NBA

"Ich klaue gerne in Europa"

Brad Stevens hat seit zwei Jahren in Boston das Kommando
© getty

Am Dienstagabend siegten die Boston Celtics mit ihrem Coach Brad Stevens im Rahmen der Global Games bei Olimpia Milano, am Donnerstag geht es gegen Real Madrid (ab 21 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE). Für Stevens ist es aber nicht die erste Erfahrung mit internationalem Basketball. Der Coach über die Vorbereitung, unterschiedliche Philosophien und seine Faszination für Teams aus Europa.

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Frage: Herr Stevens, wie kommen Sie und Ihre Spieler mit dem Jetlag zurecht?

Brad Stevens: Naja, wir sind alle ziemlich platt. Aber das ist eben ein Teil des Reisens, deswegen haben wir auch drei Tage in Mailand, bevor das Spiel ansteht. Die Trainingstage hier werden vermutlich nicht die produktivsten sein, ebenso wenig wie die ersten beiden Tage zurück in den Staaten.

Frage: Dann sind Sie gar nicht so glücklich über diese Reise in der Saisonvorbereitung?

Stevens: Das habe ich nicht gesagt. Für mich als Basketball-Enthusiast ist es immer wieder großartig, mich mit Mannschaften aus anderen Ländern zu befassen und zu sehen, wie sie den Sport angehen. Ganz ehrlich: Gerade in Sachen Coaching entstehen dadurch für mich auch Gelegenheiten, Ideen anderer Trainer in meine Philosophie einzubinden oder schlichtweg zu klauen. Ich bin schon lange ein Fan des internationalen Basketballs und klaue vor allem in Europa gerne. (lacht)

Frage: Was gefällt Ihnen speziell am europäischen Spiel?

Stevens: Ich liebe es, wie gut das Spacing bei vielen Teams funktioniert. Ich liebe es, dass der Teamgedanke überall im Vordergrund steht und wie sich der Ball durch die Reihen bewegt. Auch die Pace im europäischen Spiel gefällt mir unglaublich gut. Sie merken es schon: Es gibt nicht viel, was mir hier nicht gefällt. Wie gesagt, ich verfolge den Basketball außerhalb der USA seit vielen Jahren und lerne ständig Neues dazu.

Frage: Wann hat diese Faszination für Sie begonnen?

Stevens: Die Leidenschaft habe ich schon ewig, für mich als Trainer gab es aber 2011 einen prägenden Moment, als ich bei der Sommer-Universiade als Assistant Coach mit dem US-Team in China war. Auf der Rückreise habe ich realisiert, dass nicht etwa eins der Spiele mein wertvollstes Mitbringsel war: Vielmehr hatte ich danach ein etwa 23-minütiges Video mit unterschiedlichen Plays zusammengestellt, die ich vorher nicht kannte und die ich seitdem immer mal wieder einbringe. Meine Aufgabe war es damals in erster Linie, die Gegner zu scouten und beim Analysieren von beispielsweise Russland oder Serbien habe ich unglaublich viel mitnehmen können.

Frage: Wird denn in der NBA so gravierend anders gespielt?

Stevens: Einige Teams in den USA verfolgen vollkommen unterschiedliche Spielphilosophien. Allerdings gleichen sich die Stile mittlerweile ein wenig an, gerade wenn man auf den Trend zum Small Ball blickt. Man sieht jetzt in der NBA beispielsweise viel häufiger Spread-Pick-and-Rolls als noch vor einigen Jahren, es wird viel mehr Wert auf Spacing und Shooting gelegt. Es ist bei uns aber noch lange nicht gang und gebe, dass sich der Ball so rasant schnell bewegt wie bei einigen Teams in Europa.

Frage: Haben Sie Olimpia Milano und Real Madrid auch schon gescoutet?

Stevens: Ja, ich habe mir schon jede Menge Game-Tapes beider Teams angesehen. Gerade Madrid hat viele Spieler, die ich ohnehin seit Jahren genau verfolge und von denen sowohl ich auch als meine Spieler noch lernen können, das macht es für mich zu einem Genuss.

Frage: Wie bereiten Sie Ihr Team im Speziellen auf die beiden Gegner vor?

Stevens: Wir werden uns die nächsten Tage auch gemeinsam einige Videos ansehen, jeder Spieler erhält einen Scouting-Report. Aber man muss auch ehrlich sein: Wir sind noch so früh in unserer Vorbereitung, dass wir in erster Linie schon mit unseren eigenen Abläufen beschäftigt sein werden. Das muss erst einmal im Vordergrund stehen. Die Europäer sind ja deutlich weiter in ihrer Vorbereitung als wir. Für Mailand startet die heimische Liga wenige Tage nach unserem Freundschaftsspiel. Ich gehe daher eigentlich sogar davon aus, dass sie uns ein wenig den Kopf verdrehen und Knoten in die Beine spielen werden. Das ist zu diesem Zeitpunkt unserer Vorbereitung einer der Gründe, weshalb ich mich auf diese Herausforderungen besonders freue.

Frage: Sie haben gerade Ihre dritte Saisonvorbereitung als NBA-Trainer begonnen. Was machen Sie heute anders als vor drei Jahren?

Stevens: So viel hat sich eigentlich nicht geändert, wenn man von dieser Reise absieht. Wir passen uns natürlich an die Situation an - es sind wieder einige Jungs gegangen und andere neu dazugekommen. Gerade dafür ist es aber nützlich, sich auf diesem Trip persönlich besser kennenzulernen. Die Spieler sind auch deshalb alle ohne Verwandte angereist und unternehmen hier in der Freizeit viel miteinander.

Frage: Einer der Abgänge war Luigi Datome, der nun zu Fenerbahce gewechselt ist. War er nicht für die NBA gemacht?

Stevens: Das war er meiner Meinung nach auf jeden Fall. Er ist ein unglaublich angenehmer Typ im Locker Room, ein guter Mitspieler und jemand, der sich selbst nicht zu ernst nimmt, der weiß, dass die Welt nicht allein von ihm abhängt. Er hat sich bei uns nach seinem Trade sofort gut zurechtgefunden und seine Rolle super ausgefüllt. Er bringt wichtige Qualitäten mit, weil er ein guter Shooter ist und das Spiel verstanden hat, auch defensiv.

Frage: Warum dann der Rückschritt nach Europa?

Stevens: Ich weiß, dass nicht jeder diese Meinung teilt, aber ich kann es nur immer wieder betonen: Es gibt eine ganze Menge Spieler in der Welt, die nicht in der NBA sind, obwohl sie zweifellos das Zeug dazu haben. Einige finden bei uns nicht die perfekte Situation für sich vor und können sich daher nicht so durchsetzen, wie sie es vorhatten. Andere treffen ganz bewusst die Wahl, in Europa oder anderswo zu spielen. Das ist einfach die Realität. Nehmen wir Gigi: Er hat von Fenerbahce ein überragendes Angebot bekommen und wird dort eine immens wichtige Rolle einnehmen. Das heißt nicht, dass er nicht in der NBA spielen könnte. Und da ist er bei weitem nicht der Einzige. Wir müssen weg von diesem Gedanken, dass nur in den USA guter Basketball gespielt wird.

Der Kader der Celtics im Überblick