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Die Denver Broncos vor dem TNG gegen die Arizona Cardinals: Nicht noch ein Übergangsjahr

Von Jan Dafeld
Vance Joseph übernahm die Denver Broncos 2017 als Head Coach
© getty

Die Niederlage gegen die Los Angeles Rams bedeutete für die Denver Broncos die vierte Niederlage in Folge. Die Run-Defense ist eine Katastrophe, Case Keenum scheint nicht die erhoffte Lösung auf der Quarterback-Position zu sein. General Manager John Elway steht unter Druck, der Stuhl von Head Coach Vance Joseph wackelt. Im Thursday Night Game gegen die Arizona Cardinals (Fr., ab 2.20 Uhr live auf DAZN) sind die Broncos zum Siegen verdammt.

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Exakt 13 Minuten und 21 Sekunden waren im Match zwischen den Denver Broncos und den Los Angeles Rams gespielt, da holte es die Fans im Mile High Stadium kollektiv von den Sitzen. Broncos-Receiver Emmanuel Sanders hatte Rams-Cornerback Troy Hill bei einer Go-Route geschlagen und den 44-Yard-Pass von Case Keenum am Rande der Endzone kontrollieren können.

Ein Touchdown? Möglich. Auf jeden Fall war es ein Big Play - First and Goal von der 1-Yard-Linie inklusive! Das dachte sich wohl auch Sanders. Er baute sich vor Hill auf und wedelte mit seinem Zeigefinger vor der Nase seines Gegenspielers. Auftritt der Referees: Die harte, aber vertretbare Entscheidung: Unsportliches Verhalten. 15 Yards Strafe. Statt First and Goal von der 1-Yard-Linie hieß es also First and Ten von der 15-Yard-Linie. Denver musste sich mit einem Field Goal zufrieden geben.

"Ich denke, wir hätten den Ball leicht [in die Endzone] reinbringen und noch vier Punkte mehr kriegen können", zeigte sich Sanders im Anschluss an das Spiel verbittert. "Ich glaube, diese Niederlage geht auf mich." Es ist lobenswert, dass Sanders seinen eigenen Fehler nach dem Spiel nicht kleinzureden versuchte. Und doch: Es war letztlich auch nur einer von vielen vermeidbaren Fehlern. Die Broncos scheinen sich aktuell immer wieder selbst im Weg zu stehen.

"Wir schlagen uns jede Woche selbst"

Alleine ein Blick auf den nächsten Drive genügt, um dieses Bild zu bestätigen: Bereits klar in Field-Goal-Range unterliefen Denver gleich zwei Holding-Penalties. Die Folge: Ein Punt. Drei weitere Punkte, die das Team ohne Not liegen ließ. "Wir müssen es endlich schaffen, uns nicht immer selbst zu schlagen", monierte Cornerback Chris Harris Jr. zurecht. "Wir müssen uns einfach eine Chance auf den Sieg geben. Wir schlagen uns jede Woche selbst. Es ist hart, so zu gewinnen."

Tatsächlich war die Leistung des Teams gegen die ungeschlagenen Rams lange nicht so schlecht wie es eine vierte Niederlage in Serie vermuten lassen könnte. Als erstes Team in dieser Saison ließ Denver weniger als 30 Los-Angeles-Punkte zu. Als erstes Team in dieser Saison hielten die Broncos Jared Goff bei nur 201 Passing Yards. Und als erstes Team in dieser Saison verbuchte man fünf Sacks gegen die Rams.

Und doch brachte sich das Team von Head Coach Vance Joseph letztendlich um seinen verdienten Lohn. Offensiv kosteten Denver individuelle Aussetzer wichtige Punkte. Defensiv war die Rushing-Defense hingegen ein Totalausfall. Mal wieder.

Die schlechteste Run-Defense der Liga

Als erstes Team in der Geschichte der NFL ließen die Broncos zwei Wochen in Folge 200 Rushing Yards von einem gegnerischen Spieler zu. Isaiah Crowell lief in Woche 5 für 219 Yards, Todd Gurley verpasste diese Marke mit 208 Yards nur um Haaresbreite. Es sind Werte, die für jede NFL-Franchise inakzeptabel wären. Umso mehr ist dies allerdings bei einem Team der Fall, das mit Kalibern wie Von Miller, Derek Wolfe oder Bradley Chubb in der Defensive Line eigentlich stark besetzt ist.

Kein Team lässt nach sechs Spielen mehr Rushing Yards pro Spiel (161,3) zu. Darüber hinaus weist auch kein Team einen schlechteren Wert bei Rushing Yards pro Versuch (5,6) auf. Vor allem an Miller, der als einer der besten Pass-Rusher und Run-Defender der Liga gilt, gehen diese Werte nicht spurlos vorbei. "Ich war in den letzten Wochen gegen den Run und als Rusher nicht gut", zeigte sich Miller noch vor dem Rams-Spiel selbstkritisch.

Der ehemalige Super Bowl MVP ist unverzichtbar für die Broncos. Spielt er gut, spielt Denver häufig gut. Erwischt er einen schlechten Tag, gilt das meist auch für sein Team. In den ersten zwei Saisonspielen verzeichnete Miller vier Sacks. Beide Spiele gewann Denver. In den darauffolgenden drei Matches kam Miller nicht ein Mal zum Quarterback. Alle drei Spiele endeten in Niederlagen.

Kaum ein Spieler sah sich in der vergangenen Saison mehr Double-Teams und Chips ausgesetzt als Miller. Auch deshalb entschieden sich die Broncos an der fünften Stelle des Drafts für Bradley Chubb, einen weiteren potenziellen Star-Pass-Rusher. Chubb und Miller sollten die Renaissance des zweiköpfigen Pass-Rush-Monsters werden, das Denver vor drei Jahren bis zum Titel führen konnte. Damals bereitete Miller zusammen mit DeMarcus Ware gegnerischen Quarterbacks Albträume.

Joseph hatte vor dem Matchup mit den Rams angekündigt, Miller und Chubb mehr gemeinsame Pass-Rushes zu ermöglichen. Auch wenn es nicht in einem Sieg resultieren sollte, ging dieser Plan zumindest auf: Miller beendete seine Durststrecke von drei Spielen ohne Sack, er und Chubb verbuchten zusammen vier Sacks. Ein Lichtblick.

Die Rams halten Denver den Spiegel vor

Eine Niederlage gegen die Rams, eine knappe obendrein, stellt für Denver natürlich keine Katastrophe dar. Die Spiele, die man hätte gewinnen sollen, finden sich in den Wochen zuvor. Und doch dürfte der Vergleich mit der Franchise aus Los Angeles für die Broncos ein unschöner sein.

So ungleich die beiden Teams heute auch sein mögen, so viele Parallelen wiesen sie über die letzten Jahre auf. Sowohl Denver als auch Los Angeles waren im Draft 2016 auf der Suche nach ihrem Quarterback der Zukunft. Und beide glaubten ihn damals gefunden zu haben. Die Broncos drafteten Paxton Lynch, die Rams Jared Goff. Darüber hinaus führten beide Franchises im Frühjahr 2017 einen Coaching-Wechsel durch. Die Rams konnten Offensiv-Genie Sean McVay von sich überzeugen, die Broncos entschieden sich für den defensiv orientierten Vance Joseph. Darüber hinaus ließ Broncos-GM John Elway vergangenes Jahr den hoch angesehenen Wade Philipps gehen, Cornerback Aqib Talib folgte in diesem Sommer. Beide fanden bei den Rams ihr neues Zuhause.

2018 ähneln sich die Teams kaum noch. Während die Rams bereits in der vergangenen Saison ihre 13-jährige Playoff-Abstinenz beendeten und aktuell das wohl beste Team der NFL stellen, drohen die Broncos zum dritten Mal in drei Jahren die Postseason zu verpassen.

Elway findet keinen Quarterback

Die über fast 40 Jahre erfolgsverwöhnten Broncos-Fans zeigten ihre Frustration am vergangenen Sonntag deutlich. Mehr als 9.000 Plätze im Stadion blieben leer. Als die Rams ihre Führung auf 20:3 ausbauten, dürfte sich diese Zahl noch deutlich erhöht haben. Die vielleicht am meisten bejubelte Szene an jenem Abend war kein Touchdown oder Sack der Broncos, sondern der Moment, in dem Backup-Quarterback Chad Kelly kurz vor der Pause für einen Snap aufs Feld lief, da Starter Case Keenum wegen einer möglichen Gehirnerschütterung untersucht werden musste.

Keenum hat noch keine halbe Saison im Trikot der Broncos gespielt und scheint das Vertrauen der Fans schon wieder verloren zu haben. In nur sechs Spielen warf der 30-Jährige bereits mehr Interceptions als in der gesamten Vorsaison (acht). Aktuell wirkt Keenum seinen Texans- und Rams-Jahren näher als seinen starken Leistungen für die Vikings. "Das ist nicht das erste Mal, dass die Fans unzufrieden mit dem sind, was auf dem Feld, auf dem ich spiele, passiert", zeigt sich Keenum (noch) cool. "Sie sollten sauer sein, ich bin auch sauer. Wir müssen besser spielen. Wir können das jede Woche sagen, aber wir müssen es mal machen."

Mit jedem durchwachsenen Spiel von Keenum wächst auch der Druck auf Elway. Der 58-Jährige ist eine lebende Legende in der Mile High City. Zwei Mal holte er als Quarterback den Super Bowl nach Denver, ein Mal gelang es ihm als Manager. Und doch ist auch er nicht unantastbar. Bereits drei Spieler sollten nach dem Karriereende von Peyton Manning Denvers Quarterback der Zukunft werden. Zwei scheiterten krachend, der dritte ist gerade drauf und dran, dies ebenfalls zu tun.

Erst vergangene Woche wurde Elway am Rande des Spiels der Oregon Ducks gesichtet. Dass mit Justin Herbert das derzeit wohl größte College-Quarterback-Talent für die Ducks aufläuft, dürfte kein Zufall sein. Klar ist: Unzählige Chancen, den richtigen Quarterback für die Broncos zu finden, wird Elway nicht mehr bekommen.

Ein Sieg ist Pflicht

Noch (deutlich) heißer als Elways Stuhl dürfte allerdings der von Head Coach Vance Joseph sein. Dieser kündigte zuletzt an, selbst mehr Verantwortung, unter anderem im defensiven Play-Calling, übernehmen zu wollen. Die Umstellungen des 46-Jährigen fruchteten bislang allerdings allenfalls in Ansätzen. Mit nur sieben Siegen aus bisher 22 Spielen braucht Joseph schnellstmöglich Erfolgserlebnisse. Eine weitere Saison mit einem hohen Draft-Pick wird seine Coaching-Karriere (zumindest in Denver) nicht überleben.

Noch ist allerdings keine Zeit für Schnellschlüsse. Mit den Arizona Cardinals haben die Broncos im Thursday Night Game einen schlagbaren Gegner vor der Brust. Für Joseph und Co. ist es ein absolutes Must-Win-Game. Mit einer 3-4-Bilanz sähe es trotz brutalem weiterem Programm (@KC, HOU, @LAC, PIT, @CIN) zumindest ein wenig rosiger in der Mile High City aus. "Das Letzte, was wir machen sollten, ist die Hoffnung verlieren", erklärte Pass-Rusher Shane Ray nach dem Spiel gegen die Rams. "Wir haben noch jede Menge Zeit. Aber wir müssen jetzt mal irgendetwas geschafft bekommen."

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