NFL

Ein Raubtier mit vielen Zähnen

Die Offense der Atlanta Falcons war die imt Abstand beste dieser Saison
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2. Das Passspiel - Vielfalt ist Trumpf und Platz über die Mitte

Rub Routes, Bunch- und Stack-Formations, Switch-Routes - vieles in Atlantas Passing Game, das wird auf Tape mehr als deutlich, ist darauf ausgelegt, über das Scheme freie Receiver in der Secondary zu schaffen. Somit ist es nur eine logische Folge, dass die Falcons darauf aufbauend den Ball verteilen. Und das exzessiv.

Vielfalt ist Trumpf:

2015 noch war Julio Jones der Mittelpunkt der Offense, 33 Prozent von Ryans Pässen flogen in seine Richtung. Diese Zahl schrumpfte in dieser Saison auf 24 Prozent, und mit Touchdown-Pässen zu 13 verschiedenen Receivern stellten die Falcons einen neuen NFL-Rekord auf. Zehn Falcons-Spieler verzeichneten insgesamt mehr als zehn Catches und mehr als 200 Yards.

Das ist selbstredend auch Patriots-Coach Bill Belichick nicht entgangen: "Etwas, das sehr stark auffällt, ist ihr Team-Speed. Sie haben viele schnelle Spieler und sind explosiv, darüber hinaus setzen sie viele verschiedene Spieler ein. Das ist ganz anders als bei Pittsburgh, das im Prinzip die komplette Partie über die gleichen Spieler eingesetzt hat."

In der Folge kann Ryan den Ball nicht nur personell, sondern auch auf den Platz gesehen verteilen. Bei Pässen von über 20 Yards etwa steht er in dieser Saison nach links bei 366 Yards und sechs Touchdowns, mittig bei 420 Yards und fünf Touchdowns sowie rechts bei 420 Yards und einem Touchdown. Und die Vielfalt geht noch weiter, denn sie betrifft auch die Formationen.

So glänzten die Falcons etwa, indem sie Defenses aus vermeintlichen Run-Formationen durch die Luft attackierten - besonders gerne aus 13-Personnel. "13" bedeutet, dass ein Running Back und drei Tight Ends auf dem Platz stehen, eine typische Lauf-Formation. Atlanta aber warf daraus zu gerne Pässe, mit beeindruckender Statistik: 24 seiner ersten 29 Pässe brachte Ryan aus 13-Personnel an den Mitspieler, ehe sich Tight End Jacob Tamme verletzte und die Formation danach etwas seltener genutzt wurde.

Und nicht nur das: Shanahan versteht es auch exzellent, aus sehr ähnlich aussehenden Formationen mit dem gleichen Personal auf dem Platz unterschiedlichste Spielzüge anzusagen. Als Beispiel muss man nur auf das Spiel gegen Green Bay zurückschauen, etwa als Atlanta das Spiel mit drei Spielzügen aus 12-Personnel (ein Running Back, zwei Tight Ends) mit je sehr ähnlicher Aufstellung eröffnete, und drei komplett unterschiedliche Plays (ein Run, ein kurzer Pass links in die Flat und ein langer Pass nach rechts) aufs Parkett brachte.

Die Mitte, Matchups und Julio:

Gleichzeitig allerdings gilt festzuhalten, dass auch Atlantas Offense nicht in jederlei Hinsicht komplett ausgeglichen ist - es gibt durchaus einige Tendenzen. Zwar mag Jones nicht mehr der Fixpunkt der Offense sein, seine 1.409 Yards in der Regular Season bei 17 Yards pro Catch sind dennoch beachtlich. Darüber hinaus ist er nach seiner 180-Yard-Gala im Championship Game gegen Green Bay der erste Receiver überhaupt mit mehreren 150-Yard-2-TD-Spielen in den Playoffs.

Seine 3,23 Yards pro Route sind zudem der Liga-Höchstwert dieser Saison, Jones kann nach wie vor jederzeit individuell innerhalb des Schemes den Unterschied ausmachen. Gleichzeitig helfen ihm Shanahans Plays dabei, nicht ständig zwei Gegenspieler gegen sich zu haben. Und falls das doch passiert, geht der Read seine Quarterbacks ganz natürlich vom Scheme gefördert und gefordert - mitunter auch schon vor dem Snap - in eine andere Richtung.

Julio Jones im Porträt: Teamplayer, Leisetreter, Alleskönner

Eine weitere erkennbare Tendenz ist Ryans Vorliebe für die Mitte des Feldes. Von seinen 5.674 Yards in den bislang 18 Spielen dieser Saison kamen 3.353 über die Mitte zustande, wo Ryan auch 332 seiner 576 Pässe (Throwaways nicht einberechnet) hin feuerte. Auch hier dient das Championship Game gegen die Packers als gute Veranschaulichung. Das klingt zunächst wie eine mögliche Schwäche und ein potentieller Ansatz für Belichick, und womöglich ist es letzteres auch. Zu einem gewissen Grade jedoch ist es auch gewollt.

Shanahan nämlich versteht es extrem gut, Spieler über die Mitte des Feldes frei zu bekommen. Das macht er etwa mit einer Kombination aus Vertical- und Underneath-Routes, also Plays, bei denen mehrere Spieler Richtung gegnerischer Endzone laufen, während einer oder zwei die Mitte des Feldes attackieren.

Das zieht die Defense auseinander und ermöglicht gute Matchups für die Offense. Ein Beispiel hierfür gab es im Playoff-Spiel gegen Seattle, als die Vertikal-Underneath-Kombination darin endete, dass ein Defensive End Running Back Devonta Freeman decken musste - das Resultat? Ein 53-Yard-Pass über die Mitte auf Freeman.

Bleiben noch zwei zentrale Elemente: Matchups und Play Action. Ersteres schließt direkt an den vorherigen Punkt an - Shanahan war in dieser Saison besser als jeder andere Play-Caller, wenn es darum ging, gegnerische Schwächen zu attackieren. So griff er beim Auswärtssieg in Denver gezielt die Broncos-Linebacker in Coverage an, während er in beiden Spielen gegen die Seahawks immer wieder die Zonen der Zone-Coverage mit mehreren Spielern überlud.

Play Action ist derweil ein unverkennbares Stilmittel in der Shanahan-Offense: Aus typischen Zone-Running-Aufstellungen gibt es den angetäuschten Lauf mit anschließendem Pass. Ryan spielte in der vergangenen Saison bei 27,6 Prozent seiner Dropbacks einen Play-Action-Pass - Ligahöchstwert. Auch das funktioniert aus Run-Look-Formationen, etwa mit mehreren Tight Ends, umso besser und ermöglicht beispielsweise Jones weitere Einzel-Matchups.

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