Samstagabend: Test- statt Topspiel

Von Sebastian Hahn
Bereits zum vierten Mal hintereinander ist dem FC Bayern die Meisterschaft kaum mehr zu nehmen
© getty

Der FC Bayern München steht vier Spieltage vor Schluss vor dem historischen vierten Meistertitel, erneut liefern die Münchner eine dominante Saison ab. Dennoch ist Pep Guardiola nachdem 3:0-Erfolg gegen Schalke unzufrieden und entschuldigt sich für die "schwache Leistung" bei den Fans. Respektlos oder berechtigte Kritik in einer Liga, die ein erschreckendes Kräfteverhältnis entwickelt hat?

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78 Punkte nach 30 Spieltagen. Eine überragende Bilanz von zehn Siegen aus zehn Spielen bei einem Torverhältnis von 29:2 nach einem Champions-League-Match unter der Woche. Erst 14 Gegentoren in der Saison 2015/16. Und schlussendlich: Kurz davor, als erste Mannschaft in der Geschichte der Bundesliga vier Meisterschaften in Folge abzuräumen.

Die Welt beim FC Bayern München könnte im April 2016 schlechter aussehen - und dennoch sorgte Coach Pep Guardiola nach dem am Ende doch souveränen 3:0-Erfolg gegen den FC Schalke 04 für Zündstoff: "Es tut mir leid für unsere Fans. Sie kommen, um 90 Minuten Vollgas zu sehen. Wir haben nur 35 Minuten gespielt, ansonsten waren wir nicht auf dem Platz", monierte der Spanier auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Und legte sogar noch nach: "Ich hoffe, dass ist eine große Lektion für Dienstag. Um gegen Atletico zu bestehen, müssen wir es besser machen." Nochmal: Nach einem 3:0-Erfolg. Gegen den FC Schalke 04. Ein Team, das selbst den Anspruch hat, sich für die Champions League zu qualifizieren. Ist da so ein Theater wirklich angebracht?

Zwischen "Super, Super" und Respektlosigkeit

Natürlich haben die Bayern gegen Schalke vor allem im ersten Durchgang keine Glanzleistung abgeliefert, aber eine Entschuldigung bei den Fans für "nur" 35 Minuten Vollgas-Fußball wirkt dann doch wie künstlich zusammengerührter Sprengstoff. Guardiola setzt seine Maßstäbe naturgemäß immer sehr hoch an, aber seine Kritik an der eigenen Mannschaft wirkt eher wie eine Respektlosigkeit gegenüber den Knappen. Nach dem Motto: "Hätten wir 90 Minuten gut gespielt, hätten wir auch sechs oder sieben Tore schießen können."

Welche Absicht der Katalane damit verfolgt, ist aber auch klar: Nachdem sich die Bayern in seinen ersten beiden Jahren an der Isar nach früh gewonnenen Meisterschaft in der Liga zurücklehnen konnten, verloren die Münchner den Fokus und stolperten zweimal hintereinander im Champions-League-Halbfinale. Dass die Bundesliga am 30. Spieltag de facto noch nicht entschieden ist, spielt Guardiola also in die Karten. Der 45-Jährige kritisiert sein Team also hauptsächlich, weil er ihre Konzentration hochhalten will.

Spur von Überheblichkeit?

Es zeigt aber auch: Die Bundesliga ist für Guardiola im Moment nicht mehr als eine Reihe von härter geführten Testspielen für die Champions League. Nach einem 3:0 gegen Schalke 04 die eigene Leistung zu kritisieren, zeigte, wie oben bereits angeführt, eine gewisse Spur von Überheblichkeit. Vor allem, wenn sich der Spanier vor jedem Spieltag der Presse stellt und erklärt, wie "super, super", "wahnsinnig" oder "unglaublich" dieser oder jener Spieler, Mannschaftsteil oder Trainer ist.

Passend dazu ein Beispiel von der PK vor dem Spiel am Samstagabend: "Schalke hat gute Spieler wie Geis, Sane oder Hojbjerg. Sie sind eine gute Mannschaft." Parolen, die Guardiola vor jedem Spiel wiederholt. Einerseits, um seine Mannschaft zu warnen, andererseits, weil er nicht zugeben will, wie überlegen der FC Bayern dem Rest der Liga aktuell ist.

"Französische Verhältnisse"?

Würde Borussia Dortmund, oft auch mit dem Synonym "bester Zweiter der Bundesliga-Geschichte" bezeichnet, unter Thomas Tuchel nicht eine ähnlich überragende Saison spielen, die Bayern hätten sich wohl ein Fernduell mit Ligue-1-Champ Paris St.-Germain darum geliefert, wer zuerst seine Meisterschaft eintütet. Denn der Vorsprung auf den Drittplatzierten Bayer Leverkusen beträgt aktuell 27 Punkte. Zur Einordnung: Auf Relegationsplatz 16 hat die Werkself gerade einmal 20 Punkte Vorsprung...

Trotzdem ist es falsch, den Bayern eine ähnliche Dominanz wie PSG in Frankreich zu bescheinigen. Natürlich rotiert Guardiola viel und die Münchner setzen immer wieder Ausrufezeichen in Form von deutlichen Kantersiegen, es gibt aber immerhin auch noch ein paar wenige Teams, die den FCB durchaus vor eine Herausforderung stellen können. Als Beispiel sei das Rückrundenduell mit Borussia Dortmund angeführt.

Ein Blick über die Grenzen hinaus

Wer jetzt moniert, dass der BVB zusammen mit den Bayern ja auch weit vor dem Rest der Liga steht, dem sei ein Blick in die anderen Top-Ligen Europas empfohlen. Juventus thront in Italien mit neun Punkten Vorsprung an der Spitze. Wären die Turiner nicht so schwach in die Saison gestartet, ihr Vorsprung wäre wohl ähnlich üppig wie der der Bayern auf Platz 3. In Spanien sah es lange nach einem Durchmarsch des FC Barcelona aus, der sich aber mittlerweile wieder im Dreikampf mit Atletico und Real befindet. Der Viertplatzierte Villareal ist dort aber ebenfalls 15 Punkte entfernt.

Einzig die Premier League bildet eine willkommene Ausnahme, die jedoch durch einige gleichzeitig auftretende Symptome zu erklären ist: Die einstigen 'Big Four' um Chelsea, Manchester City, Manchester United und den FC Arsenal haben alle mehr oder wenige große Krisen in der Saison hinter sich, Leicester City und die Tottenham Hotspur überzeugen dagegen mit Ausgeglichenheit und starkem Coaching. Sind die vermeintlichen Top-Teams erstmal im Hintertreffen, geht naturgemäß eine Aufholjagd los, die natürlich auch die Balance in der Liga hält.

Spannung in der Bundesliga? Ja!

Auch in der Bundesliga ist noch reichlich Spannung drin, so trennen Platz drei und sieben nur sechs Punkte, im Abstiegskampf ist selbst der 1. FC Köln als Zehnter noch nicht durch. Klar, der FC Bayern wird sich die Schale vorne nicht mehr nehmen lassen, aber für die kommenden Jahre haben die Münchner sie auch noch nicht gebucht. Dortmund wird im Sommer sicher nochmal aufrüsten, der FCB muss erstmal den Umbruch von Guardiola zu Ancelotti bewältigen.

Dass der FC Bayern auf Jahre hinaus zu den Spitzenklubs der Bundesliga zählt, davon ist auszugehen, eine Meisterschafts-Garantie ist es aber nicht. Natürlich ist die Dominanz gegenüber den Bundesliga-Teams, die nicht Borussia Dortmund heißen, im Moment deutlich zu erkennen, dieser Trend zeichnet sich aber nicht nur in der Bundesliga ab.

Und vor allem: So eine Dominanz erhöht den Druck auf die Konkurrenz. Auch die Münchner werden in den kommenden Jahren mal mindestens eine Mini-Krise durchleben. Und mal schauen, wie schnell die Spannung in der Bundesliga dann wieder da ist. Abgesehen von der Spitze ist sie auch in dieser Saison absolut präsent.

Der FC Bayern München im Überblick

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