"Großbritannien war sehr chaotisch"

Von Interview: Benedikt Treuer
Mathias Berthold ist seit dieser Saison zurück beim DSV und betreut Felix Neureuther und Co.
© getty

Österreich, Deutschland, Österreich - und wieder zurück. Langweilig wird es bei Mathias Berthold nicht. Im Interview mit SPOX spricht der 49-jährige Cheftrainer der DSV-Männer über das Hin und Her zwischen den Nachbarländern, seinen exotischen Start auf der Insel und das Finale der Fußball-WM.

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SPOX: Herr Berthold, nach vier Jahren in Österreich sind Sie seit dieser Saison zurück beim DSV. Warum verlässt man seine Heimat, in der man sehr erfolgreich ist und zahlreiche Titel gewonnen hat?

Mathias Berthold: Die Arbeit in Österreich war ein riesengroßes Programm mit sehr vielen Mannschaften, Trainern und Athleten. Bei all der administrativen Arbeit kam der Sport leider zu kurz. Ich habe versucht, den Kontakt zu den Athleten so gut wie möglich zu halten. Das ging aber aufgrund all der anderen Aufgaben auch auf Kosten meiner privaten Zeit, sodass ich mich dort leider nicht mehr wohl gefühlt habe. Deswegen habe ich mich entschieden, beim ÖSV aufzuhören.

SPOX: Ist der deutsche Verband denn anders strukturiert?

Berthold: Die Strukturen als solche sind sehr ähnlich. Der DSV ist sehr gut organisiert und steht dem österreichischen Skiverband in keinster Weise nach. Beim ÖSV ist alles aber wesentlich größer.

SPOX: Konnten Ihre Kollegen und Landsmänner Ihre Entscheidung nachvollziehen?

Berthold: Nicht jeder, aber ich gehe meinen eigenen Weg und mache das, wovon ich überzeugt bin. Der DSV war für mich eine Herzensangelegenheit und eine riesige Motivation.

SPOX: Ihre Trainerkarriere ist geprägt vom ständigen Hin und Her zwischen Deutschland und Österreich. Sie waren bereits Trainer beider Damen-Skimannschaften und nun auch beider Herren-Teams. Brauchen Sie diese Abwechslung?

Berthold: Ich wollte das eigentlich nie. Ich habe mir immer Kontinuität gewünscht und war auch lange in Deutschland tätig. Als das Angebot damals aus Österreich kam, war es nicht abzulehnen. Zu dem Zeitpunkt hat es sehr gut gepasst: Österreich war erfolglos und hatte eine Zeit lang keine Olympische Medaille gewonnen. Dieser großen Herausforderung wollte ich mich stellen. Mir geht es nicht um Abwechslung - weder zwischen Damen und Herren, noch zwischen Deutschland und Österreich. Ich fühle mich jetzt bei den deutschen Männern sehr wohl und hoffe, den Trainerjob hier längerfristig auszuüben.

SPOX: Dadurch haben sich die Vorzeichen für Sie drastisch verändert. Während man in Österreich Siege quasi fest einplant, muss man sich in Deutschland über jeden Weltcup-Punkt freuen. Wie gehen Sie mit der neuen Erwartungshaltung um?

Berthold: Eine große Erwartungshaltung darf man im Moment nicht haben. Wir wollen die Technikmannschaft auf breitere Beine stellen. Es darf nicht nur an Felix Neureuther, Fritz Dopfer und Stefan Luitz hängen. Junge Fahrer sollen herangeführt werden, damit wir eine schlagkräftige Mannschaft zusammen bekommen.

SPOX: Sie sprechen von der Technikmannschaft. Was ist mit den Speed-Disziplinen wie der Abfahrt?

Berthold: Im Speed-Bereich waren wir in den letzten Jahren nicht sehr erfolgreich. Das müssen wir von Grund auf neu bearbeiten. Das Ziel ist es auch dort, unsere Fahrer mittel- oder langfristig in die Weltspitze zu bringen.

SPOX: Wieso ist das deutsche Team in der Breite überhaupt so schwach aufgestellt ist? Beim ÖSV ist der Erfolg auf viele Namen geschultert: Hirscher, Matt, Mayer, Raich...

Berthold: Natürlich sind wir nicht so stark besetzt wie Österreich. Aber wir haben es auch damals mit den deutschen Damen geschafft, den Österreicherinnen bis zum letzten Rennen die Stirn zu bieten. Das hätte uns niemand zugetraut. Es ist möglich, konkurrenzfähig zu sein, auch wenn man nicht so breit aufgestellt ist.

SPOX: Es macht vieles aber sicher einfacher?

Berthold: Wenn man, wie Österreich, viele Athleten hat, ist das in erster Linie ein großer Vorteil. Es kann sich innerhalb des Teams aber auch zum Nachteil entwickeln, wenn das Angebot an Fahrern zu groß wird. Für uns ist es wichtig, aus unseren Möglichkeiten das Beste herauszuholen. Dann kann Qualität am Ende die Quantität schlagen. Wir werden nicht in der Lage sein, Österreich im Nationencup Paroli zu bieten, dazu haben wir einfach zu wenige Athleten. Das Ziel ist es aber, in jeder Disziplin mindestens einen Fahrer zu haben, der vorne mitfahren kann.

SPOX: Warum ist es so schwer, Nachwuchs zu rekrutieren? Deutschland müsste doch genügend davon haben, schließlich gibt es zahlreiche DSV-Stützpunkte in Alpennähe.

Berthold: In den letzten Jahren wurde gut gearbeitet. Wir können mittlerweile früher auf junge Leute zurückgreifen. Was die nachkommenden Jahrgänge angeht, sind wir im internationalen Vergleich relativ gut dabei. Wenn wir das weiter verbessern, geht pro Jahrgang vielleicht ein guter Athlet hervor. In Österreich sind das pro Jahr zwar drei oder vier überragende Fahrer, aber letztlich zählt die Qualität der Arbeit. Mit unserem Trainerteam können wir die deutsche Zukunft im Ski Alpin erfolgreich gestalten.

SPOX: Wie kann ein Trainer erfahrene Athleten wie Felix Neureuther oder Fritz Dopfer überhaupt noch weiterentwickeln? Die standen ihr Leben lang auf Skiern. Geht es da mehr um mentalen Zuspruch?

Berthold: Natürlich versuchen wir die Leute mit jedem Training technisch zu verbessern. Niemand ist perfekt, also gibt es überall noch Bereiche, an denen man arbeiten kann. Wären Sie fehlerlos, würden Sie jedes Rennen gewinnen. Das ist aber nicht der Fall. Es gibt noch Luft nach oben. Das weiß auch ein Felix Neureuther. Wir analysieren anhand von Videos gewisse Fahrfehler und Schwächen und geben den Athleten entsprechende Möglichkeiten an die Hand, diese zu beseitigen.

SPOX: Ein gutes Beispiel Ihrer erfolgreichen Trainingsarbeit ist Matthias Mayer. Den haben Sie in Österreich von der Nachwuchshoffnung zum Olympiasieger gemacht. Wie führt man einen jungen Athleten so schnell in die Weltspitze?

Berthold: Er ist ein Glücksfall. Es ist sehr schwer - gerade in den Speed-Disziplinen - einen jungen Athleten zum Olympiasieger zu machen. Das ist nur mit einem guten Trainerteam und einem Fahrer mit unbändigem Ehrgeiz und riesiger Motivation möglich. Das kann man nicht mit jedem machen. Ein solcher Athlet muss alles mitbringen, um top zu sein. Für Matthias Mayer war das erst der Anfang. Er wird in den nächsten Jahren massiv den Ton angeben und den Speed-Bereich dominieren.

SPOX: Also braucht es auch das gewisse Glück, einen solchen Mann in seinen Reihen zu haben?

Berthold: Glück spielt für mich nur in Zusammenhang mit der Verletztensituation eine Rolle, ansonsten aber kaum. Wenn man Vierter wird, ist das nicht Pech, sondern Unvermögen. Natürlich braucht es Mut, Ehrgeiz und einfach Skifahrer-Gene.

SPOX: Sind Sie da etwas neidisch auf Joachim Löw, der über ein großes Talente-Reservoir verfügt?

Berthold: Man kann die Sportarten schlecht miteinander vergleichen. Es ist schön, dass man in Deutschland so viele Talente im Fußball hat, aber unsere Situation ist nun einmal so, wie sie ist. Ich freue mich für Joachim Löw, wenn er es einfacher hat. Trotzdem haben auch wir Talente, die wir dahingehend formen können, dass sie absolute Weltspitze werden.

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