NFL

Angst und Schrecken!

Dick Butkus verzeichnete in seiner Karriere 27 Fumble-Recoveries und 22 Interceptions
© imago

Er war der vielleicht größte Linebacker aller Zeiten, auch wenn Verletzungen seine Karriere verkürzten. Doch wenn er auf dem Platz stand, war Dick Butkus der erste Bote von Angst und Schrecken für jeden Gegenspieler. Butkus perfektionierte die Kunst, Gegnern Furcht einzuflößen und ist bis heute das Sinnbild einer komplett anderen Ära. Die Geschichte des Mannes, der Chicagos Herz und Gesicht wurde - auch wenn ihm der Titel für seine geliebte Heimatstadt nie gelang.

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Angst hat auf dem Football-Feld nichts verloren. Angst lähmt. Angst lässt einen den entscheidenden Bruchteil einer Sekunde zögern. Angst gibt dem Gegner einen unschätzbaren Vorteil.

Niemand wusste das besser als Dick Butkus - abgesehen vielleicht von Dick Butkus' Gegenspielern.

"Wenn ich zum Aufwärmen aufs Feld kam, dann habe ich mir Sachen eingebildet, um wütend zu werden", erklärte er einst. "Wenn beispielsweise jemand aus dem anderen Team gelacht hat, habe ich mir vorgestellt, dass er über mich oder die Bears lacht. Ich habe immer etwas gefunden, um wütend zu werden. Ich wollte, dass mein Gegenspieler weiß, dass er gerade einen Hit kassiert hat. Und wenn er aufsteht sollte er schauen, wer ihn gerade umgehauen hat."

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Über Jahre waren im kalten, verregneten Chicago auf matschigem Feld Butkus' Hits das Highlight. Jener krachende Moment, wenn der Linebacker wieder einen Gegenspieler mit voller Wucht umhaute und danach noch einige Worte in dessen Richtung hinterher schob. "Der härteste Hit, den ich jemals kassiert hab", ächzte Lions-Tight-End Charlie Sanders noch Jahre später.

Und Butkus wusste genau, was er tat. "Wenn du es schaffst, deinen Gegner einzuschüchtern, macht es deinen Job einfacher", verriet er bei IBD, "und irgendwie habe ich genau das geschafft. Angst bedeutet, dass dein Selbstvertrauen sinkt. Ich will jedenfalls nicht, dass meine Gegenspieler selbstbewusst sind. Also habe ich versucht, dafür zu sorgen, dass sie Angst vor mir haben."

High-School-Rache als Aha-Erlebnis

Es war eine Lektion, die Butkus schon früh gelernt und nie wieder vergessen hatte. Während eines Jugend-Baseball-Spiels spuckte ein Gegner Butkus an, Jahre später sollten sie sich wieder treffen: Jener Junge war inzwischen der Quarterback der gegnerischen High School, und Butkus machte Jagd auf ihn.

Mehrere Sacks und mehrere Fumbles verursachte der wütende Linebacker. Die Lektion die er mitnahm, war jedoch eine eiskalt kalkulierte, wie Butkus in seiner Biographie "Butkus: Flesh and Blood" schrieb: "Nach dem ersten Hit merkte ich, dass sich etwas in seinen Augen veränderte. Sie wurden etwas glasig und mir fiel auf, dass er mich für den Rest des Spiels vor jedem Play suchte. Mir wurde der Nutzen von Einschüchterung klar und ich habe diese Taktik studiert und in eine Kunstform umgewandelt."

"Ich war hart"

Dass Butkus' Weg ihn in die NFL führte, überraschte niemanden in seiner großen, aus Litauen stammenden, Arbeiter-Familie. Schon in der fünften Klasse eröffnete Butkus jedem, der es wissen wollte, dass er eines Tages "ein Profi-Football-Spieler" sein werde: "Es hieß, dass man leidenschaftlich sein müsste. Ich war leidenschaftlich. Und es hieß, dass man hart sein musste. Ich war hart."

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Er nahm einen langen Weg zur High School auf sich, um unter einem besseren Coach zu spielen. Er lernte den Sport als Fullback und Linebacker gleichzeitig. Er trainierte mit seinen Mitspielern lange nach dem Training, wenn die Sonne über der Windy City nur mit letzter Kraft noch ein wenig Licht bereitete - gerade genug, um an Tackling-Feinheiten zu arbeiten und den besten Weg zu ermitteln, um Fumbles zu verursachen.

Weil er zunehmend auf verschiedenen Positionen eingesetzt wurde, lernte er zusätzlich die Feinheiten und Aufgaben etwa von Offensive Linemen - auch wenn Butkus mit seinem verschmitzten Grinsen zugab: "Guard zu spielen war nicht gerade die Erfüllung meiner Träume."

"Football ist alles für ihn"

Die Ironie des Schicksals wollte es, dass die Offensive Line Butkus selbst am College nicht losließ: Der Linebacker wurde noch als Center eingesetzt - ein Ausdruck der enormen Wertschätzung seiner Coaches.

Es dauerte nur zwei Trainingseinheiten, ehe sich der Youngster in Illinois zum Leader aufgeschwungen hatte und die Kiefer seiner Coaches reihenweise nach unten klappten. Butkus kam nach Illinois mit der Ankündigung, das Team in den Rose Bowl zu führen. 1963 gelangen ihm in einer herausragenden 145 Tackles sowie zehn Forced Fumbles und Illinois schlug Washington im Rose Bowl.

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"Football ist alles für ihn", erklärte Illinois-Coach Pete Elliott damals: "Wenn wir ein Training, aus welchen Gründen auch immer, ausfallen lassen müssen, wird er richtig sauer und ist niedergeschlagen. Er lebt für diesen physischen Kontakt."

Für den Unterricht dagegen hielt sich die Begeisterung vergleichsweise in Grenzen. "Wäre ich schlau genug, um ein Doktor zu werden, dann würde ich ein Doktor werden. Aber das bin ich nicht. Deshalb bin ich Football-Spieler", ließ Butkus zum Entsetzen seiner Schule verlauten. Illinois forderte daraufhin eine öffentliche Entschuldigung.

Ein Schüler des Spiels

Dabei würde man Butkus Unrecht tun, würde man ihn als sturen Hitter mit Scheuklappen für alles andere abstempeln. Der College-Superstar kam schon mit einem beeindruckend hohen Spielverständnis in die NFL, verfügte über enorme Athletik und wurde ob seiner Geschwindigkeit als Sideline-to-Sideline-Verteidiger eingesetzt. Butkus konnte es in Coverage mit den besten Tight Ends und Running Backs aufnehmen und all das bei einer Größe von 1,90 Metern und einem Gewicht von rund 110 Kilogramm - damals eher gewöhnliche Werte für Offensive Linemen.

In der NFL studierte er vor jedem Spiel seine Gegner bis ins kleinste Detail und immer wieder fielen ihm dabei Vorteile auf: "Manche Jungs schauen direkt vor dem Snap dahin, wo sie hinlaufen wollen. Du schaust ihnen in die Augen und liest sie. Das hat wirklich oft geklappt und ich konnte es kaum glauben. Ich habe das schon in der High School und im College gemacht und war mir eigentlich sicher, dass das bei den Profis anders sein würde. Aber dem war nicht so. Es gab immer noch Jungs, die verraten haben, was zum Teufel sie machen wollten."

Sein enormes Talent machte ihn 1965 gar zum zweifachen Top-Draft-Pick: Aus der NFL hatten die Chicago Bears an Nummer 3 zugeschlagen, in der damals mit der NFL konkurrierenden AFL boten die Denver Broncos Butkus einen Vertrag an. Der Linebacker entschied sich für den finanziell schlechteren Deal in seiner Heimatstadt Chicago - und ging seine Profi-Karriere mit einem klaren Ziel an: "Ich will als der Beste angesehen werden. Wenn jemand von einem "All-Pro Middle Linebacker" spricht, dann sollen sie "Butkus" meinen."

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