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Das passende Ende keiner Ära?

Dwyane Wade wird in dieser Saison nicht mehr für die Bulls spielen
© getty

Das bittere Saisonaus von Dwyane Wade passt zur traurigen Saison der Chicago Bulls. Die kurze Ära von Wade in seiner Heimatstadt könnte schon wieder beendet sein. Es scheint, als könne der 35-Jährige mit seiner Zukunfts-Entscheidung nur verlieren, während auf die Bulls so oder so harte Zeiten zukommen.

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Eigentlich war es ein ganz normaler Kampf um einen Rebound, wie es ihn in jedem Spiel unzählige Male gibt. Doch irgendwie verhakte sich Dwyane Wades Ellenbogen so unglücklich in den kräftigen Armen von Zach Randolph, dass es leicht knackte - und D-Wade mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Katakomben schlich.

Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass es sich tatsächlich um eine kleine Fraktur handeln, die das Saisonaus für den 35-Jährigen bedeuten würde. Und dass es gut möglich ist, dass die sehr kurze Ära des Hometown Heroes in diesem Moment ein schnelles, unglückliches Ende genommen hatte.

Als später am Tag die MRT-Ergebnisse Gewissheit brachten, dass "The Flash" in dieser Saison nicht mehr aufs Parkett zurückkehren werde, trat der Verwundete mit einem klaren Statement vor die Kamera: "It sucks."

Eine Kampfansage folgte umgehend. In den nächsten Wochen werde er Jimmy Butler dabei zuschauen, wie er "in Ärsche tritt" und im Saisonendspurt über sich hinauswächst, um doch noch irgendwie die Playoffs zu erreichen. Doch obwohl der Kampf um Platz 8 einem Schneckenrennen gleicht, ist das wohl etwas zu viel Optimismus.

Zum Scheitern verurteilt

Als Wade im vergangenen Sommer für eine riesige Überraschung sorgte und sich als Free Agent den Bulls anschloss, sorgte das vielerorts für Stirnrunzeln. Dass er mit seiner Heimatstadt nicht die Chance haben würde, um Titel zu spielen, wird er gewusst haben. Doch dass gleich die komplette Playoffteilnahme in akute Gefahr gerät? Vermutlich hat er damit nicht gerechnet - obwohl vieles darauf hingedeutet hatte.

Der ohne Shooting zusammengestellte Kader startete vielversprechend in die Saison, da Wade einfach selbst im Sommer an seinem Wurf feilte und für Spacing sorgte. Nach einigen Spielen hatten das allerdings auch die Gegner mitbekommen und stellten sich entsprechend darauf ein, sodass sich die Dreierquote des Guards dem eigenen Karrierewert wieder annäherte (31 Prozent in dieser Saison, 29 Prozent insgesamt).

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Mit 18,6 Punkten war er hinter Butler trotzdem der zweite Topscorer des Teams und damit gleichzeitig einer der beiden Spieler, die mehr als zehn Punkte auflegen. Wirklich vermissen wird man ihn auf dem Parkett trotzdem nicht - zumindest, wenn die Statistiken zurate gezogen werden. Die besagen nämlich, dass sein Team offensiv wie defensiv ohne ihn besser dran ist.

Welche Optionen hat Wade?

Was nicht heißen soll, dass das seine Schuld ist. Der komplette Kader passt einfach nicht zu seinem Spiel, vor allem als per Trade in Doug McDermott auch noch einer der wenigen Shooter weggeschickt wurde. Taj Gibson wird ebenfalls vermisst, der allerdings wollte die Franchise im Sommer ohnehin verlassen. Seit dem Deal mit OKC steht die Bilanz bei 4-7.

Unabhängig davon, ob doch noch ein Wunder geschieht und das Team die Postseason erreicht: Wade wird sich im Sommer sehr genau fragen müssen, was er eigentlich will. Er besitzt für die kommende Saison eine Spieleroption im Wert von 23,8 Millionen Dollar. Zieht er die nicht, wird er erneut zum Unrestricted Free Agent.

Dass er mit den Bulls nächste Saison um die Championship spielen kann, ist nahezu ausgeschlossen. Allerdings betonte Wade immer wieder, dass er es nicht nötig habe, "Ringen hinterherzujagen", schließlich habe er schon drei Stück davon. Konkurrenzfähig will er sicherlich trotzdem bleiben. Und da hängt das Problem: Es ist äußerst fragwürdig, ob er dem Management zutraut, das Team entscheidend zu verbessern.

Geld oder Erfolg?

Der Schlingerkurs von Vizepräsident John Paxson und General Manager Gar Forman lässt überhaupt keine Prognosen zu, wo es für die Bulls in der nächsten Saison hingehen soll. Vieles deutet zwar auf einen Rebuild um Jimmy Butler herum hin, aber sicher scheint man sich da nicht zu sein. Zumal Butler auch schon 27 ist und in naher Zukunft oben mitspielen will.

Macht es aus sportlicher Sicht für Wade also wenig Sinn, die Option zu ziehen, sieht es aus finanzieller Sicht ganz anders aus. Denn: Knapp 24 Millionen Dollar wird ihm wohl niemand anders mehr bezahlen. Ob das für ihn eine Rolle spielt? Eigenen Aussagen zufolge nicht. Doch das Scharmützel mit den Heat im vergangenen Sommer lässt zumindest die Vermutung zu, dass das nicht zu 100 Prozent stimmen mag.

Fest steht, dass die Teams nicht mehr so viel Cap Space haben werden, wie es in der verrückten Free Agency 2016 der Fall war. Damals waren die Nuggets sehr an einer Verpflichtung Wades interessiert, um den Jungspunden einen Veteranen-Star an die Seite zu stellen. Ob der Entwicklung von Nikola Jokic erscheint es unwahrscheinlich, dass sie Wade erneut umgarnen werden.

Doch ein paar Teams mit Cap Space wird es auch 2017 geben. Da wären die Brooklyn Nets zu nennen, die es letztes Jahr auch schon versucht haben sollen. Oder auch die New York Knicks, sofern sich diese von Derrick Rose trennen. Allerdings: Dass es dort in der nahen Zukunft erfolgreicher zugehen wird als in Chicago... nun ja.

Er kann nur verlieren...

Bleibt also die allseits beliebte Option, sich für wenig Geld einem Contender anzuschließen. Eine Wiedervereinigung mit Buddy LeBron James bei den Cavs wurde schon letztes Jahr heiß diskutiert und auch die Los Angeles Clippers würden auf ihrer verzweifelten Jagd nach einem Contender-Status sicherlich nicht abgeneigt sein. Beide Teams könnten mit einer Midlevel Exception um die fünf Millionen Dollar offerieren.

Genügt das den Ansprüchen von Wade, der es in der Tat nicht mehr nötig hat, sich irgendwo einen Ring zu "erschleichen"? Es scheint, als könne er im öffentlichen Meinungsbild nur verlieren: Zieht er seine Monster-Option, wird er aus vielen Ecken als geldgierig hingestellt werden, zumal er den Bulls entscheidende Optionen im Rebuild wegnimmt. Und wie Spieler bei vielen Fans ankommen, die zum Minimum bei einem Contender unterschreiben, ist hinlänglich bekannt.

Chicagos Lose-Lose-Situation

Während Wade seine Zukunft allerdings zumindest selbst in der Hand hat, ist die Lage der Bulls unglücklicher. Sie können erstmal nur abwarten, zu welchem Schritt sich der Spieler entscheidet, bevor über die nächsten Umbaumaßnahmen entschieden werden kann.

Die Variante ohne Wade wäre für die Zukunft sinnvoller. Ohne dessen Millionen und angenommen der Tatsache, dass Rondo entlassen und seine drei verbleibenden, garantierten Millionen gestretcht werden, hätte man plötzlich 50 Millionen Dollar an Cap Space zur Verfügung (wenn eigene Free-Agent-Rechte nicht wahrgenommen werden).

Doch natürlich gibt es auch hier einen Haken. Sollte es tatsächlich so kommen, stünden nur noch Jimmy Butler und Robin Lopez als gestandene Starter in den eigenen Reihen, während die Entwicklungen von Spielern wie Bobby Portis, Jerian Grant oder Denzel Valentine nicht besonders viel Hoffnung wecken. Auf Paul Zipser als soliden Rollenspieler könnte man immerhin bauen.

Dieser XXL-Rebuild würde einige Jahre in Anspruch nehmen, denn künftige Free Agents werden von der laufenden Chaos-Saison und dem Hin und Her bezüglich der Franchise-Ausrichtung nicht gerade magisch angezogen. Es scheint also nur die Erkenntnis zu bleiben, dass die Hometown-Hero-Ära mit Wade in die Hose gegangen ist - egal, ob sie bei einem Rebound-Duell ihr Ende fand, oder erst im nächsten Jahr ausläuft.

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