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NBA: R.J. Barrett als neuer Hoffnungsträger der New York Knicks: Mit dem Segen von Steve Nash

R.J. Barrett wurde von den New York Knicks mit dem dritten Pick im Draft 2019 gezogen.
© getty

R.J. Barrett ist der höchste Draft-Pick der New York Knicks seit Patrick Ewing. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den Kanadier, der in seiner Jugend bereits früh für Furore sorgte. Die wichtigsten Bezugspersonen waren dabei sein Vater und Kanadas bester Basketballer aller Zeiten, Steve Nash.

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Es ist fast schon eine Tradition. Egal, wen die New York Knicks mit ihrem Pick draften, es hagelt Pfiffe. Kevin Knox, Frank Ntilikina oder selbst Kristaps Porzingis können aus der jüngeren Vergangenheit davon ein Lied singen. Bei R.J. Barrett war es anders. Der höchste Knicks-Pick seit Patrick Ewing im Jahr 1985 wurde mit tosendem Applaus auf der Bühne im Barclays Center begrüßt, als ihn Commissioner Adam Silver als dritten Spieler aufrief.

Dabei war Barrett nur ein Trostpreis. Über die komplette Saison 2018/19 versuchten die Knicks so schlecht wie möglich zu sein, die Mission wurde mit der schlechtesten Bilanz der Liga "souverän" erfüllt. Zion Williamson war der Hauptpreis und das Ziel, doch die reformierte Draft Lottery mit kleineren Wahrscheinlichkeiten machte dem Masterplan einen Strich durch die Rechnung.

So mussten sich die Knicks mit Williamsons ehemaligen Mitspieler Barrett zufrieden geben, der bei dem ganzen Trubel rund um Zion ein wenig in Vergessenheit geraten war. Vor gut einem Jahr waren die Vorzeichen noch umgekehrt, Barrett galt als eindeutiger Top-Pick, hinter Zion gab es Fragezeichen, ob dieser mehr als nur ein YouTube-Phänomen sein könne.

R.J. Barrett: Geboren in einer Sportler-Familie

Während Zion vor allem in den sozialen Medien stattfand, war der Name Barrett schnell in den Notizbüchern der Scouts zu finden. Dafür sorgte vor allem Vater Rowan, der einst bei St. Johns am College spielte und bei den Olympischen Spielen in Sydney der Kapitän der kanadischen Nationalmannschaft war.

Barrett Sr. war der klassische Basketball-Nomade, der für das Wohl seiner Familie im Laufe seiner Profi-Karriere quer durch die Welt tingelte. Zypern, Griechenland, Israel, Frankreich oder Venezuela, Barrett lernte früh zahlreiche Länder kennen. Teilweise besuchte er nur für ein paar Monate eine Schule, bevor es wieder in ein anderes Land ging.

Trotzdem blickte Barrett erst kürzlich positiv auf die ständigen Umzüge zurück. "Als Kind hat mir das Spaß gemacht, ich habe so viele verschiedene Erfahrungen gesammelt, die mir nun helfen. Ich fühle mich nirgendwo fehl am Platze, erst recht nicht auf dem Court." Dass R.J. ebenfalls recht gut einen Ball in den Korb schmeißen kann, ist nicht seinem Vater geschuldet. Es war Mama Kesha, eine frühere Sprinterin, die ihren Mann dazu drängte, den Sohn zu drillen.

R.J. Barrett: Steve Nash ist der Taufpate

Zuvor hatte Barrett seine Freizeit mit Fußball und Klavierspielen verbracht, nach dem Ende von Rowans Karriere im Jahr 2008 nahm sich der Vater dem Training des Filius an. Die Familie Barrett war inzwischen wieder nach Kanada zurückgekehrt, genauer gesagt nach Mississauga, Ontario, einem Schmelztiegel vor den Toren Torontos.

Die Zeiten von Vince Carter waren da bei den Toronto Raptors schon lange gezählt, stattdessen bekam Barrett schnell den Hype um Andrew Wiggins hautnah mit. Und dann war da ja noch der Kontakt zum besten kanadischen Basketballer aller Zeiten - Steve Nash. Der zweifache MVP spielte mit Barrett für Kanada und wurde später auch der Taufpate von R.J., das erste Kinderbett für Baby R.J. ließ damals Nash springen.

Umso mehr R.J. realisierte, dass Nash mit limitierter Athletik in der Lage war zu dominieren, umso größer wurde der Traum, selbst eines Tages in der NBA zu spielen. Denn Barrett hatte in der Tat Talent. In Ontario spielte Barrett meist gegen bis zu vier Jahre ältere Jungen - und dominierte trotzdem.

R.J. Barrett: Auf den Spuren von LeBron James

Vater Rowan kannte nun auch kein Pardon mehr und erstellte strikte Trainingspläne. Ein Mitspieler von Barrett erinnerte sich so: "Wir sind in die Mall gegangen, er war in der Halle. Er hat da aber nicht Eins-gegen-Eins gespielt, sondern immer an Details gearbeitet. So etwas sieht man bei Kindern normalerweise nicht."

Es wurde schnell klar, dass Barrett der kanadischen Basketball-Szene entwachsen war. So spielte der Teenager in den USA bei AAU-Turnieren mit und hinterließ auch dort einen bleibenden Eindruck. Mit 15 wechselte Barrett schließlich nach Florida in die Montverde Academy, die zuletzt Ben Simmons oder D'Angelo Russell herausbrachte.

Auch im Süden der USA war Barrett wieder der Jüngste, aber das hielt ihn nicht davon ab, als Freshman im Duell mit Senior Lonzo Ball dem späteren Nr.2-Pick 31 Punkte einzuschenken. "Als ich in die Staaten kam, habe ich viel mehr Selbstvertrauen entwickelt", sagte Barrett vor dem Draft. "Ich war mir sicher, dass ich es in die NBA schaffen werde."

Dieser Eindruck verfestigte sich auch über die folgenden Jahre. Als Senior führte er sein Team zu einer perfekten 35-0-Bilanz, dazu räumte Barrett alle wichtigen individuellen Awards ab, was zuletzt LeBron James gelungen war. Der High-School-Star hatte sogar einen eigenen Blog in der USA Today.

R.J. Barretts Stern geht bei U19-WM gegen die USA auf

In Kanada kannte Barrett zu diesem Zeitpunkt sowieso schon jeder Basketball-Fan aufgrund eines historischen Ereignisses. Nicht nur holten die Kanadier in der Altersklasse U19 erstmals eine WM-Medaille, das Edel-Metall war golden und auf dem Weg dahin wurden im Halbfinale die USA mit 99:87 ausgeschaltet.

Die US-Boys, gecoacht von Kentuckys John Calipari, hatten über sechs Jahre nicht mehr in einem Turnier verloren, Barrett schenkte dem Favoriten 38 Punkte, 13 Rebounds und 5 Assists ein und zeigte dabei, was ihn auszeichnet. Entschlossene Drives, die Fähigkeit Fouls zu ziehen, ein solider Wurf sowie die Gabe, ein Spiel lesen zu können.

Noch nie hatte in dieser Altersklasse ein Spieler so viele Zähler gegen ein US-Team erzielt, so dominiert. "Auf dieser Bühne wurde ein Star geboren, er hat dort seinen Status zementiert", erinnerte sich Kanadas Assistent Coach Paul Weir.

24 Stunden später besiegten die Kanadier auch Italien, die "Maple Mamba" wurde zum MVP gekürt und war mit durchschnittlich 21,6 Punkten Topscorer des Turniers. So überraschte es wenig, dass Barrett ein Jahr später als bester High-School-Spieler aufs College ging, aus elf Angeboten entschied sich der Kanadier für Duke und den legendären Coach Mike Krzyzewski.

R.J. Barrett und Zion Williamson werden bei Duke Brüder

Dort musste Barrett aber das Rampenlicht erstmals in seinem Leben teilen. In Barrett, Williamson und Cam Reddish hatten die Blue Devils die drei besten Freshmen des Landes rekrutiert. Duke war teilweise eine größere Show als der Großteil der NBA. R.J. und Zion produzierten als überragende Athleten Highlights am Fließband und eilten von Sieg zu Sieg.

Allerdings passten die beiden Stars spielerisch nur bedingt zusammen, bei aller körperlichen Voraussetzungen blieb der Wurf die größte Schwäche. Natürlich kamen beide auf ihre Zahlen, doch gerade Barrett, dessen Dreier noch viel Luft nach oben hat, hatte Probleme mit seiner Effizienz durch die oftmals zugestellte Zone. Im Viertelfinale des NCAA-Tournaments war so gegen die bissigen Spartans von Michigan State Schluss, eine herbe Enttäuschung.

Dennoch entwickelte sich zwischen Barrett und Zion eine tiefe Freundschaft. "Die zwei hätten sich gegenseitig beneiden können, stattdessen sind sie Brüder geworden", freute sich Coach K vor dem Draft. Letztlich hat das Jahr beiden geholfen, beide gingen in den Top 3 weg und gelten bei ihren Teams als die neuen Hoffnungsträger.

Steve Nash: R.J. Barrett kann achtmal All-Star werden

Barrett wurde von den Knicks zumindest schon einmal ein warmer Empfang bereitet, auch wenn man rund um den Madison Square Garden von einem Trio aus Zion, Kevin Durant und Kyrie Irving geträumt hatte. Der Nr.3-Pick wird nicht sofort die Lösung aller Probleme sein, doch die Knicks haben nun erstmal bis zur überladenen Fee Agency-Klasse im Jahr 2021 Zeit.

Zeit ist aber meist ein Fremdwort im Big Apple, nirgends sind die Scheinwerferlichter greller als am Pennsylvania Plaza. Selbst die ersten Auftritte in der Summer League wurden mit Argusaugen beäugt. Dort hatte Barrett zunächst Schwierigkeiten mit seinem Wurf (7/33 FG in zwei Spielen), akklimatisierte sich aber langsam und legte am Ende durchschnittlich 15,4 Punkte und 8,3 Rebounds bei Quoten von 34 Prozent aus dem Feld auf.

Es war schnell zu sehen, dass Barrett Verantwortung übernehmen möchte, so wie er es bereits vor dem Draft angekündigt hatte. "Ich bin bereit dafür, diese Herausforderung anzunehmen", sagte Barrett auf die Frage, ob er für die Knicks spielen wolle. In Barrett steckt definitiv Star-Potenzial, das findet auch der Taufpate. "Für sein Alter ist R.J. ein überragender Spielmacher. Wird er zweimal MVP wie ich? Ich weiß es nicht, aber in ihm steckt ein achtfacher All-Star", ist sich Nash sicher. Musik in den Ohren der nach Stars lechzenden Knicks-Franchise.