NBA

Ein MVP auf der Resterampe

Von Robert Arndt
Derrick Rose hat noch immer bei keinem neuen Team unterschrieben
© getty

Derrick Rose hat noch immer kein neues Team gefunden. Der ehemalige MVP spielte seine beste Saison seit über fünf Jahren, dennoch will niemand in den Point Guard investieren. Ist D-Rose ein Auslaufmodell? Falls nicht: Wo würde der ehemalige Knicks-Spieler hinpassen?

Cookie-Einstellungen

"Ich hatte zwei Ziele in der Offseason. Ich wollte jeden Tag trainieren und so viel Zeit wie möglich mit meinem Sohn verbringen. Ich will, dass meine Familie finanziell abgesichert ist. Ich sehe all das Geld, was in der Liga im Umlauf ist. Ich weiß, dass mein Tag bald kommen wird. Dafür möchte ich vorbereitet sein."

Es sind die Worte von Derrick Rose im September 2015, damals in den Diensten bei den Chicago Bulls. Ungefragt erklärte der MVP von 2011, dass er in zwei Jahren so viel Geld wie möglich verdienen möchte. Ein ungewöhnliches Statement, vor allem öffentlich und in dieser Deutlichkeit. Es kam von einem Spieler, der zuvor aufgrund unglaublichen Verletzungspechs gerade einmal 100 Spiele in drei Jahren absolviert hatte.

Nun ist die angepeilte Free Agency 2017 beinahe Geschichte, der Großteil des Geldes an die wichtigen Free Agents verteilt und Rose steht noch immer ohne Vertrag da. Was ist passiert? Hat sich der Agent verzockt? Überschätzt Rose seine Fähigkeiten oder ist einfach kein Markt mehr für den Guard da, der die Liga einst im Sturm eroberte? Es ist wahrscheinlich eine Kombination aus allen Faktoren.

Rose: Der verpatzte Neuanfang

Dabei sollte in der abgelaufenen Spielzeit alles besser werden. Durch den Trade von Chicago zu den New York Knicks entledigte sich Rose des Drucks als Hometown-Hero. Über Jahre lasteten schier unmenschliche Erwartungen auf dem Sohn der Stadt. Als jüngster MVP (2011) der Liga-Geschichte führte er die Bulls in die erfolgreichste Ära seit einem gewissen Michael Jordan.

In New York sollte alles besser werden, es wurde aber tendenziell schlimmer. Einen Buhmann zu finden, ist dabei gar nicht so leicht. Es half sicherlich nicht, vor der Saison von einem "Superteam" zu sprechen, was für Lacher in der gesamten Liga sorgte. Auch die Episode, als er sich im Januar unentschuldigt vor einem Spiel vom Team entfernte, um nach Chicago zu reisen, verbesserte seine Karten nicht.

Sportlich absolvierte Rose 66 Spiele, erzielte 18,0 Punkte, verteilte 4,4 Assists und traf 47 Prozent aus dem Feld. Dazu stand er über 32 Minuten pro Spiel auf dem Feld. Auch er selbst zeigte sich nach der Saison höchst zufrieden mit dem Gezeigten. "Es war schlecht, vergangene Saison so viel zu verlieren. Aber es war eine gute Erfahrung. Ich habe meine Teammates und den Coaching Staff geliebt. Und wer würde nicht gerne in New York spielen? Es war toll."

Doch was auf den ersten Blick recht verlockend aussehen mag, entblößt auf den zweiten ein deutlich düstereres Bild. Rose ist in der 2017er Version ein Minusspieler. Machte er zu MVP-Zeiten noch seine Mitspieler besser, ist dies nicht mehr der Fall. Ein negatives Netrating von 3,9 wurde notiert. Aber: Kein Knickerbocker war besser als -1,2. Mit Carmelo Anthony verloren die Knicks auf 100 Ballbesitze sogar satte fünf Punkte.

Rose: Vom Körper verraten

Sicherlich war D-Rose nie ein Pass-First-Guard (7,9 Assists als Höchstwert in der Saison 2011/12), doch schuf er mit seinem Speed jede Menge Platz für seine Mitspieler. Zwar blitzte seine Geschwindigkeit in Phasen gelegentlich auf, doch die Leichtigkeit, mit denen Rose einst an seinen Verteidigern vorbeiflog, wird er nie wieder konstant abrufen können.

Auch seine Fähigkeit, zwischen den Bigs zu vollenden litt durch die schwindende Athletik. Früher war er ein Naturereignis, heute ist Rose im Hinblick auf seine athletischen Fähigkeiten bestenfalls noch Durchschnitt.

Was bleibt, ist ein Arsenal aus Floatern und Pullup-Jumpern. Dabei war der Wurf von Rose stets die Achillesferse in seinem Spiel. Zwar beteuerte er, daran zu arbeiten, doch nie traf er den Dreier schlechter als in dieser Saison (21,7 Prozent).

Ein fatales Zeichen. Gerade wenn der Wurf wackelig ist, sollte dieses Defizit durch höheren Einsatz oder elitäre Defense wettgemacht werden. Nicht gerade Dinge, für die der einstige Star bekannt ist, erst recht nicht nach unzähligen Operationen am Knie.

Des Weiteren hat sich die Liga über die Jahre weiterentwickelt. War Rose einer der ersten Spielmacher, die vornehmlich scorten, ist die NBA nun überschwemmt von solchen Spielertypen und Coaches haben Lösungen für diese Bauart von Spielern gefunden. Das Skillset von Rose stagnierte dagegen.

Leben in der Vergangenheit

Wer möchte sich dann einen solchen Spieler in den Kader holen und noch entscheidender: zu welchem Preis? Noch im Januar berichteten die einschlägigen Medien, dass Rose einen Max-Contract anpeilen würde. Agent B.J. Armstrong bestritt dies später, doch der Ruf seines Klienten war wieder mal ramponiert.

Fehlte D-Rose der Blick für die Realität? Bereits in der Vergangenheit äußerte sich der ehemalige No.1-Pick offensiv, beinahe arrogant. 2010 stellte er provokativ die Frage, warum nicht er MVP werden könnte? Dies mag damals wahr geworden sein, doch sein großes Ego blitzte auch nach den Verletzungen auf. Die Aussage zum Superteam und angebliche Forderungen eines Maximal-Vertrags über 150 Millionen Dollar lassen grüßen.

Teams werden zweimal darauf schauen, ob Rose eine reduzierte Rolle akzeptieren wird. Zu mehr wird der Ex-MVP mit nun 28 Jahren nicht mehr in der Lage sein. Das muss Rose einsehen, so schwer es auch fallen mag.

Welche Teams könnten Rose gebrauchen?

Vielleicht haben die Ereignisse der Free Agency die Einsicht gebracht. Allgemein staubte außer Jrue Holiday (5 Jahre, 126 Millionen) kein Point Guard, der nicht zur obersten Kaste gehört, einen großen Zahltag ab. Das musste zum Beispiel George Hill schmerzlich erfahren.

Die großen Scheine sind nach über drei Wochen verteilt. Auch dass der Salary Cap nicht wie erwartet anstieg, macht es nicht leichter. Zahlreiche Teams, die im vergangenen Sommer noch mit offenem Portemonnaie in die Meetings für Vertragsgespräche kamen, drehen nun jeden einzelnen Dollar um. Lediglich Franchises wie Philly, Brooklyn oder Phoenix besitzen noch ausreichend Capspace, doch haben sie eigentlich keine Verwendung für einen Spieler wie Rose.

So bleibt für ihn wohl nur ein kurzer, vergleichsweise schlecht bezahlter Job, vermutlich als Bankspieler, eine Rolle, die die Karriere und den Ruf von Rose auch noch einmal ankurbeln könnte. Weniger Minuten würden die geschundenen Knie schonen, zudem könnte D-Rose als Mikrowelle von der Bank kommend die Second Unit anführen und eventuell gegen die schwächeren Rotationsspieler des Gegners glänzen.

Nicht umsonst wurde ausgiebig vom Interesse der Cavs berichtet. ESPN-Experte Adrian Wojnarowski schrieb jüngst, dass Franchise und Spieler über einen Einjahresvertrag verhandeln würden - zum Minimalgehalt von 2,1 Millionen Dollar. Viel wird von davon abhängen, was mit dem wechselwilligen Kyrie Irving passiert.

Die Karriere am seidenen Faden

Doch darüber hinaus gilt: Fast jedes Team hat bereits einen Aufbauspieler für die kommende Saison auserkoren. Point-Guard-Dürre ist sonst fast nirgends auszumachen. Bei den Indiana Pacers hat erst im Sommer Darren Collison unterschrieben, ein Starter in der Liga sollte er aber nicht sein.

Ansonsten fehlt den Chicago Bulls (Kris Dunn, Jerian Grant) und den New York Knicks (Frank Ntilikina) ein fähiger Guard. Nun ja, diese Türen werden sich wahrscheinlich nicht für Rose öffnen.

Am Ende des Tages kann es für den MVP von 2011 nur noch um die Verlängerung seiner Karriere in der Liga gehen. Er wird in den sauren Apfel beißen und für kleines Geld unterschreiben müssen. Seine Aussage, dass der Fokus auf dem Geld liegt, hat Rose schon lange revidiert. Neben dem Kampf mit dem Körper ist nun auch der Kampf um den Verbleib in der Liga hinzugekommen.

Artikel und Videos zum Thema