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Der überlebensgroße Gunslinger

Brett Favre verbrachte den Großteil seiner Karriere bei den Green Bay Packers
© getty
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"Überlebensgroß" schon im College

Die Nerven- und Widerstandsstärke, die Favre in der NFL immer wieder unter Beweis stellte, hatte sich aber schon weitaus früher offenbart. In seinem Senior-Jahr auf dem College von Southern Mississippi baute er einen schweren Autounfall und überschlug sich dreimal, bevor er gegen einen Baum krachte. Das war in der Nähe seines Elternhauses und er konnte erst gerettet werden, nachdem einer seiner Brüder die Scheibe mit einem Golfschläger eingeschlagen hatte.

Auf dem Weg ins Krankenhaus, seine Mutter war dabei, hatte er nur einen Gedanken: "Das einzige, was ich sie immer wieder gefragt habe, war: 'Werde ich wieder Football spielen können?'" Seine Verletzungen waren immerhin weitreichend, Ärzte mussten in einer Not-Operation 76 Zentimeter seines Dünndarms entfernen.

Sechs Wochen später jedoch stand er tatsächlich wieder auf dem Feld - und führte seine Golden Eagles zu einem fast schon mirakulösen Comeback-Sieg über Alabama. Deren Coach Gene Stallings war überwältigt von dem, was er gesehen hatte: "Sie können es ein Wunder, eine Legende oder was auch immer nennen. Aber ich weiß, dass Brett Favre an diesem Tag überlebensgroß war."

Monday-Night-Gala nach Schicksalsschlag

Und es sollte nicht bei diesem einen Tag bleiben. Brett Favre war immer dann größer als alle anderen, wenn es kaum jemand erwartet oder gar verlangt hätte. So auch am 22. Dezember 2003, der Tag nach dem plötzlichen Tod seines Vaters, mit dem er schon früh eine sehr enge Bindung hatte. Irvin Favre war sogar der Coach des High-School-Teams seines Sohnemanns.

Jeder hätte es verstanden, wenn der QB den Trip in die Bay Area zum Monday Night Game gegen die Oakland Raiders abgeblasen hätte. Doch der damals 34-Jährige spielte. Er warf für vier Touchdowns und 399 Yards beim 41:7-Erfolg der Packers. Nach dem Spiel sagte er: "Ich wusste, dass mein Dad gewollt hätte, dass ich spiele. Ich liebe ihn so sehr und ich liebe dieses Spiel. Es hatte für mich, meinen Dad und meine Familie immer eine ganz große Bedeutung. Und ich habe so eine Leistung nicht erwartet. Aber ich weiß, dass er heute Abend zugeschaut hat."

Wenn's am schönsten ist...

Diese Liebe zum Spiel wiederum führte auch dazu, dass der QB sich schwer tat, ein Ende zu finden. Im Grunde kursierten Gerüchte um sein Karriereende schon seit 2006. Immer wieder wurde die Frage aufgeworfen, wie lange er es denn noch machen würde. 2001 noch hatte er einen damals rekordverdächtigen Zehnjahresvertrag über 100 Millionen Dollar unterschrieben.

Doch spätestens nach 2007 sollte eigentlich Schluss sein. Favre hatte seine beste Saison seit Jahren hingelegt und führte die Packers bis ins NFC Championship Game gegen die New York Giants. Doch bei klirrender Kälte in der Frozen Tundra verlor man letztlich durch ein Field Goal in der Overtime - Favre hatte zuvor eine folgenschwere Interception geworfen.

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Danach war klar, dass Schluss war - eigentlich. Denn irgendwann im folgenden Sommer entschied er sich, weiterzumachen. Doch Geschäftsführer Ted Thompson war da schon bereit, den behutsam im Schatten des großen Favres aufgebauten Aaron Rodgers zum Starter zu machen, also forderte Favre seine Entlassung, um selbst ein neues Team finden zu können - Gerüchte rundum die Minnesota Vikings wurden laut. Das ließ man in Green Bay aber nicht zu, da der Divisionsrivale nicht gestärkt werden sollte. Also kam es zum Trade mit den New York Jets.

Gang Green begann das Jahr stark mit einer 8-3-Bilanz. Doch danach ging es buchstäblich den Bach runter, was letztlich auch auf einen Bizepsriss des QBs zurückzuführen war, der erst nach Saisonende entdeckt wurde. Mit seinen Kollegen kam Favre angeblich auch nicht so wirklich klar und so kam es schließlich zum erneuten Rücktritt und einer Entlassung durch die Jets.

Last Hurray im Feindesland

Aber auch danach war Favre noch nicht so ganz fertig mit dem Spiel. Brad Childress überzeugte ihn, sich doch noch mal den Minnesota Vikings anzuschließen, die angeführt von Adrian Peterson durchaus konkurrenzfähig waren, wenn man denn einen starken Quarterback hätte auftreiben können. So kam es dann zum erneuten Rücktritt vom Rücktritt. Favre war wieder zurück auf der großen Bühne.

Die Vikings-Saison 2009 verlief ähnlich wie die Packers-Saison 2007, mit einem mitunter überragenden Favre, der durch seinen Erfolg beim Wiedersehen mit den Packers zum ersten Quarterback wurde, der alle 32 Teams der NFL geschlagen hatte. Am Ende reichte es erneut fürs NFC Championship Game, doch wieder war es seine Interception kurz vor Schluss, die einen weiteren Trip zum Super Bowl verhinderte. Wie schon die Giants zwei Jahre zuvor avancierte auch dieses Mal der Gegner, die New Orleans Saints, zum späteren Champion.

Wirklich vorbei war's dann für Favre 2010. Nach seiner zweiten Gehirnerschütterung der Saison und nebst weiteren schwereren Blessuren endete nicht nur seine Start-Serie, sondern dann auch seine Karriere.

Erst Lambeau, dann Canton

Bereits in der Sommerpause fanden die Green Bay Packers nach langem Hin und Her doch die Zeit, ihren vielleicht größten Spieler überhaupt zu ehren und ihn in die Packers-Hall-of-Fame aufzunehmen. Diese Zeremonie fand in einer der Hallen des Lambeau Fields statt, also nicht unbedingt auf großer Bühne.

Die Number-Retirement-Feier, die im amerikanischen Sport der wohl beste Weg ist, um eine Teamlegende zu würdigen, wird dagegen vor gebührender Kulisse vonstatten gehen: Im Rahmen des späten Thanksgiving Games gegen den Erzrivalen Chicago Bears im dann sicher prall gefüllten Lambeau Field.

Viel größer geht es eigentlich nicht. Abgesehen von der Zeremonie in Canton/Ohio im kommenden August, an der Brett Favre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit teilnehmen wird. Dann geht es für ihn endgültig in den Football-Olymp - in die Pro Football Hall of Fame.

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