft, Ebrons Athletik aber erlaubt den Colts auch hier eine gewisse Vielfalt.

Ebrons Touchdown-Catch mit etwas über neun Minuten auf der Uhr im zweiten Viertel war eine weitere Variante des Attackierens einer Seite der Defense mit Running Back und Tight End, während die Receiver auf der anderen Seite der Formation aufgestellt werden.

Das kann einerseits einen Hinweis auf die Coverage liefern - ändert die Defense ihre Formation oder bleibt der Cornerback auf der Wide-Receiver-freien Seite? -, außerdem ist auch wieder das Ziel, einzelne Verteidiger auf unterschiedlicher Tiefe zu attackieren.

Und in diesem Fall endet es mit einem Coverage-Breakdown durch die Jaguars, bei denen der Linebacker den Running Back übernimmt, dahinter aber die Abstimmung nicht passt und niemand für Ebron zuständig ist.

Es ist kein Zufall, dass Eric Ebron nach einer für alle Beteiligten frustrierenden Zeit in Detroit gerade die beste Saison seiner Karriere spielt. Oder dass ein Spieler wie Mo Alie-Cox, der dritte Tight End dieses Teams, gegen die Jaguars-Defense vier Targets sieht. Oder dass der bislang in dieser Saison von Verletzungen geplagte Jack Doyle, wenn er dann spielt, pro Partie im Schnitt sechs Targets verzeichnet.

Die Colts sind eine Offense, die maßgeblich über die Tight Ends aufgebaut ist. Wo andere Teams über Motion (Chiefs), vielseitige Formationen (Saints) oder schwer lesbare und eng verknüpfte Play-Designs (Rams) kommen, setzen die Colts auf die Tight Ends, um Defenses in ihr Base-Personnel und in leichter vorhersehbare Coverages zu zwingen.

Die Entwicklung in Indianapolis ist absolut vielversprechend. Und wenn es den Colts gelingt, aus einigen der vielen jungen Starter in der Defense verlässliche Production zu holen, dann wird man schon sehr bald mit Indy rechnen müssen.

Week 10 - Beobachtungen zum Spieltag:

Bills-Debakel: Die Jets brauchen den Neustart. Jetzt!

Die Jets werden Todd Bowles offenbar nicht in der Saison feuern. Das ist - gelinde gesagt - nur schwer nachvollziehbar und gibt den ausstehenden Jets-Spielen einen ganz merkwürdigen Beigeschmack.

Dass Bowles nächstes Jahr nicht mehr der Head Coach in New York sein würde, hatte sich schon seit einer Weile angedeutet. Die Jets haben als Team über die letzten Jahre kaum Fortschritte gezeigt, Bowles ist in puncto In-Game-Management alles andere als gut und dieser Trainerstab scheint in keinster Weise die richtige Wahl zu sein, um die Entwicklung von Sam Darnold voranzutreiben - die oberste Priorität in New York.

Letzte Woche hatte ich noch geschrieben, dass ich mit einer Entlassung nach Saisonende rechne. Dieser völlig blutleere, peinliche Auftritt gegen ein hoffnungsloses Bills-Team - und insbesondere wie Bowles' Defense gegen Matt Barkley auseinandergefallen ist - lässt den Jets in meinen Augen aber keine Wahl: die Entlassung muss jetzt erfolgen.

Dieses Team braucht dringend einen Neustart, und ein derart desolates Spiel gegen ein anderes Kellerkind, das aber eindrucksvoll gezeigt hat, wie man sich dennoch präsentieren kann direkt vor der Bye Week, ist der rote Teppich für das Ende.

Und dann? Die Jets müssen sich endlich von ihrem eigenen Mantra lösen, und nach vielen Jahren mal wieder einen Head Coach mit einem offensiven Background verpflichten. Einen Coach mit einem Trainerstab, der bestmöglich dafür ausgestattet ist, um Darnold zu entwickeln. Sei es John DeFilippo, Lincoln Riley, Matt LaFleur oder ein ganz anderer Kandidat. Und dann muss im nächsten Schritt in der Free Agency und im Draft der Großteil der Ressourcen in die Offense gesteckt werden. So gewinnt man in der NFL heute.

Patriots: Bradys Probleme werden offensichtlich - und angreifbar

Der Sieg der Titans über die Patriots war unerwartet deutlich und im Verlauf der Partie nur sehr selten wirklich in Gefahr. Das war so nicht abzusehen und sollte Pats-Fans nicht gleich in Panik versetzen - aber einen Trend, der dann doch etwas besorgniserregend ist, kann man inzwischen in New England doch erkennen; und der betrifft niemand anderes als Tom Brady.

Brady hatte drei seiner schlechtesten Saisonspiele gegen Detroit, die Packers und jetzt gegen Tennessee. Das ist kein Zufall, denn diese Defenses haben New England mit ähnlichem Ansatz attackiert: mit komplexen Coverages und vielseitigen Pressure- sowie Blitz-Paketen, um dem Quarterback Post-Snap möglichst viele andere Dinge zu präsentieren, als er vor dem Snap vermeintlich erkennen konnte.

Diese Teams waren darauf aus, Brady den ersten Read zu nehmen und ihm kein klares Matchup zu präsentieren, um ihm die Post-Snap-Reads so schwer wie möglich zu machen. Und das hat geklappt. Wenn Brady in dieser Saison den Ball länger als 2,5 Sekunden hält, fällt seine Completion-Quote um fast 30 Prozent, eine der höchsten Diskrepanzen. Seine Touchdown-zu-Interception-Quote fällt bei diesen Plays auf 2:1, auf Augenhöhe mit Fitzpatrick, Trubisky oder Prescott; Brady hat dieses Jahr große Probleme mit dem Blitz.

Das ist selbstverständlich nichts, was zwangsläufig den Rest der Saison so bleiben muss. Insbesondere wenn die Patriots Josh Gordon und Rob Gronkowski mal über einen längeren Zeitraum gemeinsam fit aufs Feld bekommen, werden Teams mit ihren Safetys anders spielen und mehr reagieren als agieren müssen. Allerdings ist es ein auffälliger Trend, den andere Defenses beobachten werden. Die Vikings in Woche 13 könnten der nächste Test hierfür sein.

L.A. Rams: Cooper Kupps Verletzung ist ein Tiefschlag

Ja, die Los Angeles Rams sind eine der besten Offenses was Play-Designs und Play-Calling angeht und sie werden die schwere Verletzung von Cooper Kupp dadurch besser auffangen können als die allermeisten Teams dazu in der Lage wären. Josh Reynolds wird vermutlich wieder in die Rolle rutschen; aber diese Verletzung wird sich auch - oder vielleicht gerade - in diesem Scheme bemerkbar machen.

Ganz davon zu schweigen, dass Kupp mit Goff glänzend harmoniert und einer der gefährlichsten Mid-Range Slot-Receiver in der NFL aktuell ist (2,42 Yards pro gelaufener Slot-Route, von allen Spielern mit mindestens 100 Slot-Snaps der zweithöchste Wert hinter Tyreek Hill), setzt die generelle Herangehensweise der Rams-Offense auch stark auf Kupp.

Kein Team spielt mehr 11-Personnel - also 3-WR-Sets - als die Rams, die ganze Offense baut darauf auf; genau wie auf dem Route-Running der Receiver, die so lange wie möglich offen halten müssen, ob sie blocken oder tatsächlich eine Route laufen. Eine zentrale Stärke dieser Rams-Offense sind die Play-Designs, die sich extrem ähneln: Defenses wissen oft nicht, ob ein Run, ein Pass oder ein Play-Action-Pass kommt.

Das beschert Todd Gurley so viele leichte Boxes, das verschafft Jared Goff offene Receiver insbesondere im Play Action Game. Reynolds - mutmaßlich - wird also nicht nur ein klarer Starter sein, er darf auch nicht der Spieler werden, den Verteidiger als Key-Read verwenden, um Plays zu erahnen. Auch ist denkbar, dass McVay jetzt gezwungenermaßen etwas von seinem Scheme abweicht: als Kupp vor einigen Wochen ausfiel, hatten die Rams auffallend mehr 2-TE-Sets in ihrem Game Plan.

Cowboys, Eagles, Redskins - die NFC East ist ein Chaos

Sind die Philadelphia Eagles das frustrierendste Team dieser Saison? Ich würde inzwischen so weit gehen. Was das Potential angeht - offensiv wie defensiv - sollte Philly diese Division eigentlich klar anführen. Washington hat eines der limitiertesten Passing Games der NFL und ist durch Verletzungen dezimiert, während die Cowboys in puncto Passing Offense auf Washingtons Level sind und Dak Prescott noch versucht, wieder konstanter in die Spur zu finden.

Beide Teams kommen über das Run Game, in einer Passing-Liga - und mit einem theoretisch deutlich besseren Passing Game in Person der Eagles in der eigenen Division. Doch bei Philly bleibt Play-Calling genauso ein Problem wie die Pass-Protection und auch das Run Game, und so lange die Eagles hier keine Konstanz rein bekommen, werden sie auch weiterhin Probleme haben.

Ich habe die Eagles über die letzten Wochen immer verteidigt, aber Washington hat den einfacheren Schedule und mit zwei Siegen mehr den klaren Vorteil was die Ausgangs-Lage angeht. Die Eagles laufen inzwischen ernsthaft Gefahr, dass die Titelverteidiger-Saison zu einer Enttäuschung ohne Playoffs wird.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema