"Das Bett steht immer noch parat"

Timo Bolls und Dimitrij Ovtcharovs Freude kannte in Rio keine Grenzen, als das Team mit Bastian Steger erneut eine Medaille gewann
© getty
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SPOX: Vor der WM gab es aufgrund der Doppelmeldung das erste Mal öffentlich Misstöne von Ihnen, Herr Ovtcharov. Es ging um einen nicht unerheblichen sportlichen Aspekt, der auch Timo Boll betraf. Haben Sie ihn als Freund vor Ihrem Schritt an die Öffentlichkeit eigentlich informiert?

Ovtcharov: Das war eine sehr kurzfristige Entscheidung von mir, nachdem die Trainer mir mitgeteilt hatten, dass ich bei der WM nicht im Doppel starten darf. Das hatte aber null mit Timo und seinem Start mit dem Weltranglistenersten Ma Long zu tun.

Boll nickt zustimmend.

Ovtcharov: Wenn es nach diesem Gesichtspunkt ginge, müsste ich ja jeden Nationalmannschaftskollegen, der bei der WM antritt, vorher anrufen. Das war einfach meine Entscheidung, nach dieser für mich nicht einfach hinzunehmenden Entscheidung. Sowohl Timo als auch ich hatten Anfragen an die Chinesen laufen, die sich dann aber nur für eine Paarung entschieden haben. Dann hätte ich gerne mit einem meiner beiden Teamkollegen aus Russland, zum Beispiel dem besten Nichtchinesen, Jun Mizutani, gespielt. Der wollte auch. Es kam jedenfalls sehr überraschend, dass die Verantwortlichen nach der Absage der Chinesen gesagt haben. "Nee, dann spielst Du gar kein Doppel." Damit war ich nicht glücklich. Ich bin kein begnadeter Doppelspieler, aber mit Jun wäre einiges möglich gewesen und ich hätte gerne in Düsseldorf die Möglichkeit gehabt, mich vor den Fans so oft es geht zu präsentieren. Deshalb habe ich es in einem Interview erwähnt, was legitim ist und nichts mit Timo oder unserem Verhältnis zu tun hatte.

SPOX: Wie können sich das Ihre Fans vorstellen, Herr Boll. Dass Sie mit Ma Long Mails oder gar Whatsapp-Nachrichten austauschen, wenn Sie zusammen Doppel spielen wollen?

Boll: Beim allerersten Mal haben die Chinesen das von ihrer Seite aus eröffnet. Da hat Dima mit Yan An gespielt und ich mit Ma Long bei den China Open und das hat gut funktioniert. Wir waren damals auch im Doppelfinale. Daraufhin haben Ma und ich das auch bei der vergangenen WM probiert. Jetzt haben wir über den Verband angefragt. Wir haben ein sehr respektvolles Verhältnis miteinander.

SPOX: Im Doppel wie im Einzel geht es direkt im K.o.-System los. Es kann also bei vier Gewinnsätzen bis elf ganz schnell vorbei sein. Diese Erfahrung haben Sie beide auch schon machen müssen. Ist das in der ersten Runde vor heimischem Publikum eher noch mehr Druck oder kann es beflügeln?

Ovtcharov: Das Heimpublikum kann nur positiv sein. Es ist immer schwierig, in so ein riesiges Event reinzukommen. Dann können die Fans hoffentlich positiv einwirken und mir helfen.

Boll: Man hofft, dass es von Anfang an in die richtige Richtung läuft. Nicht, dass man nach einem schlechten Start eine Bürde verspürt und dann ein Raunen durchs Publikum geht.

Ovtcharov: Man kann sich nie ganz sicher sein, wie es zum Start läuft. Die Fans sind ein wichtiger Faktor, um es positiv zu gestalten.

SPOX: Sie haben nach Ihrem Viertelfinalaus im Einzel der Olympischen Spiele 2016 zugegeben, nicht ganz die richtige Mischung zwischen Anspannung und Entspannung gefunden zu haben. Gerade mit dieser Erfahrung und den aus Ihrer Sicht nicht ganz so erfolgreichen Einzel-Weltmeisterschaften: Wie lautet Ihre Zielsetzung?

Ovtcharov: Die WM ist nochmal um einiges schwerer als Olympia. Dort war ich an drei gesetzt, vor mir nur zwei Chinesen. Im Halbfinale wäre ich auf Zhang Jike getroffen, gegen den ich fast jedes zweite Match gewonnen habe. Diese Chance kommt vielleicht nur einmal im Leben und da habe ich mich etwas verrückt gemacht. Bei der WM sind es gleich vier Chinesen, gegen die zu gewinnen, da muss viel zusammen kommen und das wäre eine größere Überraschung. Da darf ich mich nicht verrückt machen, werde an meine Stärken und mein Spiel glauben. Dann geht vielleicht etwas. Favorit auf die Einzelmedaillen sind wir jedenfalls nicht.

SPOX: Herr Boll, Sie haben bereits Ihre körperliche Unterlegenheit im Kampf gegen China angesprochen. Schielen Sie dennoch in Richtung Reich der Mitte oder eher in Richtung Japan, Korea und den stärksten Europäern?

Boll: Vor den Spielen bin ich eh immer relativ pessimistisch - gegen jeden schon ab der ersten Runde.

Ovtcharov fängt an zu lachen.

Boll: Ja, das ist so und damit bin ich auch ganz gut gefahren in der Vergangenheit. Dadurch habe ich immer den Respekt und die Anspannung vor dem jeweiligen Gegner und dann ist die Leistung auch besser. Im Spiel ändert sich das zu einem realistischen Denken. Also ist es weniger personenabhängig als vielleicht gedacht.