NFL

Themenwoche: College Football und der Einfluss auf die NFL

Colin Kaepernick war mit dem Zone Read einer der gefährlichsten Quarterbacks der letzten Jahre.
© getty

Der Austausch zwischen College und NFL ist in den vergangenen Jahren intensiver geworden - mit der NFL eher als Nachahmer denn als Lieferer neuer Innovationen. Wie profitierte die NFL zuletzt, welche Muster lassen sich erkennen? Im Rahmen der großen College Football Themenwoche blickt SPOX auf das Wechselspiel zwischen College und der NFL - und wagt einen Blick in die Zukunft.

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Das Zitat könnte nicht mehr nach Grumpy Old Man klingen: "Ich denke, das ist die Mode des Tages. Wir werden sehen, was die Mode des Jahres ist. Wir werden sehen, ob die Leute daran festhalten, ihre Quarterbacks diesen Hits auszusetzen. Wir freuen uns jedenfalls, das zu stoppen. Wir freuen uns darauf, es zu eliminieren."

Niemand anderes als Pittsburghs Head Coach Mike Tomlin ist der Urheber dieses Zitats, angesprochen auf die gerade auf der Erfolgswelle surfende Zone-Read-Offense im Jahr 2013. Die Spread-Offense wurde lange als zu simple Offensive, in der die Receiver nur drei, vier Routes laufen, abgetan, die Triple Option als ein Relikt alter Tage, die Air-Raid-Offense als ein System, das zu fehleranfällig und in der NFL nicht konstant umsetzbar ist. Und so weiter, und so weiter.

Die immer wieder zum Ausdruck gebrachte Quintessenz vieler Coaches und Experten vor allem in den frühen 2000er Jahren: Nur eine "Pro Style Offense" kann auf Dauer in der NFL funktionieren, College-Offenses dagegen sind von Gimmicks und Tricks geprägte Konzepte, die man bei den Profis nicht braucht und daher auch darauf verzichten kann beziehungsweise sollte.

"Vor etwa zehn Jahren hatte jeder in der NFL im Prinzip die gleiche Offense. Irgendwie sah man überall die I-Formation, der Quarterback stand under Center - jeder machte die gleichen Dinge", brachte es SMU-Coach Sonny Dykes im Gespräch mit SB Nation auf den Punkt. Die NFL war zu jener Zeit in weiten Teilen stur, auf einige wenige Football-Grundideen bedacht.

Ausnahmen - etwa die sich ständig entwickelnden Patriots oder die Falcons mit Michael Vick - gab es selbstverständlich, dennoch wirkte NFL-Football in dieser Zeit nicht selten ein wenig wie Einheitsbrei. College-Spieler wurden zu häufig nicht gemäß ihrer im College gezeigten Stärken eingesetzt, stattdessen wurde versucht, sie in die "Pro-Style"-Konzepte zu zwängen. Dieses Phänomen lässt sich auch heute noch beobachten.

NFL: Pro-Style-Offense - was ist das noch?

Dabei ist es eigentlich längst an der Zeit, mit dem Mythos der Pro-Style-Offense aufzuräumen - und College-Elemente als das anzusehen, was sie einfach sein können: Elemente, nicht die Basis einer Offense. Längst ist die Shotgun-Formation, einst ein Inbegriff für College-Offense, in der NFL omnipräsent - die Los Angeles Rams waren in der vergangenen Saison das ligaweit einzige Team, das weniger als 400 Shotgun-Snaps verzeichnete (362 - Höchstwert: Chiefs mit 751).

Gleiches lässt sich für die Spieler auf dem Platz sagen: 21-Personnel (also zwei Running Backs, ein Tight End) ist in der NFL konstant auf dem Rückmarsch und von 20 Prozent (2010) auf sieben Prozent gefallen. Auch 12-Personnel (ein Running Back, zwei Tight Ends) hat sich bei unter 20 Prozent der Snaps eingependelt, während 11-Personnel - also Formationen mit drei Wide Receivern - von 2010 bis 2016 konstant von 40 auf 60 Prozent hoch gegangen ist; wenngleich hier die vergangene Saison eine statistische Anomalie war.

Vereinfacht gesagt: Wenn die Shotgun-Aufstellung längst ein zentraler Bestandteil einer jeden Offense und inzwischen nahezu jedes Team in über 50 Prozent der Fälle drei oder mehr Wide Receiver auf dem Platz hat (Chicago, New England und Tennessee waren die einzigen Ausnahmen 2017) sowie 11-Personnel in jeder NFL-Offense die prozentual primäre Aufstellung ist - es wäre richtiger, von "Pro-Style-Elementen" als von einer "Pro-Style-Offense" zu sprechen.

Kaepernick, RG3, Newton und Co. - der Zone Read

Vor einigen Jahren war dem noch nicht so und auch wenn mobile Quarterbacks - Mike Vick, Steve Young oder Randall Cunningham, um nur die drei vielleicht Besten dieses Fachs zu nennen - keineswegs eine neue Erfindung waren: auf dem NFL-Level schlugen sie zum Start des neuen Jahrzehnts ein wie eine Bombe.

Gewissermaßen markierte das den Übergang von dem bis auf wenige Ausnahmen eher unkreativen Jahrzehnt hin zu einem moderneren, offeneren Ansatz. Angefangen mit Cam Newton folgten schnell Robert Griffin III, mit seiner sensationellen Rookie-Saison in Washington, Russell Wilson in Seattle und Colin Kaepernick bei den 49ers.

Newton ist bis heute der Quarterback, der den Zone Read - also das Lesen eines Verteidigers nach dem Snap und abhängig davon entweder die Übergabe des Balls an den Running Back oder das eigene Loslaufen mit dem Ball - am konstantesten noch spielt. Wilson nutzt ihn ebenfalls. Bei Griffin beendeten vor allem Verletzungen größere Ambitionen und die Situation um den nach wie vor teamlosen Kaepernick dürfte weithin bekannt sein.

Kaepernick und RG3 waren es rückblickend auch, die am ehesten symptomatisch für das Strohfeuer des Zone Reads in der NFL standen; Kaeps 181 Rushing-Yards und zwei Rushing-Touchdowns im Playoff-Spiel gegen die Packers im Januar 2013 waren ein unfassbarer, historischer Auftritt.

Warum ist der College Football flexibler als die NFL?

Auch hier sollte man wieder differenzieren. Natürlich stellten sich NFL-Defenses besser auf die Zone-Read-Offenses ein, übrigens indem sie sich Hilfe bei College-Coaches holten. Das aber bedeutet mitnichten, dass das Konzept des Zone Reads nicht funktioniert oder gar schlecht ist; die Frage ist, wie man es einsetzt und wie der Quarterback damit umgeht. Ein Quarterback, der als Runner und als Passer gefährlich ist und sinnvoll eingesetzt wird, stellt eine Defense vor ganz neue Probleme. Auch in der NFL.

Im College ist das noch mehr der Fall, und der Grund dafür erklärt auch, warum auf dem College-Level nicht nur die Kreativität, sondern vor allem die Bereitschaft dazu, neue Dinge auszuprobieren, gemeinhin viel größer ist: Das Talent-Level ist schlicht nicht ansatzweise so hoch und nicht ansatzweise so ausgeglichen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jedes Team irgendwo Lücken und rein von den Spielern im eigenen Team her vergleichsweise klar definierte Stärken und Schwächen hat.

Diese Tatsache führte zur Rückkehr der eigentlich fast antiken Wildcat-Offense, in welcher der Quarterback aus dem Spiel genommen wird und der Running Back den direkten Snap erhält - eben für Teams, die einen schlechten Quarterback und ein dominantes Run Game haben. Es führte auch zur Kreation der Spread-Option-Offense, maßgeblich geprägt durch Urban Meyer, um seinen besten Spielern den Ball häufiger zu geben.

Und manchmal half dabei auch der Zufall.

Die Entstehung des Zone Reads

Der Zone Read wie er heute gespielt wird geht für viele auf Rich Rodriguez, zuletzt Head Coach der University of Arizona, zurück - der selbst aber nie einen Hehl daraus machte, dass hier der Zufall eine ganz entscheidende Rolle spielte.

Der Entstehungs-Mythos, wenn man so will, geht so: Früh in seiner Trainerkarriere coachte Rodriguez Glenville State, ein kleines College weit weg von den landesweit beachteten Topteams. Während einer Trainingseinheit kam es bei einer geplanten Ballübergabe von Quarterback Jed Drenning an den Running Back zu einem Missverständnis, so dass Drenning kurzerhand den Ball zurückzog und selbst damit loslief.

Auf Rodriguez' Nachfrage erklärte Drenning: "Der Defensive End zog in die Mitte, also habe ich den Ball behalten." Rodriguez staunte kurz, natürlich ohne es sich anmerken zu lassen, und kündigte kurzerhand an, dass dieser Spielzug für die nächste Woche ins Playbook aufgenommen wird.

Heute ist der Zone Read insbesondere aus dem College Football nicht mehr wegzudenken, und auch für einige NFL-Teams ist er ein fester Bestandteil. Noch größer aber ist derzeit der Einfluss eines anderen "College-Elements", das in der NFL im Vorjahr so richtig Feuer fing.

Die Run Pass Options verändern das Spiel

Wer heute an Auburns Sieg über Alabama 2013 zurückdenkt, der denkt vor allem an eine Sache: Den "Kick Six". In letzter Minute versuchte Bama, durch ein Field Goal noch zu gewinnen. Doch der zu kurze Kick wurde von Auburn zum Game-Winner zurückgetragen, eine unglaubliche Szene!

In puncto Dramatik konnte der Pass, der zuvor zum 28:28-Ausgleich für Auburn gesorgt hatte, nicht ganz mithalten. In puncto "langfristiger Effekt" aber sehr wohl.

Zunächst sah alles nach einem normalen Zone Read aus: Nick Marshall bekam den Snap und als die Defense die Mitte zumachte, zog er ihn vom Running Back wieder weg. Alabamas Verteidiger erwarteten jetzt - was sollte man auch sonst erwarten - einen Run von Marshall selbst und attackierten dementsprechend die Line of Scrimmage, als Marshall nach links zog.

Doch dann passierte es: Über die heraneilenden Verteidiger warf Marshall den Ball zum jetzt völlig freien Sammie Coates, der in die Endzone spazierte.

Touchdown, Ausgleich und Auburn-Coach Gus Malzahn hatte gerade den Football verändert.

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