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Gekommen, um zu bleiben

Cam Newton musste im Super Bowl gegen Denver gleich sechs Sacks einstecken
© getty

Die Carolina Panthers stehen vor den Scherben ihrer einstmals beinahe perfekten Saison. Nach der bitteren Niederlage gegen die Denver Broncos im Super Bowl 50 war der Frust in Charlotte spürbar, doch gleichzeitig geht der Blick schon wieder optimistisch nach vorne. Die Verantwortlichen wissen um die eigenen Baustellen. Klar ist aber auch: Dieses Team ist für die Zukunft gewappnet.

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Keine verrückten, mit bunten Steinen verzierten Schuhe, keine grelle Hose, kein am Gürtel befestigter Fuchsschwanz - in jedem Moment, in jedem Gesichtszug konnte man Cam Newton bei der Pflicht-Pressekonferenz ansehen, was gerade auf dem Rasen passiert war. Nur drei Minuten nahm er sich für die Reporter, ehe er einfach aufstand und das Podium verließ. Elf der 13 Fragen hatte er zuvor mit drei oder weniger Wörtern beantwortet.

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Kein Zweifel, die 10:24-Pleite gegen die Broncos im Super Bowl markiert die bitterste Stunde in Newtons NFL-Karriere. Sein anschließendes Verhalten, während alle seine Mitspieler ihrer Medien-Pflicht nachkamen, brachte ihm bereits jede Menge Kritik ein. Der Tenor: Nach einer bemerkenswerten Entwicklung in dieser Saison, gerade auch abseits des Platzes, erinnerte Newton am späten Sonntagabend an jenen Quarterback, der noch vor drei Jahren für seine mitunter bockige Art kritisiert wurde.

Newton war schon immer, selbst in der ultra-kompetitiven NFL-Welt, ein extrem schlechter Verlierer - was ihm in gewisser Weise durchaus auch positiv ausgelegt werden kann. "Das habe ich schon immer gesagt. Zeigt mir einen guten Verlierer und ich zeige euch genau das: einen Verlierer", bekräftigte er am Dienstag. Er habe kein Problem damit, wenn er dafür kritisiert werde.

Das Reden übernahmen direkt nach dem Spiel so jedenfalls andere und Coach Ron Rivera fasste das Gefühl in Charlotte treffend zusammen: "Das ist etwas, das uns wehtun wird. Wir müssen gute Aktionen abliefern, wenn wir die Chance dazu haben. Heute hat das aus unserer Sicht einfach nicht geklappt."

Ein Fumble als Sinnbild

Das gilt umso mehr, da Carolina mitnichten ohne Chance war. Am Ende standen 315 Panthers-Yards nur 195 Broncos-Yards gegenüber, doch Denver schaffte es, den erst vierten Super Bowl ohne Touchdown-Pass zu erzwingen. Zahlreiche Strafen, viele Drops in kritischen Momenten (die drei Drops von Jerricho Cotchery hätten alle je ein neues First Down einbringen können) und auch Special-Teams-Fehler (Ganos Fehlschuss aus 44 Yards, Denvers 61-Yard-Punt-Return) verhinderten einen aus Panthers-Sicht durchaus möglichen alternativen Spielverlauf.

Wann immer Carolina ins Spiel zu finden schien, gab ein Turnover oder ein Foul Denver wieder die Oberhand. Sinnbildlich dafür war jener Moment knapp fünf Minuten vor dem Ende: Mit nur sechs Punkten im Rückstand hatte Newton die Chance, den Game-Winning-Drive aufs Parkett zu legen und doch noch zum strahlenden Helden zu avancieren. Stattdessen aber rauschte Von Miller wieder einmal an Tackle Mike Remmers vorbei und schlug ihm den Ball aus der Hand.

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Newton, der in dieser Saison nie auch nur ansatzweise so viele Hits einstecken musste wie gegen die Broncos (sechs Sacks, 13 QB-Hits) wirkte in diesem Moment völlig perplex: Statt nach dem Ball zu springen und alles zu geben, um eine Chance auf den Sieg zu wahren, machte er einen Schritt zurück - was für viel Spott vom Gegner sorgte. "So ist er eben. Er spielt nur für sich", ätzte Linebacker Danny Trevathan im MMQB und Cornerback Aqib Talib fügte hinzu: "Er wollte es einfach nicht." Newton verteidigte sich später, er habe eine Verletzung vermeiden wollen: "Wir haben das Spiel nicht wegen dieses Fumbles verloren, so viel ist sicher."

So schnappten sich die Broncos das Ei und bauten ihre Führung wenig später aus. Das Spiel war entschieden. "Ja, das tut weh. Wir haben in dieser Saison viel erreicht, haben die Division gewonnen und sind in den Super Bowl eingezogen", betonte Linebacker Luke Kuechly. Der letzte Schritt blieb dem besten Team der Regular Season, das in den Playoffs gegen Seattle und Arizona dominiert hatte, aber verwehrt. Zumindest vorerst.

Mit Wut im Bauch nach vorne

Gleichzeitig war nämlich auch schon viel Trotz bei den Panthers-Spielern zu spüren. Running Back Jonathan Stewart etwa schickte direkt eine Nachricht an die Konkurrenz: "Wir sind als Team gewachsen. Man kann sich schon mal darauf freuen, dass wir jetzt für einige Jahre noch besser werden."

Mahnende Beispiele aus der Vergangenheit, von Teams, die nach einer Pleite im Super Bowl lange brauchten um sich zu erholen, findet man zur Genüge. Es gibt allerdings nur wenige Anzeichen dafür, dass sich die Panthers in diese Gruppe einreihen werden. Newton ist 26 Jahre alt, Kuechly 24 - die offensiven wie defensiven Eckpfeiler haben noch viele gute Jahre vor sich und sind langfristig an das Team gebunden.

Kony Ealy zeigte mit der zuvor unerreichten Super-Bowl-Leistung von drei Sacks und einer Interception, dass ihm die Zukunft gehören kann. Wide Receiver Kelvin Benjamin kehrt nach seinem Kreuzbandriss zur kommenden Saison zurück, Kawann Short (27 Jahre alt) und Star Lotulelei (26) können gegnerische Interior-O-Lines noch auf Jahre hin terrorisieren. Die Baustellen sind klar und reparierbar - Carolina ist gekommen, um zu bleiben.

"Haben hier etwas aufgebaut"

Dem konnte auch Ealy selbst nur zustimmen: "Unterm Strich muss man festhalten: Wir haben hier etwas aufgebaut, und das werden wir nicht verändern. Wir bleiben dabei, auch in der kommenden Saison. Auf diese Art und Weise und dank unseres Charakters sind wir so weit gekommen. Wir machen genau so weiter."

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Ganz ohne Veränderung geht es aber doch nicht. Oberste Priorität für die kommenden Wochen muss die Offensive Line genießen. Remmers, der es viel zu häufig im Eins-gegen-Eins mit Von Miller aufnehmen musste, ließ am Sonntag alleine drei Sacks und sieben QB-Hurries zu. Unter Druck brachte Newton nur 31,3 Prozent seiner Pässe an den Mitspieler, die Schwachpunkte einer vor allem auf den Tackle-Positionen anfälligen Offensive Line wurden schonungslos aufgedeckt: Carolina verzeichnete bei den 16 Plays, in den Miller und DeMarcus Ware zusammen auf Newton losgingen, 33 Yards Raumverlust, vier Sacks und zwei Fumbles.

Schon in den vergangenen Jahren war man davon ausgegangen, dass Carolina im Draft früh einen Offensive Tackle wählen dürfte. In gut zweieinhalb Monaten könnte es endlich so weit sein. Die zweite offensichtliche Baustelle ist die Secondary: Top-Cornerback Josh Norman muss gehalten werden, notfalls per Franchise Tag. Die Verträge von Charles Tillman, Cortland Finnegan und Roman Harper laufen aus, die Panthers könnten hier eine generelle Verjüngungskur anstreben. Carolina geht mit rund 20 Millionen Dollar an Cap-Space in die Free Agency.

The Show must go on

So war dann auch bei immer mehr Spielern der optimistische Blick nach vorne zu sehen. Tight End Greg Olsen, den Denver komplett aus dem Spiel nahm und so früh den Rhythmus der Panthers-Offense zerstörte, war sich wenige Stunden nach der Pleite etwa bereits sicher: "Ich bin mir sicher, dass die Verantwortlichen morgen damit anfangen, auf Fehlersuche zu gehen. Sie werden für Combine und Draft bereit sein. In der NFL gibt es keine Pause."

Das gilt auch für die Coaches, die, auch wenn man die limitierten Mittel berücksichtigt, gerade im Passing Game zu eindimensional waren. Mehrfach war bereits aus Denver zu vernehmen, dass die Broncos-Verteidiger erahnen konnten, was für ein Spielzug kommt. "Man merkt, dass sie mehr Zeit auf ihr Running Game verwenden", erklärte Broncos-Safety T.J. Ward. "Ihr Run Game ist komplex und bietet viele verschiedene Elemente. Aber ihr Passing Game ist so ziemlich genau das, was sie in den vergangenen Wochen gezeigt haben."

Nachdem Receiver Corey Brown eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, fehlten die Big Plays nahezu komplett. Auch die Komplexität im Running Game kam allerdings überhaupt nicht durch: Newton erlief bei fünf geplanten Runs über 30 Yards - Carolina hatte hierbei also durchaus Erfolg, blieb allerdings nicht dabei. Stewart, der aufgrund einer früh erlittenen Knöchelverletzung mehrfach raus musste, konnte kaum etwas beitragen.

"Wir kommen zurück"

Was bleibt am Ende also rückblickend für die Panthers? Ein Team, das seinen Fans viel Spaß bereitet hat, eine großartige Regular Season und zwei herausragende Auftritte in den Playoffs. "Wenn uns das jemand wegnehmen will, wird er mit mir darum kämpfen müssen", stellte Rivera unmissverständlich klar. Auch den Lerneffekt kann einem vergleichsweise jungen Panthers-Team niemand nehmen und ausgerechnet Denver, vor zwei Jahren noch von Seattle im Super Bowl vernichtend geschlagen, kann als Vorbild dienen.

"Ich habe den Jungs gesagt, dass es das gleiche Broncos-Team ist, das vor zwei Jahren im Super Bowl verloren hat", erklärte Rivera weiter, "und wir haben auch die Chance, aus dieser Erfahrung zu lernen und weiter zu wachsen. Genau das müssen wir tun und uns so eine Chance geben, es wieder in den Super Bowl zu schaffen."

Und Newton? Auch er wird diese Pleite verarbeiten und wenn seine Entwicklung in dieser Saison irgendeinen Schluss zulässt, wird auch er daran wachsen. Eine seiner Drei-Worte-Antworten ließ zumindest genau darauf schließen: "Wir kommen zurück."

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