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NBA-Legendenserie - Jerry West: Warum sich einer der besten Spieler aller Zeiten als Verlierer sieht

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Jerry West ist das Logo der Liga. In den 60er Jahren trat er mit Elgin Baylor und den Los Angeles Lakers wiederholt gegen die Dynastie der Boston Celtics an und verlor immer wieder auf tragische Art und Weise. Erst spät in seiner Karriere folgte die Erlösung. Auch ohne den Titel wäre West als einer der besten und gefürchtetsten Spieler in die Geschichte eingegangen.

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"Jerry, Erfolg ist eine lange Reise, doch das größte Kompliment, was ein Mann bekommen kann, ist der Respekt seiner Kollegen." Es war das Jahr 1971 und Jerry-West-Night im Forum von Los Angeles. Celtics-Legende und Trainer Bill Russell sprach über einen seiner größten Konkurrenten seiner Zeit. "Respekt hast du mehr als genug. Du bist ein wahrer Champion. Mein Wunsch ist, dass du für immer glücklich bist."

Es war die Geschichte einer der angesehensten Spieler der 60er-Jahre. Nur ein Titel war dem schmächtigen, weißen Shooting Guard bis dahin nicht vergönnt gewesen. Sieben Finals erreichten seine Los Angeles Lakers, allein sechsmal waren die Boston Celtics um Russell der Gegner. Alle sieben gingen mehr oder weniger dramatisch verloren.

"Es tat weh, dass ich sie nie besiegen konnte. Egal, wie gut ich spielte, es schien nie genug zu sein", blickte West später auf seine zahlreichen Duelle mit den Celtics von Red Auerbach zurück. Dabei war West ein Spieler, der sich seine Skills hart erarbeitet hatte und seine Defizite mit unbändigem Willen und Ehrgeiz wieder wettmachte.

Jerry West: Aus West Virginia zu Gold

Als Teenager schaffte er es im ländlichen West Virginia nicht in die Auswahlteams der Football- oder Baseball-Mannschaften, weswegen er tagelang auf Körbe warf. Bei Wind und Wetter oder auch im Winter mit Handschuhen nahm er Jumper und Jumper. Dabei trainierte er sich selbst seinen schnellen Release an. Das letzte Dribbling wurde immer so hart ausgeführt, dass er sofort werfen konnte. Dies funktionierte anfangs nicht so ganz und so knallte der Ball immer wieder ins Gesicht des Jungen.

Doch die Mühen lohnten sich und aus West wurde ein echter College-Star, der WVU bis ins NCAA Championship-Finale führte. Zur Tragik passte, dass dieses Spiel verloren ging, obwohl West während des Turniers 32 Zähler im Schnitt auflegte. Im gleichen Jahr gewann West dann doch noch etwas. Mit Oscar Robertson und West gewannen die Amerikaner Gold bei den Olympischen Spielen. Heute spricht man vor der ersten Auflage des Dream Teams, wenn über die 1960er US-Boys gesprochen wird.

Die NBA wurde natürlich spätestens da auf den weißen Jungen aufmerksam. Die Lakers, die gerade von Minneapolis nach Kalifornien umzogen, schlugen 1960 an Position zwei zu. Speziell zu dieser Zeit dominierten aber noch, mit Ausnahme von The Big O, die Center, auch weil keine Drei-Punkte-Linie existierte und Guards vornehmlich ihren Bigs den Ball bringen sollten.

"Er war Jordan, 20 Jahre vor Jordan"

Zwar legte West über 14 Jahre 27,0 Punkte im Schnitt auf, doch niemand hätte in dieser Ära vom Dreier mehr profitiert als die Lakers-Legende. Wie auch später ein Pete Maravich war der Shooting Guard der Entwicklung im Basketball weit voraus. "Jerry West war für mich Michael Jordan, 20 Jahre vor Jordan", adelte Celtics-Forward Tommy Heinsohn den Rivalen.

Dabei stach außer dem Wurf keine Qualität von West besonders ins Auge. Er war weder der Schnellste, noch der Stärkste und auch seine Dribbling-Moves waren weniger spektakulär als die eines Oscar Robertson. Dennoch entschied sich die NBA, seine Silhouette als Logo der Liga zu verwenden. Eine größere Ehre gibt es wohl kaum. Im Zusammenspiel mit Elgin Baylor (Mr. Inside & Mr. Outside) erlangten die Lakers wieder Relevanz und wurden zum Äquivalent der Celtics im Osten.

Kryptonit Boston

Nur mit dem Titel wollte es einfach nicht klappen. Auerbachs Celtics hatten allein in vier Entscheidungsspielen der Finals die Nase vorn. Mal war Baylor angeschlagen, mal traf Sam Jones einen wilden Buzzerbeater oder Don Nelson versenkte einen Game Winner mit der Oberkante des Bretts. Die Lakers waren der chronische Verlierer eines ganzen Jahrzehnts.

Wohl niemanden traf diese Wahrnehmung mehr als West, der Niederlagen nicht ertragen und akzeptieren konnte. 1969 schien dann der große Moment endlich gekommen. West schenkte den Celtics in Spiel 1 der Finals 53 Punkte ein und Russell nannte dies "die beste Clutch-Performance", die er je gesehen hatte. Neben Mr. Clutch stand nun auch Wilt Chamberlain im Team, nachdem dieser im Sommer zuvor in die Stadt der Engel geholt wurde.

Zwar verletzte sich West im Laufe der Serie am Oberschenkel, doch L.A. bekam ein siebtes Spiel im heimischen Forum. Es war angerichtet: Lakers-Owner Jack Kent Cooke ließ sogar Luftballons mit dem Druck "Lakers World Champion" unter dem Hallendach aufhängen. "Das machte mich so sauer wie nie zuvor. Es war so respektlos und letztlich die ultimative Blamage für uns", sagte West später. Die Celtics gewannen natürlich auch dieses Spiel. Die Ballons erreichten nie den Hallenboden.

Im Anschluss bekam der untröstliche West den Finals-MVP zugesprochen. In der Geschichte der Liga war und ist dies einmalig. Mr. Clutch hatte 38 Punkte im Schnitt aufgelegt und in Spiel 7 mit einem Muskelfaserriss ohne den verletzten Wilt einen zweistelligen Rückstand im vierten Viertel aufgeholt und ein Triple-Double aufgelegt - es reichte nicht.

"Es war der Horror. Ich wollte in diesem Moment meine Karriere beenden. Es war für mich ein Spiel um Leben und Tod und ich wollte nicht ein weiteres Mal sterben", blickte West später zurück.

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