NFL

"Football in Röcken? Will ich nicht!"

Von Jan-Hendrik Böhmer / Florian Regelmann
Steelers-Linebacker James Harrison ist auch wegen seiner harten Hits ein Star in der NFL
© Getty

In der NFL gibt es in den letzten Wochen nur ein großes Thema: Hits. Reagiert die NFL richtig, wenn sie brutale Hits härter bestraft? Oder liegt das Problem ganz woanders? Auch die NFL-Experten der SPOX-Redaktion werden sich in ihrer Diskussion nicht einig. Außerdem ein Thema: Die Schwäche der NFC.

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Acht Wochen ist die NFL-Saison jetzt alt - höchste Zeit für die nächste Diskussionsrunde. In "4th Down and 2 - der Football-Kolumne" beziehen die SPOX-Experten Jan-Hendrik Böhmer und Florian Regelmann in dieser Saison regelmäßig Stellung zu den heißesten Themen rund um die NFL. Heute: die Causa Hits und die Frage, ob die NFC stinkt.

Das große Thema der letzten Wochen: Hits. Macht die NFL alles richtig?

Florian Regelmann: Alles richtig? Dass ich nicht lache. Ich habe Roger Goodell bis jetzt für einen sehr kompetenten Commissioner gehalten - vor allem seine strenge Linie gegen Spieler, die sich nicht benehmen können, gefällt mir. Aber was er jetzt in der Causa Hits veranstaltet, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Was macht Football aus? Was macht die NFL aus? In erster Linie auch krachende, ja brutale Hits. Seit Jahrzehnten promotet die NFL ihren Sport, indem sie Highlight-Videos zusammenstellt, in denen sie Clips von Hits aneinander reiht. Boom. Boom. Boom.

Football ist ein gewalttätiger Sport. Die ganze Kultur ist danach ausgerichtet. War sie schon immer. Niemand wird gezwungen, Football zu spielen. Deshalb ist der Aufschrei unter fast allen Ex-Spielern ja auch so groß, nachdem die NFL jetzt plötzlich damit angefangen hat, Hits härter zu sanktionieren. Auch legale Hits wohlgemerkt. Der Hit von Steelers-Linebacker James Harrison gegen Browns-Receiver Mohamed Massaquoi war ohne Frage grenzwertig, aber er war den Regeln nach nicht illegal. Um es auf den Punkt zu bringen: Es war einfach nur Steelers-Football.

Plötzlich soll ein Spieler, der ein Leben lang auf eine bestimmte Art und Weise - von der NFL propagiert - gespielt hat und trainiert wurde, sein ganzes Spiel ändern. Wie soll das gehen? Und vor allem: Wenn ein Defense-Spieler zum Hit ansetzt und der Offense-Spieler im letzten Moment instinktiv seinen Kopf runter nimmt, was soll der Defense-Spieler dann bitte machen? Es muss schon was sehr im Argen liegen, wenn ein so ruhiger Typ wie Troy Polamalu jetzt Goodell in der Luft zerreißt und von Paranoia in der NFL spricht.

Um das klarzustellen: Natürlich soll die Gesundheit der Spieler geschützt werden, wo immer es nur geht. Aber das darf nicht heißen, dass die Spieler bald in Röcken auflaufen. Es kann nicht sein, dass Spieler für harte, saubere Hits, die unglücklicherweise in Verletzungen resultieren, Geldstrafen bekommen. Football muss Football bleiben.

Jan-Hendrik Böhmer: Natürlich soll Football ein harter Männersport bleiben. Absolut. Da kann ich dem Kollegen Regelmann nur zustimmen. Hits gehören zum Sport, auch harte Hits. Aber jetzt kommt das große Aber: Der Sport hat sich in den letzten Jahren nun mal verändert. Früher gab es doch nur zwei Arten von Spielern: schwere oder schnelle. Und heute? Heute sind sie beides. Wenn ich sehe, welche Zeiten ehemals schwerfällige Verteidiger heute beim 40-Yard-Dash laufen, schaudert's mich. Da kommen Defensive-Lineman aus dem College wie ein Dexter Davis (4,66) - und der ist schneller als viele Quarterbacks zum Beispiel. Titans-Running-Back Chris Johnson ist vor einigen Jahren mal 4,24 Sekunden gelaufen - das zeigt die Relation.

Die Spieler sind immer muskulöser und austrainierter - mit den Kräften, die da wirken, hatte man früher einfach nicht gerechnet. Und wenn ich dann die ganzen Gehirnerschütterungen sehe, gefühlt gibt es bald jeden Tag eine neue, dann kann man nur festhalten: Die Spieler riskieren da ihre Gesundheit. Natürlich wird niemand gezwungen, Football zu spielen, aber man sollte alles dafür tun, dass der Sport sicherer wird. Oder dass man wenigstens auf die veränderten Anforderungen reagiert. Bei aller Liebe zum Sport: Die Spieler dürfen nicht verheizt werden. Es gibt jetzt schon zu viele Spieler, die nach ihrer Karriere einfach nur fertig sind.

Und da kommen wir gleich zu einem noch ganz wichtigen Punkt: Die NFL will mehr Spiele einführen. Noch mehr Spiele? Ich kann jeden verstehen, der sagt: mehr football = besser. Finde ich ja auch. Aber vernünftig ist es nicht. Jeder, der schon mal einen Lineman gesehen hat, der nach seinem Karriereende sein eigenes Kind nicht mehr hochheben konnte, weil sein Rücken kaputt ist, kann ihm unmöglich noch mehr zumuten wollen.

Klar, einige mögen sagen: Schaut auf die Fußballer, Basketballer und Co., die spielen viel mehr. Ist klar. Aber dort sind die Anforderungen auch ganz andere. So sehr ich mehr Football befürworte, das kann man den Spielern nicht zumuten. Und: Die Qualität wird leiden. Als Zuschauer kann man nicht wollen, dass irgendwann nur Ersatzmänner spielen, weil der Rest sich schonen muss. Ein aufgeblasener Schedule würde die Qualität ganz entscheidend negativ beeinflussen. Daher: no way.

Florian Regelmann: Ich will gar nicht abstreiten, dass ein 18-Game-Schedule Probleme mit sich bringen könnte. Die körperliche Belastung der Spieler stößt sicher irgendwann an Grenzen, aber erstens sehe ich mit der Einführung einer weiteren Bye-Week und größeren Kadern da Lösungsansätze. Und zweitens ist die NFL einfach ein Business. Und es kann mir niemand sagen, dass die Preseason irgendjemanden vom Hocker reißt. Im Prinzip kann sich die keiner anschauen - vor allem im letzten Spiel werden die Stars eh nicht mehr groß eingesetzt.

Es ist deshalb nur die logische Folge, dass die Preseason verkürzt werden muss. Die 17 NFL-Gamedays gehören zu den absoluten Highlights im US-Sport-Kalender. Wenn man aus 17 genialen Tagen 19 oder 20 machen kann, dann muss man es machen. Klar regiert in diesem Falle auch das Fernsehen und die Gier der Franchises. Der 18-Game-Schedule wird definitiv Teil des neuen CBAs sein - und er wird definitiv kommen. Ob es die Spieler wollen oder nicht.

Wie schlecht ist eigentlich die NFC im Vergleich zur AFC?

Jan-Hendrik Böhmer: Also für mich ist die NFC überhaupt nicht so schwach. Im Gegenteil: die NFC ist stark. Wie stark sie ist, sieht man doch alleine an den Packers. Die schaffen es, trotz der unfassbar vielen Verletzungen noch andere Top-Teams zu besiegen. Ich sage nur: Jets. Shutout.

Klar, es gibt auch immer Ausreißer nach unten. Die Panthers sind genauso furchtbar wie die unglaublichen Cowboys. Aber solche Ausreißer gibt es immer und überall sonst auch. Mir gefällt an der NFC besonders, dass einige Teams sich viel besser präsentieren, als man es vor der Saison erwartet hätte. Wie zum Beispiel die Buccaneers. Die sind wirklich überraschend gut - hätte auch ich nicht gedacht. Aber genau das gehört für mich zur starken NFC dazu. Dass auch Teams, mit denen man gar nicht gerechnet hatte, stark sein können.

Florian Regelmann: Werter Kollege, bei aller Liebe für die Packers. Die NFC stinkt! Dass die Buccaneers ernsthaft glauben und es ungestraft öffentlich sagen können, dass sie die beste Mannschaft der NFC sind, sagt alles. Hallo, die Bucs?! Und die nach ihrer Siegesserie von einem Spiel heißen 49ers müssen wahrscheinlich nur fünf ihrer letzten acht Spiele gewinnen, um mit 7-9 die Division zu holen.

Auch wenn ich die Packers und vor allem die Saints, mit Abstrichen die Falcons und Giants, als gefährliche Teams ansehe, kommen für mich die besten sechs Teams der NFL aktuell alle aus der AFC. Patriots, Steelers, Ravens, Colts, Jets, Titans. Eines dieser Teams wird nicht in die Playoffs kommen, so stark ist die AFC. Denn es gibt ja auch noch die Chiefs und Dolphins. Zwei ganz solide Teams. Hey, selbst die Raiders können plötzlich was...

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