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Auferstanden aus den Daten

Die Memphis Grizzlies haben nach dem 2-2 Ausgleich das Momentum
© getty

Die Memphis Grizzlies waren nach zwei Spielen ein klarer Kandidat für einen Sweep. Die San Antonio Spurs machten mit dem 7-Seed kurzen Prozess, doch nach der emotionalen Rede von Coach David Fizdale hat Memphis seine Identität wiedergefunden. Die Spurs sind nach dem Ausgleich nun enorm unter Druck.

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"Take that for data!" Schon jetzt sind die markanten Worte von Coach Fizz legendär. Es dauerte keine 24 Stunden, da waren die ersten T-Shirts mit dem Zitat auf der Beale Street im Umlauf. Noch weniger Zeit brauchte Adam Silver allerdings, um Fizdale nach seinem Wutausbruch mit einer saftigen Strafe von 30.000 Dollar zu belegen.

Die Reaktion des Teams kam umgehend. Mike Conley und Co. verkündeten, zusammenlegen zu wollen und die Geldbuße für ihren Coach zu übernehmen. Es war mehr als eine noble Geste. Es war das Statement, dass das Team hinter seinem Coach steht. Und hinter seiner Wutrede, die nichts Geringeres zur Folge hatte als die Wiederauferstehung der Memphis Grizzlies. Die Wiedergeburt von Grit'n'Grind.

An die Wand gespielt

Nach zwei Spielen, in denen die Grizzlies ohne den Verletzten Tony Allen von San Antonio - genauer gesagt von Kawhi Leonard - an die Wand gespielt wurden, war der Blues in Memphis wieder so präsent wie Anfang des 20. Jahrhunderts.

Nur noch wenige Fans glaubten ernsthaft daran, dass ihr Team den großen Favoriten aus Texas gefährden könnte. Zu dominant, zu cool, zu unbeeindruckt spielte das Team von Gregg Popovich - wie man es eben von ihnen kennt.

Die Grizzlies hingegen, die schon zum Ende der Regular Season abgebaut hatten, zeigten wenig von dem, was sie auszeichnet. Die zahnlose Defense ermöglichte den Spurs in den ersten Spielen eine Wurfquote von 50,4 Prozent, von Downtown durften San Antonios Schützen mit 45-prozentiger Quote einnetzen.

Offensiv war es ebenfalls verheerend. Der Abfall von 100,5 erzielten Punkten in der Regular Season auf 82 Zähler war selbst mit den geringeren Possessions in den Playoffs nicht zu erklären. Es schien, als hätte das Team selbst den Glauben an sich verloren. Ohne den besten Verteidiger und gegen einen Kawhi-Roboter? Das war halt einfach nicht machbar. Kurzum: Die Grizzlies waren tot. Dann kam Fizz - und rüttelte die Mannschaft auf.

Z-Bo is back

Fizdale änderte nicht nur seinen Tonfall vom höflichen Rookie-Coach zum wütenden Bären mit dämonischem Blick, er änderte auch die Starting Five. Zach Randolph und James Ennis rein, JaMychal Green und Wayne Selden raus. Ein Move, der sich auszahlte.

Z-Bo entfesselte seine Kämpfernatur und wühlte in der Zone wie in besten Zeiten. Zudem profitierte er davon, wieder einen Großteil seiner Minuten mit Marc Gasol gemeinsam auf dem Feld zu stehen. Nach acht Jahren in Tennessee funktioniert ihr Zusammenspiel blind.

Und dann war da noch Mike Conley. Der Akteur mit dem ligaweit dicksten Vertrag (153 Mio. für fünf Jahre) spielte die beste Saison seiner Karriere, hatte aber einen schweren Start in die Postseason. Nach einem katastrophalen ersten Spiel legt Conley aber nun 28 Punkte bei 52 Prozent aus dem Feld und 48 Prozent vom Perimeter auf. Dazu liefert er 8 Assists bei nur 3 Ballverlusten pro Spiel. Take that for data, Russell Westbrook.

"Ein Elite-Point-Guard"

"Man muss sagen, dass er an seinem Spiel gearbeitet hat", sagt auch Spurs-Big-Man Paul Gasol: "Er hat enormes Vertrauen in seinen Wurf von draußen und nimmt dieses Jahr mehr Dreier bei besserer Quote. Er ist zu einem Elite-Point-Guard geworden."

Den brauchen die Grizzlies auch. Ohne Allen besteht die Guard-Rotation hinter Conley aus Ennis, Wandervogel Troy Williams sowie den Rookies Wayne Selden und Andrew Harrison. Nicht gerade Playoff-Material. Doch in Memphis haben die Jungspunde schnell gelernt, Verantwortung zu übernehmen.

Wie einst LeBron

Harrisons Chasedown-Block in der Verlängerung von Spiel 4 verkörperte das Grit'n'Grind wie kein zweites Play. Memphis wollte es einfach nicht akzeptieren, zu verlieren. Der anschließende Fastbreak führte zu einem And-one-Layup von Gasol. Ein-Punkt-Führung statt Vier-Punkte-Rückstand 90 Sekunden vor dem Ende.

Es das wichtigste Play des gesamten Spiels, sogar wichtiger als der Gamewinner, zu dem es ohne Harrison nicht gekommen wäre. Clever designed von Fizdale, stark verteidigt von LaMarcus Aldridge, unwiderstehlich versenkt von Gasol. Nach zehn missglückten Anläufen war es der erste siegbringende Wurf der Grizzlies in den Playoffs überhaupt.

Doch der Treffer hatte noch weitreichendere Folgen. Der Jubel und die Euphorie lösten bei einer Frau im Publikum die Wehen aus, zwölf Stunden später erblickte der kleine Archer Ellis White das Licht der Welt. Ob Gasol die Patenschaft übernimmt, ist nicht überliefert.

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Das Problem Leonard

Das Momentum ist nach dem Ausgleich bei den Grizzlies, doch mit der Rückkehr nach San Antonio wird es für Memphis in Spiel 5 nicht einfacher. Leonard ist und bleibt das große Problem. Nicht umsonst bat Fizdale die Basketball-Community um Mithilfe.

"Wenn jemand eine Idee hat, wie man Kawhi Leonard verteidigen kann, dann her damit. Ich habe alles versucht. Dieser Kerl ist eine harte Nuss. Er ist ein Superstar."

Ja, er hatte alles versucht. Selbst das Double-Team störte Kawhi nicht im Geringsten. Mit der Effizienz eines Dirk Nowitzki, der Selbstverständlichkeit eines LeBron James und der Ruhe eines Tim Duncan scorte er nach Belieben und traf auch in der Overtime zwei eiskalte Dreier zum Ausgleich.

Die Maschine in Zahlen

32,5 Punkte in 36 Spielminuten? 58 Prozent aus dem Feld, 53 Prozent von Downtown? 40 von 40 von der Linie? Leonard ist in der Postseason eine Maschine. Seit Duncan 2003 hat kein Spurs-Spieler solche Zahlen mehr aufgelegt - die aber auch ihren Tribut fordern.

Mit 15,5 Assists pro Spiel liegt San Antonio abgeschlagen am Ende des Playoff-Rankings - und das, nachdem man es 15 Jahre lang gewohnt war, sie in dieser Kategorie stets ganz oben zu finden. Es ist die Abkehr vom Erfolgsrezept. Doch statt der Big Three mit Timmy, Tony Parker und Manu Ginobili gibt es eben nur noch Kawhi. Der Rest sind Rollenspieler. Auch Aldridge, auch Gasol. Auch Parker.

Aber die Spurs haben Pop. Niemand ist in der Lage, den Supporting Cast besser einzusetzen als der Godfather des Coaching. Sei es ein Neuling wie Davis Bertans, der wichtige Dreier einstreut, ein Danny Green, der im Vergleich zu den Finals 2014 nicht mehr wiederzuerkennen ist oder ein Jonathan Simmons, der von allem etwas liefert.

Defense first

Zum Leidwesen der Grizzlies steht der wichtigste Rollenspieler nach einer Grippe in Spiel 5 vor der Rückkehr. Sein Name: Dewayne Dedmon. Der Center ist der beste Pick-and-Roll-Defender, den San Antonio aufbieten kann. Damit spielte Memphis Gasol und Aldridge in Spiel 4 müde. Die erzwungenen Switches nutzten die Grizzlies clever aus. Doch alles begann in der Defense. Das Fastbreak-Duell ging mit 26:9 deutlich an Memphis.

"Wenn wir auswärts dieselbe Intensität an den Tag legen, haben wie eine Chance, zu gewinnen", sagte Conley: "Es geht vielmehr um die Einstellung als um Systeme. Wenn wir nicht einen bestimmten Level an Intensität erreichen, wird es für uns ganz schwer. Aber dass wir es in uns tragen, haben wir in den letzten beiden Spielen gezeigt."

Dennoch war Conley Realist genug, um zu erkennen, dass Spiel 4 weit von der Perfektion entfernt war. Die 22 Ballverluste zeugen davon. "Wenn man so ein Spiel dann trotzdem gewinnt, bedeutet das einiges", so Conley.

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Die Grizzlies leben wieder

Spiel 5 findet in der Nacht auf Mittwoch in San Antonio statt. Als 2-Seed sind die Spurs unter Druck, die Partie gewinnen zu müssen. Doch die Grizzlies leben wieder. Und sie sind bereit, Widerstand zu leisten. Wie es ihr Coach vor wenigen Tagen vorgelebt hat.

Die lauten und markanten Worte von David Fizdale werden noch in vielen Jahren in Memphis präsent sein. Vielleicht nicht unbedingt auf der Beale Street, sondern eher auf T-Shirts in den untersten Schubläden von Kleiderschränken.

Aber wer weiß, vielleicht verbinden die Fans dann mit diesen Shirts mehr als nur einen Wutausbruch. Vielleicht denken sie an den Tag zurück, an dem die Grizzlies ihre Identität wiederfanden - und in der Serie gegen die Spurs das Ruder herumrissen.

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