MLB

Kai Gronauer im Interview: "Vor mir spielten Leute, die offensichtlich gedopt waren"

Kai Gronauer spielte lange Jahre im Farmsystem der New York Mets
© spox

Kai Gronauer, Ex-Minor-League-Spieler der New York Mets, spricht im Interview mit SPOX über seine Baseball-Karriere in den USA, Tipps vom Security-Chief bezüglich der New Yorker Mafia und Regeln, an die sich Sportler besonders in Las Vegas halten müssen. Außerdem gibt er Einblicke in seine Arbeit als Trainer der Buchbinder Legionäre in der deutschen Bundesliga.

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SPOX: Herr Gronauer, nachdem wir uns beim letzten Mal eher über die damals noch laufende Saison unterhalten haben, soll es jetzt um Sie und Ihre Karriere gehen. Wie sind Sie eigentlich zum Baseballsport gekommen?

Kai Gronauer: Ich war zehn oder elf Jahre alt und habe mit meinem besten Freund aus der Nachbarschaft immer alles zusammen gemacht. Wir haben Handball, Tennis und Fußball gespielt und dann schlug er vor, dass wir mal zum Baseball-Training gehen. Es gibt ja eine Baseball-Mannschaft in Solingen. Ich fand das ganz interessant und bin letztlich dort hängen geblieben.

SPOX: Was sagen Sie denn jemandem, der sich vielleicht nicht so gut auskennt, was die Faszination dieses Sports ausmacht?

Gronauer: Grundsätzlich: Wenn jemand das Spiel schon mal gesehen hat und es nicht schön findet, dann muss man das einfach akzeptieren. Aber wenn sich jemand noch nicht damit auskennt, vielleicht nicht mal weiß, was Baseball ist und wie es gespielt wird, dann sollte man wirklich einfach mal zu einem Baseballspiel gehen und sich das angucken. Da kann man mit fachkundigen Leuten darüber reden. Vor allem in Deutschland ist es ja so, dass wir eine ganz tolle Gemeinschaft haben. Wir, die wir uns mit Baseball in Deutschland beschäftigen, lieben den Sport alle. Es ist einfach ein komplett anderes Flair als bei deutlich beliebteren Sportarten hier - wie Fußball oder Handball. Es ist zwar sehr zeitintensiv, aber man kann sich die Zeit auch sehr gut vertreiben durch ein schönes Miteinander.

SPOX: Es besteht aber immer die Gefahr, dass so ein Spiel auf den Laien eher langweilig wirkt.

Gronauer: Aber dem ist ja nicht so. Wenn man einmal Interesse daran gefunden hat, Blut geleckt hat, dann kommt man so langsam dahinter, was eigentlich diesen Sport ausmacht. Da gibt es meist ein ganz tolles Duell - Mann gegen Mann. Es ist wirklich ein superinteressantes Spiel. Und man sagt ja auch manchmal, Schach sei langweilig. Das ist es aber überhaupt nicht, wenn man sich die Taktik überlegt zum Beispiel. Und das geht eben im Baseball auch.

SPOX: Anno 2008 hatten Sie halbwegs konkrete Anfragen von den Twins und Pirates, die Sie aber ausgeschlagen haben. Was war der Grund dafür?

Gronauer: Das waren schon konkrete Angebote mit Geld dahinter, aber das konnte ich früher schon ganz gut und kann ich heute auch noch, nämlich Risiken und Chancen für mich abwägen. Und bei den Angeboten war es so, dass es finanziell keinen Sinn gemacht hätte, sieben Jahre das Land zu verlassen und eine Ausbildungsstelle oder ein Studium hier in Deutschland nicht zu machen. Das war einfach eine finanzielle Sache.

SPOX: Nicht viel später kamen dann jedoch die Mets ...

Gronauer: Ich glaube am selben Tag oder dem Tag, nachdem ich meinen Ausbildungsvertrag unterschrieben hatte - ich hatte eine feste Ausbildungsstelle - kam dann ein Angebot von den Mets, bei dem ich gesagt habe: "Oh, das ist jetzt doch was anderes. Und da würde es dann Sinn machen, diesen Schritt und diesen Weg nach Amerika zu gehen."

SPOX: Es ging also im Grunde nur ums Finanzielle und nicht etwa darum, dass Ihnen die anderen beiden Teams vielleicht nicht gefallen hätten?

Gronauer: Nein. Ich wusste genau, dass ich damals bei den Pirates und den Twins gute Chancen als Catcher hatte. Außer Joe Mauer bei den Twins gab es eben keinen wirklich großen Namen, der da irgendwie vor mir gewesen wären. Von der sportlichen Perspektive her wäre es im Endeffekt also genauso gut gewesen wie bei den Mets, aber es war wirklich nur das Finanzielle.

SPOX: 2013 sind Sie zu Triple-A Las Vegas gekommen, sind dort bis 2014 geblieben und haben dann Ihre Karriere beendet. Was gab für Sie letztlich den Ausschlag, den Schlussstrich zu ziehen?

Gronauer: Das waren verschiedene Gründe. In meinem letzten Jahr in Triple-A hatte ich nicht mehr so viel gespielt. Ich weiß nicht, ob es fehlerhafte Kommunikation war zwischen dem Team und mir, aber ich habe eben immer von den Spielern, Trainern und auch von meinem Catcher-Vorgesetzten positive Worte gehört. Da hieß es immer: "Du arbeitest so hart." Und die Pitcher und der Manager haben gesagt: "Ich möchte, dass der Kai catcht." Aber die Organisation hatte eben ihre eigenen Pläne und hat mich nicht mehr so berücksichtigt. Und dann geht natürlich auch ein bisschen der Spaß verloren. Ich habe bis zum letzten Tag auch wirklich sehr hart gearbeitet, ich habe keine Bullpens ausgelassen, ich war der erste und manchmal auch der letzte, der am Platz war. Denn wenn ich mal spielen durfte, wollte ich auch 100 Prozent da sein. Ich habe einfach mein Bestes gegeben, aber die Organisation hatte eben andere Pläne.

SPOX: Gab es denn während Ihrer letzten Saison schon Überlegungen, nach Deutschland zurückzukehren?

Gronauer: Ja. Da kamen die Legionäre auf mich zu und haben gefragt, was sie machen müssen, um mich nach Deutschland zurückzuholen und am Standort in Regensburg zu halten. Da gab es sogar schon ein paar Angebote.

SPOX: Es nochmal ein Jahr zu versuchen war also keine Option?

Gronauer: Nein. Vor mir haben Leute gespielt, die offensichtlich - das ist später herausgekommen - gedopt waren und sich mit Steroiden fit gehalten haben. Und die wurden auch nie dafür bestraft. Hinzu kamen auch noch ein paar sportliche Dinge, sodass ich in dem System dann auch nicht mehr aktiv sein wollte. Ich wollte es mir nicht mehr antun. Und dann war das Angebot aus Regensburg auch einfach zu gut, sodass ich gesagt habe, ich lege mich jetzt fest: das wird meine letzte Saison sein.

SPOX: Rückblickend betrachtet: Würden Sie sagen, Sie haben alles erreicht, was Sie wollten? Oder sehen Sie sich ein wenig als gescheitert an, weil Sie es nicht in die MLB geschafft haben?

Gronauer: Ich habe es leider nicht nach ganz oben geschafft. Das ist der einzige kleine Wehrmutstropfen. Ich hab es ins All-Star-Team geschafft, ich habe im Major-League-Spring-Training gespielt, ich war das beste Catching-Prospect der Organisation über zwei, drei Jahre. Ich habe wirklich immer alles gegeben. Ich kann mir ansonsten nichts vorwerfen und die Zeit, in der alles in Ordnung war, war wunderbar. Die hätte ich mir nicht besser vorstellen können. Es war nicht einfach. Im Gegenteil: es war ziemlich hart. Vor allem, wenn ich verletzt war. Und dabei waren auch viele Verletzungen, die nicht mit einem Aufenthalt auf der Disabled List zu Buche standen.

SPOX: Können Sie das präzisieren?

Gronauer: Es kam schon mal vor, dass man mit 39 Grad Fieber spielt. Oder wenn man zwei Tage nach einer Kollision wieder auf dem Platz steht, obwohl man eigentlich eine Gehirnerschütterung und Schmerzen am ganzen Körper hat. Oder wenn man einen Ball auf den Cup bekommt und dann mit Morphium und anderen Schmerzmitteln zwei oder drei Tage später wieder spielt. Das sind dann eben so Sachen, die stehen nirgendwo drin. Aber ansonsten kann ich mir nichts vorwerfen, es war eine tolle Zeit. Ich habe viele nette Leute kennengelernt. Obwohl es so viele schlechte gab, die versucht haben zu bescheißen mit Steroiden oder ähnlichem, habe ich noch viel mehr tolle Leute getroffen und stehe auch immer noch mit vielen in Kontakt, weshalb es schon eine wunderschöne Zeit war.

SPOX: Danach ging es zurück nach Regensburg, wo Sie erst als Spieler und Co-Trainer fungierten und seit 2016 der Trainer wurden. Beschreiben Sie mal diesen so kurzen Übergang.

Gronauer: Für die Spieler bin ich natürlich der Trainer. Es war gerade anfangs, als ich einen kompletten Schnitt gemacht und nicht mehr gespielt habe, nicht einfach. Da muss man sich ein wenig aus dem Spielerkreis zurückziehen. Man muss ein bisschen vorsichtiger sein, denn gerade auf dem Platz ist man eben Trainer und nicht Freund. Neben dem Platz ist es eine andere Sache. Das war nicht ganz so einfach. Aber es wird immer besser, das Ganze gut zu trennen, weil ich auf dem Platz eben nur das Beste von den Jungs verlange, auch wenn es manchmal ein bisschen härter ist. Neben dem Platz bin ich noch gut befreundet mit den meisten, aber das ist kein Problem.

SPOX: Ist Baseball-Trainer nun eigentlich Ihr Fulltime-Job?

Gronauer: Nein. Neben dem Baseball mache ich jetzt auch noch eine Ausbildung bei einem unserer Sponsoren. Die Jungs haben ja schon alle noch was anderes, über das sie nachdenken, ob sie nun in die Schule gehen oder studieren, arbeiten. Und ich habe jetzt auch noch was anderes, womit ich mich ein bisschen ablenken kann. Und da bin ich auch sehr dankbar für.

SPOX: Wie viel Einfluss kann denn ein Manager aufs Spiel nehmen?

Gronauer: Leider nicht so viel wie ich gern würde. Das ist natürlich auch nochmal eine große Umstellung für mich. Manchmal denke ich mir, "Mein Gott, das kann doch jetzt nicht so schwer sein". (lacht) Aber dann muss ich daran denken, dass es auch für mich nicht immer so einfach war. Ein Grundprinzip von mir ist, dass ich versuche, die Jungs in Situationen zu bringen, in denen sie Erfolg haben können. Das habe ich früher von meinen guten Trainern mitgenommen. Das ist relativ leicht, wenn man weit vorne oder weit hinten liegt, aber in knappen Spielen wird es meist schwieriger. Aber das macht natürlich auch für mich so ein bisschen den Reiz aus, dass man vielleicht manchmal ein bisschen mehr Risiko gehen kann, manchmal ein bisschen weniger. Man kann schon der Mannschaft an sich helfen, aber man muss versuchen, das Richtige zu tun und das ist nicht immer ganz einfach.

SPOX: Sind Sie denn während des Spiels schon mal rausgeflogen?

Gronauer: Oh ja. Ich glaube ich bin dieses Jahr schon zum dritten Mal rausgeflogen. Letztes Jahr im Halbfinale gegen Bonn bin ich einmal rausgeflogen, da musste ich einen Spieler in Schutz nehmen. Und dieses Jahr auch einmal, das war aber glaube ich eher ein Missverständnis zwischen dem Umpire und mir.

SPOX: Das waren also keine Situationen, in denen Sie dachten, das Team bräuchte mal einen Schub und Sie versuchten, absichtlich rauszufliegen?

Gronauer: Nein, absichtlich würde ich sowas nie machen. Letztes Jahr in Bonn war ich einfach mit der Situation unzufrieden, wie die Schiedsrichter die Spieler in der Spielsituation behandelt haben. Und ich bin eben auch ein sehr emotionaler Mensch und habe dann eben einen Schläger aufs Feld geworfen und war einfach sauer. Aber wenn es nur eine Fehlentscheidung ist, versuche ich einfach ein bisschen den Umpire zu hinterfragen und frage ihn, was er denn gesehen hat. Oder ob vielleicht ein anderer Umpire die Situation besser gesehen hat, weil derjenige in einer schlechten Position war. Aber ich würde nie ein großes Fass aufmachen, selbst wenn es eine klare Fehlentscheidung ist. Ich kann den Umpire ja nicht einfach anschreien, das bin ich auch als Catcher gewohnt. Aber die Situation im letzten Jahr war wirklich so, dass ich fand, dass der Spieler vom Umpire schlecht behandelt wurde und der Umpire die Spielsituation dann falsch verstanden hat. Und er hat nicht mit sich reden lassen, und dann war ich eben sauer.

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