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MLB: Speed ist nicht genug - Warum Fastball-Kanonen heute nicht mehr ausreichen

Von Lukas Zahrer
Pitcher brauchen heutzutage mehrere Wurfstile, um erfolgreich zu sein.
© getty

Die Anforderungen an die Pitcher der MLB haben sich in den letzten Jahren schlagartig vergrößert. Während am Anfang des Jahrzehnts ein plumper Fastball ausreichte, um die gegnerischen Schlagmänner schwach aussehen zu lassen, benötigt es heute mehr denn je ein umfassendes Repertoire an verschiedenen Wurfstilen. Welche Optionen haben die Pitcher dabei?

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Der Baseballsport bringt einen natürlichen Konjunkturzyklus der Kräfteverhältnisse zwischen Pitcher und Hitter mit sich. Eine der beiden Seiten scheint über einige Jahre zu dominieren, bis das Pendel in die andere Richtung ausschlägt.

In den vergangenen Jahren entwickelte sich ein Trend hin zu einer den Schlagmännern freundlicher gesinnten Liga. Während der Baseball - also das Spielgerät als solches - wohl einen Einfluss auf die höhere Anzahl an geschlagenen Homeruns hat, ist ein weiterer Grund offensichtlich.

Die Hitter haben sich zunehmend auf den Pitching-Stil der Liga eingestellt, und können heute deutlich besser damit umgehen als noch vor einigen Jahren. Zu Beginn des Jahrzehnts dominierten noch die Aces das Spielgeschehen, und sie taten dies vor allem mit einem Pitch: dem schnellen Fastball.

MLB: Pitches im Schnitt immer schneller

Deshalb setzten die Aces in den vergangenen Jahren immer mehr auf den klassischen Pitch, und schraubten die Geschwindigkeiten laufend in die Höhe. In der Saison 2017 verzeichnete die ESPN Stats & Information Group insgesamt über 110.000 Fastballs, die mit 95 Meilen pro Stunde oder schneller abgefeuert wurden. Zum Vergleich: erst fünf Jahre zuvor waren es weniger als halb so viele.

"Es ist unglaublich, wie viele mittlerweile an die 95 rankommen", sagt etwa Yankees-Linkshänder CC Sabathia zur Evolution des Pitchingstils in der MLB: "Als ich meine Karriere begann, war das noch ganz anders."

Das Problem der Werfer: Die Hitter haben sich im Verlauf der letzten Jahre immer besser darauf eingestellt. Verbuchten sie gegen diese schnellen Pitches drei Jahre zuvor noch eine OPS von .654, standen sie in 2017 bei einem Wert von .734. Dies entspricht einer Verbesserung von über 12 Prozent - im Baseball, wo oft Nuancen über den Playoff-Einzug einer Franchise entscheiden, bedeutet diese Differenz die Welt.

"Wenn du heute einen 97-Meilen-Fastball bekommst, fühlt es sich nicht mehr so hart an", erklärt Jeremy Affeldt, ehemaliger Reliever und dreifacher World-Series-Champion. "Du siehst diese Bälle einfach immer öfter, das macht es einfacher."

Betrachtet man die Zahlen der Hitter gegenüber allen Pitcharten, ist ebenfalls eine Leistungssteigerung erkennbar: über die letzten drei Jahre legten die Schlagmänner um 50 Punkte zu, das Niveau an der Platte steigt also generell. Dennoch bleibt die relative Verbesserung bei schnellen Fastballs signifikant:

MLB: Wie Hitter sich gegen Fastballs verbesserten

SaisonAnzahl 95+ MPH FBLigaweiter OPSOPS vs. 95+ MPH FBDifferenz
201252.0120,7240,6850,039
201359.6270,7140,6780,036
201463.5840,7000,6540,046
201581.5720,7210,6980,023
201683.3250,7390,7260,013
2017110.5290,7500,7340,016

Pitching-Staff muss kreativer werden

Dass Hitter mittlerweile gut mit flotten Fastballs umgehen können, ist auch den Managern der Ligen nicht verborgen geblieben. "Es ist ein schmaler Grat", sagt A.J. Hinch von den amtierenden Champions, den Houston Astros. "Manche Jungs können gut mit der Geschwindigkeit umgehen, manche nicht. Deshalb wäre es uns am liebsten, verschiedenste Optionen zu haben, um Hitter zu attackieren. Wir wollen nicht nur über die Geschwindigkeit kommen."

Auch Affeldt ist sich sicher: "Wenn sich die Hitter besser darauf einstellen, werden wir mehr Typen sehen, die unter dem Geschwindigkeits-Durchschnitt werfen, um mehr Outs zu bekommen."

MLB: Pitch-Arten im Überblick

Welche Optionen haben die Pitcher, um auch mit weniger Geschwindigkeit an den Männern an der Platte vorbeizukommen? Sie versuchen es mit Breaking Balls, also mit einer Wurftechnik, bei der der Ball im Flug seine Richtung ändert. Diese werden weiter in spezielle Pitches unterteilt.

Zunächst gäbe es den Slider, der hinter dem klassischen Fastball jener Pitch ist, der in der aktuellen Saison am zweithäufigsten zum Einsatz kommt. Grundgedanke ist dabei jener, dem Ball eine deutliche Seitwärtsrotation und eine leichte Rückwärtsrotation mitzugeben.

Der Ball sieht zunächst aus wie ein normaler Fastball, bricht aber kurz vor dem Batter in eine unerwartete Richtung aus. Slider sind zudem im Schnitt um fünf bis zehn Meilen pro Stunde langsamer als Fastballs.

Das Verletzungsrisiko ist bei solchen Breaking Balls allerdings höher, da die Wurftechnik und die Handhaltung von einem natürlichen Griff zum Teil deutlich abweicht.

MLB: Wurfstile von Pitchern in der Saison 2018 im Überblick

Wurfstilrel. HäufigkeitDurchschn. Geschw. (MPH)
Fastball56,1 Prozent92,3
Slider16,4 Prozent83,8
Changeup10,4 Prozent84,0
Curveball10,1 Prozent78,7
Cutter5,7 Prozent88,0
Splitter1,3 Prozent84,6

Variation durch Curveballs und Changeups

Noch etwas langsamer geworfen wird der Curveball. Bei diesem sorgt ein klassischer Topspin, eine Vorwärtsrotation, in den meisten Fällen dafür, dass der Ball immer weiter abfällt. Man spricht meist von einem 12-6-Curveball, da es für den Schlagmann so aussieht, als ob der Pitch hoch - also bei 12 Uhr - startet, und anschließend nach unten - auf 6 Uhr - ausbricht.

Beinahe gleich beliebt wie der Curveball ist der Changeup. Dieser soll von der Wurfbewegung nicht von einem Fastball zu unterscheiden sein, ist aber in der Regel um rund 10 Meilen pro Stunde langsamer geworfen. Damit ist das Timing bei Hittern im Idealfall falsch und sie verpassen den Pitch mit einem Swing-and-Miss.

Trevor Hoffman, einer der besten Reliever der MLB-Geschichte, entwickelte den Changeup nach einer Schulterverletzung zur Perfektion. "Ich habe die Bälle an der Rückseite meiner Handfläche gegriffen", erzählt Hoffman, "Täuschung, Genauigkeit und Selbstbewusstsein ist viel wichtiger als pure Geschwindigkeit."

Das Täuschen und Tarnen wird bei den Pitchern in den kommenden Jahren immer wichtiger, um das Ruder wieder herumzureißen, und die Kräfteverhältnisse zu ihren Gunsten zu drehen. Bis dahin dürfen wir uns aber wohl auf einige weitere Monate und Jahre mit vielen Hits und Homeruns einstellen.

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