NBA

Above the Break: Sind die Cleveland Cavaliers noch zu retten?

Auch LeBron James wirkt mit der Situation der Cavaliers momentan überfordert.
© getty

Willkommen bei Above the Break - der SPOX-Meinung zur NBA-Saison! Zweimal im Monat nimmt SPOX-Redakteur Ole Frerks ein Thema aus der Liga ganz genau unter die Lupe. Diesmal: Die taumelnden Cleveland Cavaliers - und die Fragen der User.

Cookie-Einstellungen

In der Nacht auf Dienstag hat die Silly Season der NBA offiziell begonnen - der Trade von Blake Griffin hat die Liga erschüttert und kam beinahe völlig aus dem Nichts. Nachdem zuvor überall von einer "wahrscheinlich ruhigen" Trade Deadline zu lesen war, bewies der Move außerdem mal wieder, dass man dies nie mit völliger Gewissheit sagen kann. Deswegen heißt das Ganze ja Silly Season.

Die Cleveland Cavaliers sind ebenfalls ein Team, das sich an dieser Season noch beteiligen möchte. Ein Trade für George Hill ist laut ESPN-Mann Brian Windhorst schon beinahe fix, das soll aber nicht der letzte Move sein. Eigentlich wird den Cavaliers Interesse an jedem Spieler nachgesagt, der verfügbar sein könnte, Qualifikation unerheblich. Kein Wunder, traten sie doch gerade im Januar teilweise fast schon lächerlich schlecht (gemessen an ihren Ansprüchen) auf - und jetzt hat sich auch noch Kevin Love verletzt.

Die Sache dabei ist aber: Mit Trades ist es ja nicht getan. Gerade Midseason-Trades ändern selten die Kultur eines Teams, auch wenn sie durchaus mal ein finales Puzzlestück sein können, a la Rasheed Wallace zu den Pistons im Jahr 2004. Ein mitten in der Saison geholter Spieler ist selten einer, der dann vorausgeht, sondern zumeist jemand, der versucht, sich irgendwie einzugliedern.

Das ist das Dilemma der Cavaliers - bevor sie irgendetwas erreichen können, müssten sie erst einmal den eigenen Schweinestall aufräumen. Es war in den letzten Jahren oft besorgniserregend, was während der Saison in Cleveland passierte, aber solche Verhältnisse wie jetzt herrschten dort noch nie. Mit ihrer eigenen Version der Silly Season haben die Cavaliers schon lange begonnen.

Thomas stänkert gegen Love

Man kann angesichts der Ereignisse in letzter Zeit leicht den Überblick verlieren, daher der Schnelldurchlauf: Vergangene Woche hielten die Cavs ein Team-Meeting ab, bei dem jeder jeden irgendwie beschuldigte - aber irgendwie (Berichten zufolge) am meisten Isaiah Thomas Kevin Love angriff.

Love hatte sich krankgemeldet und daher die Halle verlassen, er war also nicht vor Ort, als die Cavaliers 148 Punkte von den Thunder eingeschenkt bekamen. Das hätte ihn eigentlich entlasten sollen - wie gesagt: 148 Punkte! Er konnte nichts für diese Peinlichkeit. Aber in Cleveland ist es eben Love, der zum Sündenbock für die meisten Dinge gemacht wird, die schieflaufen.

Wie dem auch sei: Das Meeting scheint nur bedingt gefruchtet zu haben, auch wenn die Cavs danach sogar mal wieder Spiele gewonnen haben. Denn beim Spiel gegen Indiana reagierte Love mit einer Beleidigung, als er dem bekanntlich recht kleinen Thomas den Ball nach einem Rebound reichte, als wäre er ein kleines Kind kurz vor der Einschulung. Im selben Spiel übrigens, in dem er außerdem nach einer Auszeit Jeff Greens Kopf als Handtuchhalter benutzte.

Loves Ärger ist verständlich

Love war genervt, und irgendwie kann man ihm das kaum verübeln. Seit seinem Trade nach Cleveland im Sommer 2014 taucht er andauernd in Gerüchten auf und wird als Hauptgrund für die Defensivschwäche der Cavs ausgemacht, auch wenn zumindest das etwas weniger geworden ist, seitdem er 2016 bei der wichtigsten Defensiv-Possession der Franchise-Geschichte gegen Stephen Curry seinen Mann stand.

Love war in Cleveland immer höchstens die dritte Option, was angesichts der Präsenz von LeBron James und Kyrie Irving auch von ihm akzeptiert wurde. Irving ist nun aber nicht mehr da und Love hat bis hierhin eine gute Saison gespielt, zumeist als zweite Option. Thomas wiederum ist (verständlicherweise) meilenweit von seiner Form der letzten Saison entfernt, trifft schlecht und wurde kürzlich sogar von Cavs-Fans für seine Wurfauswahl ausgebuht - dass er nicht die Person ist, die momentan andere anzählen sollte, liegt eigentlich auf der Hand.

Dennoch ist auch sein Ärger verständlich. Der 1,75-Meter-Mann muss sich Zeit seiner Karriere immer wieder beweisen, als ehemaliger No.60-Pick in Sacramento, als Sixth Man in Phoenix und später Boston, dann als All-Star in Boston. Letzte Saison wirkte es, als hätte er den Durchbruch endgültig geschafft, dann wurde er aber verschifft und musste schon wieder von vorne anfangen. Verletzt noch dazu, sowohl emotional als auch physisch.

Thomas: Warum keine G-League?

Nur ist Love nicht derjenige, auf den er wütend sein sollte. Was seine bisherige Saison angeht, könnte man eher den Cavs einen Vorwurf machen, und auch Thomas selbst. IT wollte unbedingt so schnell wie möglich zurückkommen, derzeit scheint es aber, als sei sein Comeback zu früh erfolgt - beziehungsweise auf der falschen Bühne.

Man hätte ihn durchaus erstmal in der G-League sein Timing finden lassen können, ohne dass die ganze Welt dabei zusieht und ständig sowohl ihn als auch alle Mitspieler nach seinem Fortschritt fragt. Man hätte ihn auch erstmal für mehr als ein Spiel von der Bank bringen können, statt ihn jetzt schon ständig um die 30 Minuten spielen zu lassen, obwohl er meilenweit von seiner Bestform entfernt ist.

Hätte, wäre, könnte - eigentlich unerheblich. Was falsch gemacht wurde, lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Viel wichtiger ist dagegen die Frage, ob man die Cavaliers in dieser Saison noch "reparieren" kann. Denn nun fehlt ihnen mit Love auch noch der zweitbeste Spieler, die einzige echte Konstante des Teams neben LeBron, für sechs bis acht Wochen, wie ESPN berichtet.

Die Kultur muss verändert werden

Das Ziel wird dabei nicht sein, auf Teufel komm raus den First Seed zu attackieren - dazu sind die Cavs weder in der Lage, noch haben sie es wirklich nötig. Sie müssen aber ihre Kultur verändern. Wie schon gesagt: Ein oder zwei Trades würden dafür nicht reichen.

Es gibt nicht den einen Homerun-Move, der alle spielerischen Probleme löst, und man wird die Stimmung im Team auch nicht allein dadurch retten, dass man beispielsweise Thomas einfach abgibt (den angesichts seines auslaufenden Deals momentan ohnehin niemand nehmen würde). Ein Love-Trade ist nach dessen Verletzung sowieso keine Option mehr und wäre auch vorher schon keine gute Idee gewesen.

Ein oder zwei Deals könnten natürlich helfen, der wichtigste Part kann aber nur von innen erfolgen - die Cavs müssen endlich wieder an einem Strang ziehen, wenn sie aus dieser Saison noch etwas machen wollen, spätestens jetzt. Hier ist die mächtigste Stimme im Locker Room gefragt. Und nein, die Rede ist natürlich nicht von Tyronn Lue.

LeBron ist überraschend ruhig

LeBron James hat sich in der ganzen Thomas/Love-"Fehde" sehr ruhig verhalten - öffentlich kam abgesehen von einigen Floskeln wenig, was in Ordnung ist, aber allen Berichten zufolge hat er auch intern nicht wirklich Position bezogen. Das ist dann schon eher problematisch. James ist der Leader - wenn er ein Machtwort spricht, gerät eine Situation wie die beim jetzt schon legendären Team-Meeting nicht außer Kontrolle. Das hat er aber nicht getan.

Man kann nur spekulieren, warum das so ist. Windhorst sagte vergangene Woche, dass James wütend auf die Cavs ist, weil er der Meinung ist, dass man im Sommer Paul George und Eric Bledsoe hätte bekommen können - im Gegensatz zu einem verletzten Thomas, Ante Zizic und einem Jae Crowder, der den schlechtesten Basketball seit seinen Mavs-Zeiten spielt. Und einen Draft-Pick 2018, von dem er womöglich nicht viel haben wird.

Das Ende einer Ära?

Es ist unklar, ob diese Moves tatsächlich möglich waren, und auch, ob sich James deswegen passiv verhält. Es ist eigentlich auch belanglos. Wenn James nicht ohnehin schon mit dieser Saison und seinem zweiten Stint in Ohio abgeschlossen hat, muss er derjenige sein, der diesen Locker Room wieder vereint.

Niemand sonst hat dafür den nötigen Einfluss - nicht Lue, nicht Thomas, nicht Dwyane Wade und schon gar nicht Cavs-Besitzer Dan Gilbert, der dem Bleacher Report zufolge seit der Demission von Ex-GM David Griffin nahezu alle Entscheidungen trifft, obwohl er dafür ähnlich qualifiziert ist wie Donald Trump für ein politisches Amt. Und ähnlich beliebt bei LeBron, was die ganze Situation natürlich nicht einfacher macht.

Nein, es kann nur LeBron selbst die Wende einleiten. Das wird bei diesem Team eine Herkulesaufgabe, aber damit kennt sich ja kaum jemand besser aus als der King. Er hat schon schwächer besetzte Teams in die Finals geführt als diese Cavaliers. Aber irgendwann endet jede Ära.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema