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Alien vs. Alien

Von Jan Dafeld
Russell Westbrook und James Harden gelten als die MVP-Kandidaten Nummer eins und zwei
© getty

Russell Westbrook und James Harden sind die herausragenden Spieler der laufenden NBA-Saison. Ihre Statistiken sind in der neueren NBA ein Novum, für viele Experten wird sich das MVP-Rennen zwischen ihnen entscheiden. Eine zentrale Rolle könnte dabei auch das direkte Aufeinandertreffen der Oklahoma City Thunder und der Houston Rockets (Sonntag, 21.30 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) und ihrer Superstars einnehmen.

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James Harden. Russell Westbrook. Zwei Namen, die im März 2017 bereits ausreichen, um zahlreiche Gemüter in Deutschland, in den USA, weltweit zu elektrisieren. Die Statistiken, die die beiden Guards Nacht für Nacht auflegen, haben die Wahrnehmung der NBA in großem Maße verändert.

Es sind Fabelzahlen, die vor einigen Jahren, womöglich sogar Monaten, wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte. Russell Westbrooks Triple-Double im Schnitt wurde in der NBA seit den Tagen des legendären Oscar Robertson nicht gesehen, Hardens 29/11/8 wurde in der Geschichte der NBA ebenfalls von nur einem einzigen Spieler erreicht: Oscar Robertson.

Es gelten andere Gesetze

Dass Westbrook und Harden diese Statistiken in einer komplett anderen Zeit als Robertson auflegen, ist bei deren Einordnung zentral. Innerhalb der rund 50 Jahre, die zwischen diesen Meilensteinen liegen, hat sich das Spiel enorm gewandelt. Vergleicht man die Stats pro Possession von Robertson mit denen der heutigen Superstars, wirkt dieser doch plötzlich deutlich weniger beeindruckend. Die These, dass Westbrook und Harden das Spiel heute allumfassender beeinflussen als jemals ein Spieler vor ihnen, ist somit zumindest diskussionsfähig.

Die Gesetze, die für andere Spieler gelten, gelten für die beiden Superstars ebenso wenig wie die Gesetze der Vergangenheit: Während ein Triple-Double vor einigen Jahren noch ein dickes Ausrufezeichen im NBA-Alltag war, haftet jedem Double-Double von Westbrook oder Harden bereits der Hauch der Enttäuschung an. Ein Spiel ohne zweistellige Rebound- und Assistzahlen ist natürlich sowieso nahe einer absoluten Katastrophe!

Mehr als nur Stat-Maschinen

Bei all diesen astronomischen und (fast) nie dagewesenen Zahlen vergisst man jedoch: Westbrook und Harden sind weitaus mehr als nur Stat-Maschinen. Während der eine ein Team, das im Sommer noch einen der besten Spieler dieses Jahrtausends verloren hat, solide auf Playoff-Kurs hält, ist der andere der Hauptgrund dafür, dass sein Team in den Standings innerhalb eines Jahres um fünf Plätze nach oben geklettert ist.

Harden ist der Schlüssel zur wiedererstarkten Rockets-Offensive. Sein Turnover-lastiges Spiel (5,8 Ballverluste pro Partie sind Rekordkurs) wird ihm zwar immer wieder kritisch vorgehalten, allerdings ist es diese Rolle als Playmaker, die die gut geölte Offensiv-Maschine in Houston erst wieder ins Rollen gebracht hat. Seinen Assist-Schnitt hat Harden innerhalb eines Sommers um fast vier Punkte erhöht - bisher hatte er sich von Jahr zu Jahr nie um mehr als 2,1 Assists gesteigert.

In Oklahoma City bringt es Westbrook derweil fertig, eine Offense, in der sich ansonsten kein überdurchschnittlich guter Offensivspieler findet, zumindest solide zu halten. Mit 105,3 Punkten pro 100 Angriffen rangiert OKC im Mittelfeld der Liga. Genug, um immerhin klar auf Playoff-Kurs zu bleiben.

Generalprobe für die Playoffs

So kommt es, dass das Aufeinandertreffen am Sonntagabend nicht nur ein Duell zweier gigantischer Spieler und für viele ein Meileinstein auf dem Weg zur MVP-Wahl am Ende der Saison ist, sondern obendrein auch ein Fingerzeig für den Teil des Jahres ist, in dem es endgültig ernst wird: Die Playoffs warten.

Stand jetzt würde das Duell in der ersten Runde der Postseason tatsächlich Houston gegen Oklahoma City lauten. Der dritte Platz der Rockets ist zehn Spiele vor dem Saisonende bereits so gut wie in Stein gemeißelt. Die Thunder trennen von Rang fünf und sieben jeweils 1,5 Siege.

Aktuell liegen die Rockets im direkten Saisonvergleich mit OKC mit 2:1 in Front. Auch wenn es keiner der aktiven Akteure zugeben würde: Ein Sieg im abschließenden Duell kann im Hinblick auf ein Duell in den Playoffs zusätzlichen Auftrieb geben. Erst Recht, weil beide Teams in Bestbesetzung antreten. Das in Mode gekommene Schonen wichtiger Spieler, das bereits durch Commissioner Adam Silver gerügt wurde, hat in Houston und Oklahoma City bislang noch keinen Einzug erhalten.

Freundschaftliche Rivalen

Darüber hinaus sind die Duelle von Westbrook und Harden immer etwas Besonderes - und das nicht erst seit sie Zahlen auflegen, die vor ein paar Jahren noch allenfalls auf der Konsole möglich erschienen. Drei Jahre spielten die beiden Guards zusammen in Oklahoma, in ihren ersten und bislang einzigen NBA-Finals 2012 mussten sie sich den Miami Heat Seite an Seite stehend geschlagen geben.

Trotz der untergeordneten Rolle, die Harden damals noch bei den Thunder einnahm und die ihn zunehmend unzufrieden stimmte, verband die beiden Talente eine freundschaftliche Beziehung, die bis heute besteht. Als Westbrook sich beim All-Star Game nicht am gleichen Korb wie Kevin Durant aufwärmen wollte, leistete ihm nur ein Spieler Gesellschaft: James Harden.

Ein Duell zweier Philosophien

Im direkten Aufeinandertreffen wird von Freundschaft dennoch nur wenig zu spüren sein. Zu viel steht auf dem Spiel. Für die Teams, allerdings auch für Westbrook und Harden persönlich. Das MVP-Rennen ist nicht medial aufgebauscht, beide Spieler haben die Trophäe fest im Blick. Dass mit Enes Kanter und Steven Adams auf der einen und Patrick Beverley auf der anderen Seite Akteure ganz aktiv die Werbetrommel für ihren Mitspieler rühren, ist kein Zufall.

Daher wissen beide Spieler auch in diesem Zusammenhang um die Wichtigkeit dieses einen Spiels am Sonntag. Es ist nicht nur ein direktes Aufeinandertreffen, das Match wird auch im nationalen TV gezeigt. Ganz Amerika schaut zu - dies sind die Spiele, die im Gedächtnis bleiben. Auch bei der MVP-Wahl.

Obwohl die beiden Teams mit Andre Roberson und Patrick Beverley beide jeweils einen Kettenhund von der Leine lassen werden und das direkte Duell somit faktisch wohl gar nicht existieren wird, ist jedem Beteiligten klar: Jedes Augenpaar, ob in der Arena oder vor den Fernsehgeräten, wird auf die beiden Superstars gerichtet sein.

Auf der einen Seite der immer aggressive und emotionsgeladene Westbrook, der eine ganze Halle mit einem Dunk oder Block von den Sitzen zu reißen vermag, auf der anderen Harden, der mit seinem Schlafzimmerblick und einer scheinbar immer gleichen Kombination aus Moves Gegenspieler zur Verzweiflung treiben kann - es ist auch ein Duell zweier verschiedener Philosophien. Beide sind bislang gleichermaßen dominant, doch einer wird sich durchsetzen müssen. Sowohl am Sonntag, als auch am Ende der Saison. Dann beim MVP-Voting.

Der Spielplan im Überblick

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