NBA

Above the Break: Die Luka Doncic-Debatte, der Dwight Howard-Trade – alles zum NBA Draft

Eigentlich ist es unvorstellbar, dass die Dallas Mavericks an 5 eine Chance auf Luka Doncic haben.
© getty

Die Offseason hat begonnen, am Mittwoch gab es bereits den ersten größeren Trade und in der Nacht auf Freitag steht bereits der NBA Draft an (ab 1 Uhr live auf DAZN). SPOX-Redakteur Ole Frerks blickt zu diesem Anlass auf den kuriosen Fall von Luka Doncic, analysiert den Trade von Dwight Howard und beantwortet die Fragen der Leser!

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Die Debatte um Luka Doncic

Man sollte vorm Draft nicht alles für bare Münze nehmen, was berichtet wird. Wenn Team X von einem Workout von Spieler Y "beeindruckt" ist, kann das ebenso ein Störfeuer sein wie ein durchsickerndes Gerücht, dass ein gewisses Team gerne seine Draft-Position nach oben oder unten verlagern will und dadurch bedingt irgendwelche All-Stars bewegt werden könnten.

Es gibt jedes Jahr wesentlich mehr "Rauch" als echtes Feuer, wenn es um den Draft geht. Nachdem das klargestellt ist: Es gibt in diesem Jahr sogar noch ein bisschen mehr Rauch als sonst. Am Tag des Drafts scheint immer noch nicht allzu viel klar zu sein, was unter anderem sicherlich daran liegt, dass mit Sacramento die Definition einer Wildcard auf Position 2 pickt und bei mehreren Teams im Raum steht, dass sie ihren Pick traden könnten (Atlanta, Memphis, Dallas).

Dazu gibt es ja auch noch einen gewissen langfingrigen Superstar in San Antonio, der seinen Trade-Wunsch de facto öffentlich gemacht hat und damit alles durcheinanderbringen könnte. Das alles ist nicht zwingend ungewöhnlich.

Haben die Dallas Mavericks eine Chance auf Luka Doncic?

Bemerkenswert ist eher, wie wenig Konsens bei der Einordnung der Draft-Reihenfolge besteht, zumindest nach dem fast überall an 1 gelisteten Deandre Ayton. Dabei macht es den Anschein, als würden sich viele Leute - sowohl Fans als auch die Teams selbst, wenn man Berichten glauben mag - das Thema komplizierter machen, als es ist.

Anders ist es eigentlich nicht zu erklären, dass es ernsthaft Spekulationen darüber gibt, ob die Mavericks an Position 5 noch an Luka Doncic kommen könnten - und dass diese nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein scheinen. Seine (virtuelle) Aktie ist in den letzten Wochen im Vergleich zu anderen Prospects allem Anschein nach gesunken und die Gründe, die man dafür serviert bekommt, sind höchstens in Teilen zufriedenstellend. Teilweise wirken sie auch schlichtweg absurd.

Um das klarzustellen: Es ist in Ordnung, dass Phoenix (wohl) Ayton favorisiert, da dieser mit seinen Anlagen wie eine Art neuer Joel Embiid ohne Verletzungen daherkommt. Der Big Man bringt zwar große Fragezeichen in der Defense mit, sollte er seine Intensität hier jedoch hochschrauben und dazulernen, könnte aus ihm ein veritabler Two-Way-Superstar werden. Ich habe zwar meine Zweifel, kann die Logik der Suns-Denke aber nachvollziehen, zumal sie einen Center gut brauchen können.

Spieler mit Fragezeichen - und Luka Doncic?

Dahinter jedoch ... Doncic wird zumeist in einen Kreis von Spielern gesteckt, die mit teilweise gravierenden Defiziten vor dem Sprung in die Liga stehen. Das wird ihm aber nicht gerecht - Doncic spielt nunmehr seit Jahren gegen "echte" Gegner und ist dabei kein Mitläufer, sondern war zuletzt der MVP des besten Basketball-Teams außerhalb der NBA.

Der Slowene hat gestandene Spieler dominiert, darunter etliche frühere NBA-Profis. Sein Talent-Paket ist offenkundig - selten gab es einen so jungen Spieler mit so gutem Spielverständnis, der regelmäßig Pässe spielt, von denen andere nur träumen können, der eine solche Balance hat, der auf so diverse Arten scoren kann, der in diesem Alter so viel gewonnen hat.

Doncic ist Europameister, Doncic hat die EuroLeague gewonnen, Doncic ist EuroLeague-MVP, Doncic hat schon dreimal die ACB gewonnen, wobei er sich den dritten Titel gerade an diesem Dienstagabend sicherte. Doncic ist im Februar 19 Jahre alt geworden. Und trotzdem gibt es Leute, die ihn auf eine Stufe mit den Darkos dieser Welt stellen und fürchten, dass er ein Bust werden könnte.

Ein paar Kritikpunkte sind fair - andere nicht

Es ist dabei fair, zu bemängeln, dass seine Athletik eher durchschnittlich ist und dass er defensiv seine Probleme hat, gerade mit schnelleren Gegenspielern und im Pick'n'Roll. Auch darf man darauf hinweisen, dass sein Wurf im Lauf der Saison instabiler wurde (am Ende wettbewerbsübergreifend 31,1 Prozent 3FG) und dass er noch etwas zu viel Baby-Speck auf den Rippen hat. Sein Körper ist zwar durchaus NBA-Material, aber nicht aus Marmor geschnitten wie zum Beispiel der von Ayton.

Das sind legitime Kritikpunkte. Es gibt allerdings im ganzen Draft keinen Spieler, der ohne potenzielle Schwachpunkte daherkommt, auch nicht in der Lottery. Es gibt bisweilen sogar wesentlich größere Fragezeichen - etwa: "Hält sein Rücken?/Versteht er Basketball?" bei Michael Porter Jr. oder: "Kennt er das Konzept Defense?" bei Marvin Bagley. Kein Spieler in diesem Jahrgang kommt wie ein "sure thing" a la Tim Duncan daher.

Das ist natürlich auch in Ordnung und normal, zumal hier überwiegend von jungen Erwachsenen die Rede ist, die sich in den USA noch nicht mal ein Bier bestellen dürften. Es wird nur überraschend oft vergessen beziehungsweise ignoriert, dass das für Doncic ebenfalls gilt.

Auch Luka Doncic ist kein fertiges Produkt

Während bei vielen der US-Talente von Makeln die Rede ist, die man mit der Zeit loswerden kann, wird Doncic oft wie ein fertiges Produkt behandelt. Noch einmal: Doncic ist 19. Man kann einen anderen Eindruck bekommen, weil der Name mittlerweile seit Jahren bekannt ist - er war eben schon mit 13 bei Real und ist seit 16 Profi. Deswegen ist er natürlich trotzdem noch längst nicht fertig.

Auch Doncic kann und wird noch an seiner Physis und Athletik arbeiten - ebenso wie an der Ernährung. Natürlich wurde er auch bei Real professionell betreut, aber in der NBA sind Workout-Pläne, Privat-Köche etc. einfach noch ein wesentlich größeres Thema. Es widerspricht jeglicher Logik, davon auszugehen, dass Doncic' Entwicklung und Reifeprozess auch nur ansatzweise abgeschlossen wären.

"Das ist nicht das finale Produkt Luka Doncic", stelle kürzlich auch Suns-Coach Igor Kokoskov klar, der Doncic vergangenes Jahr bei der slowenischen Nationalmannschaft betreute. "Er ist jetzt schon ein ziemlich guter Spieler, aber wir gehen davon aus, dass er in ein paar Jahren noch viel besser sein wird." Und warum sollte man das nicht tun?

Ein Referendum - Europa vs. USA?

Es ist bisweilen etwas schade, wie das Thema Doncic zum wiederholten Mal ein Referendum dafür darstellen soll, ob der Basketball in Europa etwas taugt, ob Erfolge auf dem "alten Kontinent" etwas wert sind und so weiter. Dabei ist das überhaupt nicht zielführend - Doncic ist ja eine Anomalie, es gab schlichtweg noch keinen Spieler, der so jung im Profi-Basketball schon so viel erreicht hatte, egal auf welchem Kontinent.

Er hat mehr "bewiesen" als alle anderen Spieler in diesem Draft, die College-Champions aus Villanova eingeschlossen. Teilweise scheint ihm sein Erfolg in Madrid fast schon zur Last zu fallen. Da Real bis zuletzt erneut in den ACB-Finals stand, konnte Doncic nicht am Combine oder an individuellen Workouts teilnehmen.

Man sollte meinen, dass seine Leistungen im 5-gegen-5 in der zweitbesten Liga der Welt höher einzustufen wären als die "Leistungen", die andere Prospects im 1-gegen-0 gezeigt haben - aber zuletzt schien das nicht der Fall zu sein. Stattdessen stieg das Ansehen von beispielsweise Mo Bamba, nachdem dieser in einer leeren Halle reihenweise Dreier versenkte, von denen er am College allerdings nur 51 nahm.

Alle Klischees werden erneut bemüht

"Ich bin mir nicht sicher, was dieser Junge noch tun muss, um sich zu beweisen", sagte kürzlich auch DraftExpress-Guru Jonathan Givony, der Doncic als einer der wenigen Amerikaner schon lange und intensiv verfolgt und offensichtlich frustriert von seinen eigenen Landsleuten ist.

In den Tagen vorm Draft ist aus dem Slowenen das neuste Subjekt einer uralten Grundsatz-Debatte geworden, er wird mit Klischees konfrontiert, gegen die alle anderen Euro-Talente vor ihm auch schon ankämpfen mussten - auch wenn das nicht fair ist. Wie gesagt: Seine Erfolge und sein Spiel in diesem Alter heben sich von all seinen Vorgängern ab.

Es ist schwer vorstellbar, dass ein vergleichbar "reifes" US-Talent ähnlich skeptisch behandelt werden würde wie Doncic. Natürlich ist nicht garantiert, dass er ein Superstar in der Liga wird, das ist ohnehin nie möglich, weil kein Spieler in diesem Alter fertig ist. Aber genau darum geht es ja - nur weil man jetzt schon viel von Doncic gesehen hat, heißt das nicht, dass er von dieser Regel ausgeschlossen ist.

Alles nur Störfeuer?

Vielleicht stellt sich im Endeffekt ja doch wieder viel als "Rauch" heraus, vielleicht schlagen die Kings an 2. Stelle zu, vielleicht tun es sogar die Suns an Position 1. Vielleicht tradet sich ja auch ein anderes Team (Spurs!) in der Lottery hoch und sichert sich Doncic und alle gestreuten "Bedenken" sind am Ende doch wieder nur Ablenkungsmanöver.

Vielleicht fällt Doncic aber auch wirklich ein Stück zurück - und dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eines Tages wieder das eine oder andere Team blöd dasteht und sich denkt: "Hätten wir doch nur gewusst, was aus diesem Jungen werden wird."

Dann könnte man allerdings nicht behaupten, dass die Zeichen nicht alle längst da gewesen wären.