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"Hoffentlich ist der Knoten geplatzt"

SID
Björn Werner kommt nach wie vor als Pass-Rusher zum Einsatz - doch spielt auch im Special Team
© getty

Björn Werners Pass-Rush ist zurück! Der Defensive End der Indianapolis Colts gewährt in der fünften Ausgabe seiner SPOX-Kolumne für dieses Jahr Einblicke in die Team-Stimmung nach dem ersten Saisonsieg und verteidigt Quarterback Andrew Luck. Unter der Woche steht neben dem Kraftraum derzeit viel Eis auf dem Programm, zudem berichtet Werner von seinen neuen Aufgaben im Team - und einem wichtigen Projekt.

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Liebe SPOX-Community, liebe Football-Fans,

endlich! Wir haben den ersten Sieg der Saison im Sack - und was für einen. Es war ein unglaubliches Football-Spiel gegen die Titans. Das hätten wir als Team natürlich lieber etwas einfacher gehabt, aber für die Fans war es ein Spiel, an das man sich noch lange erinnert.

Die Stimmung ist jetzt natürlich sehr gut, aber das war sie auch schon davor, obwohl die ersten beiden Spiele nicht so gelaufen sind, wie wir uns das erhofft hatten. Man darf nicht vergessen: 2014 sind wir auch mit zwei Niederlagen in die Saison gestartet, haben dann aber noch das AFC Championship Game erreicht. Unser Trainer Chuck Pagano sagt nicht umsonst immer wieder: Die Saison ist kein Sprint, sondern ein Marathon.

Hintergründe, Bilder, Einblicke - hier geht es zu Björn Werners neuer Website!

Vom Ablauf hat sich vor dem Spiel gegen die Titans nichts geändert. Wir wussten schließlich genau, was wir noch besser machen mussten. Da stand an erster Stelle das Turnover-Battle: Wir hatten in der Offense zu viele Ballverluste, dafür mit der Defense aber zu wenige provoziert. Football ist ein strategisches Spiel, bei dem du in verschiedenen Kategorien einfach die Nase vorn haben musst: Bei den Turnovern, in der Red Zone, also den letzten 20 Yards vor der Endzone, oder direkt auf der Goal Line - wie beim Zweipunktversuch der Titans.

Jetzt stehen wir bei 1-2. Hoffentlich ist der Knoten geplatzt, aber in der NFL gibt es keine Selbstläufer: Jeder kann jeden schlagen. Deshalb gilt, auch wenn es ein Klischee ist: Wir konzentrieren uns voll auf das nächste Spiel, am Sonntag gegen die Jaguars.

Meetings, Gewichte, Eisbäder

Wie sieht eine solche Woche zwischen zwei Spielen eigentlich für mich aus? Wenn wir Sonntags an der Reihe sind, stehen am Montagmittag erst einmal Meetings an, in denen das Spiel drei Stunden lang analysiert wird: Was war gut, welche Fehler müssen wir abstellen? Dienstag ist unser freier Tag, bevor es am Mittwoch und Donnerstag richtig losgeht.

Da fangen die Meetings mit der Vorbereitung auf den nächsten Gegner schon morgens um halb acht an und dauern bis mindestens 16:30. Am Freitagmorgen folgen noch einmal fünf Stunden, am Samstag dann von 9-12 der "Walkthrough", also die Generalprobe und letzte Absprachen. Samstag ist bei Auswärtsspielen gleichzeitig unser Reisetag: Um 15 Uhr geht es in den Flieger. Bei Heimspielen müssen wir um 19 Uhr im Teamhotel sein, wo dann auch geschlafen wird.

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Aber das ist noch lange nicht alles - auch vor und nach den Meetings ist viel los. Bei jedem Spieler stehen pro Woche noch zwei ausgiebige Einheiten im Fitnessraum an, bei mir immer montags und dienstags. Und dann kommen Reha-Einheiten dazu, Behandlungen, Eisbad, Massagen... Auch am eigentlich freien Dienstag ist deshalb fast das ganze Team auf dem Gelände.

Das gehört bei unserem Sport einfach dazu, um deinen Körper zu pflegen und die harte Saison durchzustehen. Viele Leute schauen sich den Spielplan an und denken: Oh, nur 16 Spiele, das ist gar nicht so viel. Aber dein Körper sieht das anders - und mit der Preseason und den Playoffs können es ja auch über 20 Spiele werden. Ich weiß noch, wie der Coach vor dem ersten Tag des Training Camps sagte: So gut, wie ihr euch jetzt fühlt, werdet ihr euch die nächsten sechs Monate nicht mehr fühlen. Nicht umsonst haben die Super-Bowl-Teams meistens eine sehr tiefe Bank, um so zu rotieren und Spieler frisch zu halten.

Community und Special Teams

Halt, eine Sache habe ich fast vergessen, dabei ist die ebenfalls extrem wichtig: Am Dienstag engagiert sich jeder Colts-Spieler für ein gemeinnütziges Projekt in der Community. Das kann eine eigene Stiftung sein oder ein Projekt des Teams. Aber es ist uns als Team sehr wichtig, den Menschen in und um Indianapolis etwas zurückzugeben. Bei mir ist es das "Play 60"-Projekt der NFL, das Kinder ermutigt, nach der Schule sportlich aktiv zu sein. Ich bin deshalb regelmäßig in Schulen zu Gast, das macht mir sehr viel Spaß.

Ein Wort noch zu meiner Rolle auf dem Feld: In dieser Saison werde ich auch bei den Special Teams eingesetzt, bei Kickoffs und Punts. Special Teams spielen eine enorm wichtige Rolle im Football. Das sehen viele Fans oft nicht nicht, weil die ganz großen Stars nicht auf dem Feld stehen.

Aber nicht umsonst ist es extrem wichtig, den "Kampf um die Field Position" zu gewinnen: Bringen wir unsere Offense nach einem Punt oder Kick möglichst nahe an die gegnerische Endzone heran, steigt die Chance auf Punkte - und umgekehrt versucht man natürlich, den gegnerischen Angriff möglichst an dessen 1-Yard-Linie starten zu lassen. Denn je mehr Spielzüge der Gegner gehen muss, desto größer die Chance auf einen Fehler.

Gewinnen und verlieren als Team

Natürlich werde ich auch weiterhin als Defensive End eingesetzt, selbst wenn ich im Moment nicht zu den Startern gehöre. Ganz normal als Pass Rusher, aber auch in bestimmten "Paketen", zum Beispiel an der Goal Line wie gegen Tennessee. Ich werde einfach weiter alles geben und mich bei den Coaches anbieten. Dann kann ich auch meinen Beitrag für das Team leisten.

Apropos Team: In den letzten Wochen ist ja viel Kritik auf unseren Quarterback Andrew Luck eingeprasselt. Da kann ich nur sagen: Alle reden immer über Andrew, weil er das Gesicht unserer Franchise ist. Aber man darf nie vergessen, dass es ein Teamsport ist. Wir haben als Team zwei Spiele verloren und jetzt als Team eines gewonnen. Wir kennen das ja: Wenn du gewinnst, haben dich alle lieb, und wenn du verlierst, wirst du zur Zielscheibe. Das ignorieren wir einfach - was da draußen geschrieben wird, ist uns egal. Entscheidend ist, was in unserem Locker Room passiert - und da halten wir zusammen.

Hoffentlich unterstützt ihr uns dabei. Dann klappt es auch gegen die Jaguars.

Bis bald!

Euer Björn

PS: Unsere kleine Tochter ist jetzt fast drei Monate alt und natürlich bei den Heimspielen auch schon im Stadion dabei. Das hat sie aber alles kalt gelassen - sie hat die Spiele einfach durchgeschlafen. Egal, nächstes Jahr dann!

Björn Werner, geboren am 30. August 1990 in Berlin, wurde im NFL-Draft 2013 in der 1. Runde mit dem 24. Pick von den Indianapolis Colts gezogen. 2015 ist für den Defensive End, der am College für die Florida State Seminoles spielte, die dritte NFL-Saison.

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