Der Totengräber deutscher Träume

Ein Blick über den Olympiapark in Rio
© getty

Die Olympischen Spiele in Rio bieten jeden Tag neue Erlebnisse - auch für SPOX-Redakteur Felix Götz. Diesmal mit dabei: der Spott der Kollegen, eine coole Sau aus Kroatien und ein durchdrehender Fidschi-Journalist.

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In eigener Sache: Endlich! ENDLICH!!! Wirklich niemand ist erleichterter als ich, die ersten Medaillen um den Hals deutscher Athleten baumeln zu sehen. Ein ganz dickes Dankeschön geht dafür an Vielseitigkeitsreiter-Gott Michael Jung, der im Einzel Gold und mit den Kolleginnen Ingrid Klimke, Sandra Auffarth und Julia Krajewski im Team Silber holte sowie an Sportschützin Monika Karsch, die sich mit der Sportpistole den Weg zu Silber freiballerte.

Was musste ich mir nach drei Tagen voller Pleiten, Blech und Pannen nicht alles aus der SPOX-Redaktion anhören. "Seuchenvogel" oder "Totengräber deutscher Träume" waren noch die zitierfähigen Nachrichten, die mich aus Unterföhring in Rio erreicht haben. Oder auch Unverschämtheiten wie: "Bitte nicht zum Kerber-Spiel gehen, Angie soll weiterkommen."

Der Druck war jedenfalls unmenschlich groß. Zwischendurch wollte ich mir schon selbst einen Gaul schnappen und losreiten oder ins Becken des Olympic Aquatics Stadium springen und die 200 Meter Freistil runterschwimmen. Letztlich musste ich mir aber eingestehen, in meiner aktuellen physischen Verfassung maximal im Schach antreten zu können. Physisch, nicht vom Kopf her!

Teil 1: Der Gringo und der Schwobaseggl

Wie dem auch sei: Jetzt sind sie ja da, die ersten Medaillen. Der Druck ist weg, ab jetzt wird es wie von alleine laufen. Was die Kollegen ohnehin konsequent ignoriert haben, waren die beiden Siege, die ich den Handballern beschert habe. Seuchenvogel? Ich bin ein Glücksbringer! Ihr werdet es schon sehen...

Wer ist Josip Glasnovic? Das Olympische Dorf ist für Pressevertreter in der Regel nicht frei zugänglich. Dafür gibt es direkt neben dem Dorf eine internationale Zone, in der sich Journalisten und Sportler zu Gesprächen treffen können. Rund zehn deutsche Berichterstatter sind am Mittwoch dort mit den DHB-Machern um Bundestrainer Dagur Sigurdsson, DHB-Vizepräsident Bob Hanning und Teammanager Oliver Roggisch verabredet.

Da ich zu früh dran bin, stelle ich mich in den Hof und werde dabei Zeuge einer peinlichen Situation. Direkt neben mir treffen sich im Moment ein Mann mit Kamera und eine Frau mit Mikro. Ich kombiniere geschickt: Frau soll Sportler/in interviewen, Mann filmt. "Um was geht es eigentlich, was muss ich machen", fragt die völlig gestresst wirkende Frau in englischer Sprache. "Josip Glasnovic interviewen", antwortet der Mann und bekommt ein "Wen?" zu hören.

"Völlig unvorbereitet in ein Interview zu gehen ist nicht gut", denke ich mir. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es nicht mal dann gut ist, wenn man den Sportler kennt. Kennt man ihn nicht - ui, ui, ui. Als der Kameramann zu Erklärungen ansetzen will, ist es schon zu spät. Ein Sportler im Anzug der kroatischen Olympia-Mannschaft taucht auf und stellt sich dem Duo als Josip Glasnovic vor.

Der Frau ist anzumerken, wie unwohl sie sich fühlt. Sie hat ganz offensichtlich nicht den blassesten Schimmer, wer da vor ihr steht, geschweige denn, was er bisher bei Olympia gemacht hat. In den folgenden ein, zwei Minuten wird bis zum Gehtnichtmehr herumgeeiert. Glasnovic bemerkt genau, was los ist. Er ist überhaupt nicht beleidigt, sondern löst das Dilemma im Stile eines wahren Champions. Er zieht lässig eine Goldmedaille aus der Hosentasche und sagt stichpunktartig: "Montag. Olympiasieger für Kroatien. Sportschießen. Trap." Josip Glasnovic, du coole Sau!

Wenn Fidschi siegt: Ich sitze im Hauptpressezentrum und schreibe. Obwohl hunderte von Journalisten hier sind, ist es erstaunlich leise. Alles konzentriert sich auf seine Arbeit, lediglich das Klappern der Laptop-Tastaturen ist zu hören. In Rio regnet und windet es, zahlreiche Wettbewerbe sind ausgesetzt, meines Wissens passiert derzeit nichts Relevantes.

"Yeahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!" Ein Schrei reißt mich aus den Gedanken, scheinbar im völligen Wahn ist ein bulliger, nach Südsee aussehender Kollege direkt gegenüber von mir aus seinem Stuhl gefahren und führt einen Freudentanz auf, mit dem er die Aufmerksamkeit des gesamten Großraumbüros erweckt.

Er presst einen Pappbecher an sein Kinn, wirft den Becher weg, ballt die Fäuste, springt in die Luft, um sich nach einem weiteren "Yeahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!" endlich wieder einigermaßen einzukriegen.

Als er sich wieder beruhigt hat, bemerkt er, dass ich und die Kollegen links und rechts von mir ihn noch immer fassungslos anstarren. Er strahlt bis über beide Ohren und zeigt auf einen Fernseher im Rücken von uns, der ohne Ton läuft. Jetzt wird mir alles klar: Fidschi hat im 7er-Rugby die USA mit 24:19 geschlagen. Und ich dachte doch tatsächlich, es würde nichts Relevantes passieren...

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