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"Ich bin ein Comedian für Erwachsene"

Pat McAfee spielt seit 2009 für die Indianapolis Colts
© getty

Die Indianapolis Colts haben eines der spannendsten Special-Team-Duos: Kicker Adam Vinatieri ist der älteste Spieler der NFL, Pat McAfee einer der exzentrischsten Punter: Ob ein eigenes Comedy-Programm, Stadion-Besuche beim FC Bayern, Trikot-Verkaufs-Theorien oder aber seine Wrestling-Pläne für die Zukunft - im SPOX-Interview lässt McAfee hinter die Kulissen blicken, erklärt den berühmten Fake Punt und verrät zudem, was er von Andrew Lucks Buchklub hält.

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Disclaimer: Das Interview wurde kurz vor dem Colts-Spiel gegen die Texans am Sonntag aufgezeichnet, weshalb McAfee mit Blick auf den weiteren Saisonverlauf noch vergleichsweise optimistische Aussagen getroffen hat.

Pat McAfee: (auf Deutsch) Guten Tag, Amigo!

SPOX: Mr. McAfee! Wie geht es Ihnen, sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Saisonverlauf?

McAfee: Zu Saisonbeginn hatten wir noch ein klein wenig "Wachstumsschmerzen", wir wussten nicht genau, welche Art Team wir sein wollen. Aber über die letzten Wochen, abgesehen vom Spiel gegen die Steelers, haben wir unseren Rhythmus gefunden und wir hoffen, dass die Saison positiv für uns endet.

SPOX: Darunter war auch der deutliche Sieg bei den Jets, zur Primetime - wie war das für Sie, vor einem halbleeren Stadion zu spielen? Am lautesten wurde es noch, als zwei Fans aufs Spielfeld gerannt sind ...

McAfee: Monday Night Football ist etwas, auf das man sich immer freut. Seitdem wir Kinder waren, ist Monday Night Football eine Art wöchentlicher Feiertag. Jeder freut sich darauf. Und wir haben in New York gespielt, was sehr cool ist. Für uns war es wichtig, das Spiel zu gewinnen - aber so wie die Partie gelaufen ist, und es war auch etwas kühl, haben die Fans das Stadion früh verlassen. So läuft es eben in der NFL! Und ganz klar: Immer, wenn Fans aufs Feld stürmen, und dann von den Ordnern über den Haufen gerannt werden, sorgt das für etwas zusätzliche Unterhaltung. Aber für uns war es ein tolles Spiel und wir hoffen, dass jede weitere Partie so endet.

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SPOX: Sie haben ja ohnehin schon einiges mit den Colts erlebt: Gleich als Rookie der Einzug in den Super Bowl, dann die Saison ohne Peyton Manning, in der Indianapolis beinahe jedes Spiel verloren hat, der Kampf von Head Coach Chuck Pagano mit dem Krebs, der Start der Andrew-Luck-Ära, und so weiter. Gibt es da einen Moment, der besonders hängen geblieben ist?

McAfee: Ich würde sagen, das für mich denkwürdigste Erlebnis war der Moment, als ich im Super Bowl als Rookie den Kick-Off machen durfte. Das ist so ein riesiger Moment, und ich fühle mich so glücklich, da dabei gewesen zu sein. Aber meine gesamte Karriere ist bislang ein lustiger Ritt. Ich darf jeden Tag mit Adam Vinatieri zusammenarbeiten, in meiner Rookie-Saison hätten wir jedes Spiel gewinnen und zwei Jahre später jedes Spiel verlieren können. Es ist eine irre Achterbahnfahrt. Zu sehen, wie Chuck den Krebs besiegt hat, war natürlich wirklich cool und zu sehen, wie sich Andrew Luck entwickelt hat macht wirklich Spaß - ich schätze mich sehr glücklich, eine solche Karriere haben zu dürfen, ich genieße jede einzelne Sekunde. Aber der Kick-Off im Super Bowl war der coolste Moment.

SPOX: Da Sie es schon erwähnt haben: Wie ist es für Sie, mit dem ältesten Spieler in der NFL (Kicker Adam Vinatieri, d. Red.) zusammen zu arbeiten?

McAfee: Adam ist ein super Typ. Er ist genau das, was du dir von einem Superstar erhoffst: Er arbeitet hart, er ist demütig, er ist ein Familienmensch. Wir mögen zwar vom Alter her weit auseinander liegen, aber von der Persönlichkeit her sind wir uns recht ähnlich. Wir kommen gut miteinander aus. Er hat mich besser gemacht, und ich denke, ich habe ihn auch besser gemacht. Wir hatten jetzt die Serie mit den meisten verwandelten Field Goals in Folge, es ist fantastisch, mit ihm zusammen zu arbeiten. Die Chance, seine Bälle zu halten, ist fantastisch. (lacht)

SPOX: Was ist mit den beiden Quarterbacks - wo gibt es Ähnlichkeiten, wo Unterschiede zwischen Peyton Manning und Andrew Luck?

McAfee: Peyton und Andrew sind in meinen Augen zwei sehr verschiedene Typen. Als ich hier her kam (2009, d. Red.), war Peyton im Prinzip der Boss von allem. Er war der Boss im Training, er war der Boss im Kraftraum, er war in gewisser Weise der Team-Geschäftsführer, wenn man so will. Und jetzt sieht man so langsam, wie Andrew diesen Pfad ebenfalls einschlägt. Er ist jetzt in seinem fünften Jahr in der NFL und ist reifer geworden. Wir haben ihm gerade 25 Prozent des Salary Caps pro Jahr gegeben, deshalb ist es jetzt sein Job, dieser Boss zu sein. Und ich denke, wenn sich Andrew weiter entwickelt, wird er mehr und mehr wie Peyton werden, den ich ja nur am Ende seiner Colts-Karriere noch erlebt habe. Aber wir sprechen über zwei extrem schlaue Menschen, zwei unglaublich gute Football-Spieler, die den Wettkampf lieben und die beide eines Tages in der Hall of Fame sein werden.

SPOX: Davon gehe ich auch aus, ja. Anderes Thema: Sie haben in der High School Fußball gespielt, waren in der High School und im College auch Kicker - wie unterschiedlich ist es, als Fußballer und dann als Football-Kicker gegen den Ball zu treten? Hier in Europa hört man immer wieder von Fußballern, die sich gerne im American Football ausprobieren wollen, aber wie groß ist der Unterschied tatsächlich?

McAfee: Ja, viele Leute denken, dass man, wenn man ein guter Fußballer ist, automatisch auch ein guter Football-Kicker sein muss. Aber das sind zwei grundverschiedene Bewegungen. Einige meiner Freunde waren gute Fußballer, haben aber den Schwung des Beins nicht richtig hinbekommen. Man führt den Schwung in gewisser Weise nicht durch den Ball, wie beim Fußball, sondern muss eher unter den Ball kommen, es ist auch eine andere Bewegung mit der Hüfte. Ich denke, Fußball hilft, weil es die Muskulatur im Bein trainiert. Aber die richtige Technik zu erlernen kostet viele Jahre des Trainings.

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SPOX: Haben Sie denn ein Fußball-Team, das Sie verfolgen oder verfolgt haben?

McAfee: Ich war tatsächlich schon einmal bei einem Spiel von Bayern München! Ich habe damals über ODP (eine Sport-Austausch-Organisation in den USA, d. Red.) in Deutschland, Frankreich und der Schweiz ein wenig Fußball gespielt, und wir bekamen die Gelegenheit, zu einem Bayern-Spiel zu gehen - das war unglaublich! Nach meiner Rookie-Saison hatte Bayern ein wichtiges Spiel gegen Manchester United (das Champions-League-Viertelfinale 2010, d. Red.), und ich war zufällig in München, als sie das Spiel gewonnen haben! Also hatte ich die Chance, das vor Ort zu feiern. Ich bin kein großer Fußball-Fan, aber ich würde sagen, dass ich die stärkste Verbindung zu Bayern München habe.

SPOX: Wie sieht denn das tägliche Training bei Ihnen aus? Gibt es etwas, an dem Sie täglich gezielt arbeiten?

McAfee: Der große Unterschied zwischen dem Kicken eines Fußballs und dem Kicken eines Footballs ist der: Beim Football legt man immer alles in einen Schuss rein. Alles ist bei 100 Prozent, man schießt den Ball so hart man kann. Deshalb wird das reguliert, ich kicke drei Mal pro Woche und arbeite drei Mal pro Woche im Kraftraum. Dann gibt es noch Workouts, bei denen ich vor allem an der Explosivität arbeite. Bei den tatsächlichen Kick-Einheiten schieße ich etwa 75 Bälle.

SPOX: Eine Frage, die ich Ihnen leider nicht ersparen kann: Der berüchtigte Fake Punt gegen die Patriots in der vergangenen Saison. Was genau war da der Plan, was ging letztlich schief?

McAfee: Dieser Fake war, wie man so schön sagt, ein Kommunikationsfehler. Der Snap hätte eigentlich überhaupt nicht erfolgen sollen. Allerdings ist genau das passiert und das Resultat daraus hätte nicht viel katastrophaler ausfallen können. Wir hatten gehofft, dass den Patriots eventuell ein Fehler bei den Auswechslungen unterläuft, so dass wir sie mit zu vielen Spielern auf dem Platz erwischen und dadurch fünf freie Yards sowie ein First Down abstauben. Aber als der Snap erfolgte, ging das natürlich nach hinten los. In diesem Sport reicht ein Kommunikationsfehler, und schon können miese Dinge passieren. Und genau das konnte bei diesem Play jeder sehr anschaulich beobachten.

SPOX: Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch positive Plays, in jüngster Vergangenheit etwa Ihr Fake Punt gegen die Steelers, aber auch ausgedehnte Jubel-Szenen und dergleichen. Generell gibt es diese Entwicklung, dass Punter und Kicker mehr und mehr ins Rampenlicht treten - Marquette King und Justin Tucker fallen dabei neben Ihnen spontan ein. Woran liegt das in Ihren Augen?

McAfee: Ich selbst feiere meine Punts jetzt schon seit fünf oder sechs Jahren, ich würde es vielleicht so erklären: Wir stecken da wirklich viel Arbeit rein, ich selbst arbeite sehr hart daran, den Ball genau an den richtigen Spot kicken zu können. Field Position ist ein unfassbar wichtiger Teil unseres Spiels, auch wenn darüber in dieser Fantasy-Football-Welt nicht allzu viel gesprochen wird. Aber ich arbeite hart, und jemand wie Marquette arbeitet ebenfalls hart. Und wenn es uns gelingt, das gegnerische Team mit einem Kick etwa dazu zwingen, den Drive nahe an der eigenen Endzone zu beginnen, ist das für mich ein Grund zum Feiern! Ich denke, der größte Unterschied zwischen Kickern und Puntern heute gegenüber Kickern und Puntern in der Vergangenheit ist der: Früher waren es meist nicht gerade athletische Jungs, die ihren Job nicht allzu ernst genommen haben. Aber heutzutage, wo Kameras alles einfangen, versuchst du alles, um einen der wenigen Jobs, die es in der NFL gibt, zu ergattern und zu behalten. Und je stärker und athletischer man ist, desto besser ist die Chance, einen dieser Jobs zu bekommen. Diese Entwicklung sieht man in meinen Augen im Moment. Deshalb sind Punter und Kicker besser als früher.

SPOX: Und wenn man diese kleinen Einlagen hat, wird man natürlich auch eher wahrgenommen, die Leute merken, dass man gute Arbeit leistet - und trotzdem habe ich gelesen, dass Sie ein ESPN-Reporter vor erst einigen Wochen mit Matt Overton (Long Snapper der Colts, d. Red.) verwechselt hat. Stimmt das? Und haben Sie ihn direkt darauf aufmerksam gemacht, oder es erst im Laufe des Gesprächs gemerkt?

McAfee: Nein, ich habe ihm die Fragen ehrlich beantwortet: Dass ich keine Ahnung habe, wie es ist, den Ball zu snappen! (lacht) Aber so ist es eben ... manchmal werde ich nicht unbedingt respektiert. Ich bin gebaut wie eine Zündkerze und ein kleiner, weißer Typ, das ist nun mal die Wahrheit und hat mir als Charakterschule gedient. Aber dass ein Typ von ESPN, dessen Job es ist, zu wissen, wen er interviewt, mich mit unserem Long Snapper verwechselt, war eine der lustigsten Szenen meines Lebens.

SPOX: Dabei war Ihr Trikot vor gar nicht allzu langer Zeit einer der Top-Seller im Colts-Fan-Shop, für eine Weile sogar das am meisten verkaufte Trikot nach dem von Andrew Luck!

McAfee: Ja, die Leute hier in Indianapolis scheinen mich zu mögen! Die Colts bieten mein Trikot seit etwa zwei Jahren zum Verkauf an, ich hätte also wesentlich mehr Trikots verkaufen können - aber weil ich vor sechs Jahren festgenommen wurde (wegen öffentlicher Trunkenheit, die Colts suspendierten McAfee auch für ein Spiel, d. Red.) hat sich das Team eine Weile lang dagegen entschieden, mein Trikot anzubieten. Deshalb schätze ich mich jetzt sehr glücklich, dass ich in dieser Stadt so beliebt bin und die Fans mein Trikot mögen. Ich glaube, die Colts verdienen viel Geld damit, also ist es gut für das Team, und mir selbst gibt es das Gefühl, hier zuhause zu sein, obwohl ich aus Pittsburgh komme.

SPOX: Und es ist ja auch nichts alltägliches, im Stadion so viele Punter-Trikots zu sehen.

McAfee: Was ich da vielleicht noch einwerfen müsste: Die Zahl "1" lässt Leute glaube ich auch schlanker aussehen, weil es eine lange, dünne Zahl ist. Das sollten wir als möglichen Kaufgrund nicht ausschließen. Aber ich freue mich, dass so viele Leute viel Geld für die Trikots ausgeben, die lächerlich teuer sind.

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