NFL

"Der größte Sportler der Welt"

Jim Thorpe war der Ausnahme-Athlet des frühen 20. Jahrhunderts
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Das Problem mit dem Höhepunkt liegt schon im Wort selbst: Früher oder später geht es auf die eine oder andere Art und Weise bergab. Für Thorpe begann dieser Abstieg zumindest teilweise bereits 1913, scheinbar noch ganz oben. Doch der Reihe nach.

Pop Warner hatte seinen jungen Ausnahmetalenten 1909 und 1910 jeweils im Sommer zu einem befreundeten Baseball-Coach geschickt, damit der fit und vor allem in einer festen Struktur blieb. Warner fürchtete, dass sein Schützling andernfalls schnell wieder aus den mühsam antrainierten Abläufen ausbrechen könnte. Thorpe kassierte pro Spiel zwei Dollar - und genoss die Zeit. Ironischerweise waren diese Jahre rückblickend der Beginn des Abstiegs.

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Thorpe, auf einmal mit einem festen Einkommen, entdeckte den Alkohol für sich und sah in seinem Engagement kein Problem: Im Gegensatz zu anderen College-Athleten benutzte er keinen falschen Namen. Das war eigentlich Gang und Gäbe, denn mit dem Gehalt wurden die Regeln des Amateur-Sports verletzt und eine Rückkehr war nicht mehr möglich.

1913 fand das Olympische Komitee genau das heraus und machte daraus einen riesigen Skandal. Die amerikanischen Verantwortlichen kannten Thorpes Baseball-Vergangenheit selbstverständlich, mussten aber reagieren - und machten den Superstar zum prominenten Sündenbock, an dem ein Exempel statuiert wurde. Thorpe, aufgrund seiner Herkunft bis 1918 noch kein amerikanischer Staatsbürger, bekam die Goldmedaillen aberkannt, sein Name wurde aus den Rekordbüchern gestrichen.

Es war eine extrem harte Entscheidung, die Thorpe nicht begreifen konnte. Wie so häufig sah er den Ausweg im Sport.

Auf dem Weg in Richtung NFL

Das Baseball-Team der New York Giants bot ihm einen Vertrag an, Thorpe unterschrieb für drei Jahre und wechselte 1917 zu den Cincinnati Reds, ehe er zu den Giants zurückkehrte. Wie schon zuvor reichte ihm ein Sport aber nicht, parallel drückte er auch dem professionellen Football seinen Stempel auf: Von 1915 bis 1920 im Trikot der Canton Bulldogs, die sich 1916, 1917 und 1919 den Titel sicherten, und für die Cleveland Indians 1921 sowie anschließend für die Oorang Indians und die Chicago Cardinals.

Allerdings sollte - in Anbetracht seiner herausragenden Leistungen auf dem Feld einer gewissen Ironie nicht entbehrend - Thorpes großer Einfluss auf den Football nach dem College nicht mehr in seinem sportlichen Ausnahmetalent liegen. Um 1919 hatte Profi-Football noch einen schlechten Ruf. Wenige College-Stars entschieden sich tatsächlich für eine Profi-Karriere, das Interesse und die Bezahlung waren schlecht. Der Sport brauchte einen Helden, einen Superstar. Und das war Thorpe.

Das Multi-Talent lockte die Zuschauer ins Stadion, die Unterschiede waren enorm: Rund 1.200 Fans kamen damals ohne Thorpe-Beteiligung im Schnitt zu den Spielen, mit Thorpe lag der Schnitt zwischen 8000 und 10.000. So wuchs Profi-Football zunehmend rapide an und die Rufe nach einer gemeinsamen Liga sowie einheitlichen Regeln wurden immer lauter.

14 Teams trafen sich 1920 schließlich in Canton und gründeten die American Professional Football Association - ein enormer Schritt auf dem Weg in Richtung Football, wie wir ihn heute kennen. Thorpe, noch immer aktiver Spieler, wurde zum ersten Präsidenten und somit zum Gesicht der NFL gewählt. Der Sport erlangte auch auf dem Profi-Level über Thorpe, der kein einziges Spiel verletzt verpasste und Canton im Alleingang zum Titel-Favoriten gemacht hatte, eine ganz neue Bekanntheit und Beliebtheit.

Depressionen, Alkohol, Tragik

Im Alter von 41 Jahren beendete Thorpe 1929 seine aktive Karriere und ohne den Sport als Mittelpunkt suchte er händeringend nach Alternativen. Der einstige Superstar ging nach Kalifornien, um im Film unterzukommen. Mehrfach bekam er Indianer-Rollen in den damals beliebten Western-Filmen - in insgesamt 59 Filmen war er zu sehen - wenngleich ihm die Art und Weise, wie Indianer porträtiert wurden, nie gefiel und er sich schnell dafür einsetzte, dass Schauspieler indianischer Herkunft genauso bezahlt werden sollten wie weiße Schauspieler.

Seine Alkohol-Probleme wurden derweil signifikant schlimmer, Thorpe war immer wieder in Schlägereien verwickelt und hielt sich teilweise mit Tagelöhner-Jobs über Wasser. Sein erster Sohn verstarb, Depressionen setzten ein und seine beiden ersten Ehen gingen in die Brüche. Über weite Strecken war es kein einfaches Leben, als der Sport schrittweise aus seinem Leben verschwand.

"Kein Indianer könnte das vergessen"

Am 28. März 1953 verstarb Thorpe infolge eines Herzinfarkts. In den Medien wurde selbst der Nachruf für einen "herausragenden Sportler" und "größten Athleten unserer Zeit" (New York Times) noch von den aberkannten Medaillen geprägt - etwas, das auch Thorpe noch bis zu seinem Tod begleitete. Das sollte noch fast 30 Jahre lang anhalten, 1982 wurden ihm seine Medaillen schließlich posthum wieder zugeschrieben und das internationale olympische Komitee gab ihm die Einträge in die Rekordbücher zurück.

Vor seinem Tod reiste Thorpe noch einige Jahre durch das Land und engagierte sich als öffentlicher Sprecher für die amerikanischen Ureinwohner: "Ich habe niemals vergessen, dass ich ein Indianer bin. Kein Indianer könnte das vergessen. Wir haben in diesem Land gelebt, lange bevor der weiße Mann an seine Küsten kam. Es sollte den Indianern ermöglicht werden, den eigenen Minderwertigkeitskomplex abzulegen und wie ein normaler amerikanischer Bürger zu leben."

Auch wenn er weder das genaue Datum, noch den genauen Ort seiner Geburt jemals erfuhr: Jim Thorpe wusste Zeit seines Lebens genau, wo seine Wurzeln liegen und wer er selbst ist. Und sein Vermächtnis hat in vielerlei Hinsicht seinen Tod überdauert.

Jim Thorpes Football-Statistiken im Detail

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