Marcel Kittel bei der Tour de France: Happy End für den Radsport-Actionhelden?

Von Johannes Wiest
Marcel Kittel gilt bei der Tour de France als einer der besten Sprinter.
© getty

Marcel Kittel gilt bei der Tour de France als einer der besten Sprinter. Wie so häufig in seiner Karriere muss er auch in diesem Jahr gegen widrige Umstände ankämpfen.

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Es ist aufgerissen. An der Stelle des rechten Schulterblatts klafft ein großes Loch. Die kurze Begegnung mit dem Asphalt hat ihm an vielen Stellen eine bräunliche Färbung gegeben. Das grüne Trikot hat wahrlich schon bessere Tage bei der Tour de France erlebt als an diesem 19. Juli 2017.

Marcel Kittel: Bitteres Ende bei der Tour de France 2017

In ähnlich schlechtem Zustand präsentiert sich der Fahrer, der im vergangenen Jahr bei dem berühmtesten Radsportrennen der Welt 13 Tage lang die Farbe der Hoffnung tragen durfte: Der provisorische Verband am rechten Ellenbogen und eine klaffende Wunde am Knie verleihen ihm noch mehr das Aussehen von Dolph Lundgren - dem Hollywood-Star, dessen Name Marcel Kittel aufgrund des ähnlichen Erscheinungsbildes im Scherz geerbt hat.

Im Gegensatz zum Filmbusiness hat dieser 19. Juli allerdings kein Happy End für Kittel. Sein Sturz auf der 17. Etappe von La Mure nach Serre-Chevallier beendete alle Hoffnungen, in Grün auf den Pariser Prachtboulevard Champs Elysees einzubiegen. Nachdem ihm Magenprobleme und eine Erkältung das Leben zuvor schon schwer gemacht hatten, zwangen die Schürfwunden und Prellungen Kittel endgültig zum Aufgeben.

Vor der Tour de France: Marcel Kittel mit Problemen im neuen Team

Ein knappes Jahr später ist der 30-Jährige bei der Tour de France wieder fit: Zum Auftakt erreichte er den dritten Platz. Dennoch stehen die Vorzeichen schlecht, dass er wie 2017 bis zu seiner Verletzung wieder fünf Siege holt und als dominanter Sprinter auftritt. Kittel wechselte zum neuen Jahr sein Team und fährt nun bei Katusha-Alpecin mit einigen deutschen Teamkollegen wie Rick Zabel, Nils Politt oder Tony Martin.

Trotz der größtenteils gleichen Nationalität in der Mannschaft scheint sich das Team allerdings noch nicht richtig gefunden zu haben. Kittels Saisonbilanz mit zwei mageren Siegen im März wertete er als durchwachsen und nicht so erfolgreich wie sonst. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht beschäftigt", sagte Kittel zu der ungewohnten Durststrecke, die vor allem aufgrund von Abstimmungsproblemen im Sprintzug resultieren.

"Wir brauchen Zeit und müssen uns finden. Rick Zabel und Nils Politt sind jung und wir versuchen, etwas Langfristiges aufzubauen. Ich bin nicht unruhig", erklärte Kittel im Interview mit Sportbuzzer. Auch deswegen hängt der deutsche Rekordetappensieger bei der Tour de France die Messlatte für diese Saison erst einmal tief und gibt einen Tagessieg als Ziel aus.

Marcel Kittels bisherige Karrierestationen

JahrTeam
2007-2010Thüringer Energie Team
2011Skil-Shimano
2012-2013Team Argos-Shimano
2014Team Giant-Shimano
2015Team Giant-Alpecin
2016Etixx-Quick-Step
2017Quick-Step Floors Cycling Team
seit 2018Team Katusha Alpecin

Marcel Kittel: Vom Talent zu einem der weltbesten Sprinter

Den Traum auf das erste grüne Trikot eines deutschen Radprofis bei der Tour de France seit Erik Zabel 2001 hat Kittel aber nicht aus den Augen verloren. Es wäre endgültig die Krönung für einen Mann, der sich im Eiltempo vom Talent zu einem der besten Sprinter der Welt entwickelte.

Als Sohn eines Radrennfahrers hatte Kittel schnell Berührungspunkte zum Radsport und wurde 2005 und 2006 Sieger bei den Junioren-Weltmeisterschaften im Zeitfahren.

2011 erlebte er mit 17 Siegen seinen Durchbruch und absolvierte damit die erfolgreichste Saison eines Neoprofis in der Geschichte des Radsports. Ein Jahr später musste Kittel bei seinem Tour-de-France-Debüt zwar wegen eines Magen-Darm-Infekts und Knieschmerzen auf der fünften Etappe aufgeben, doch in den beiden Folgejahren erreichte er vier Etappensiege und etablierte sich endgültig als weltbester Sprinter.

Marcel Kittel: Auferstehung nach Horrorsaison 2015

Dieses Jahr wäre nicht das erste Mal, dass sich eben dieser weltbeste Sprinter nach einem Rückschlag gestärkt zurückmeldet. Im Jahr 2015 wurde Kittel noch nicht einmal für die Tour de France nominiert. Er laborierte langfristig an einem Virus und wurde nicht rechtzeitig fit. Somit konnte er seinen starken Status im Radsport nicht bestätigen und musste sich erst wieder zurückkämpfen.

Kittel zog die richtigen Rückschlüsse. "Nach diesem extrem enttäuschenden Jahr habe ich für mich beschlossen, viele Dinge zu verändern", sagt er über diese ernüchternde Zeit. Der 30-Jährige stellte sein Training um, mied öffentliche Termine und schwor, "keine Kompromisse mehr einzugehen".

Zudem wechselte Kittel sein Team, kämpfte sich an die Spitze zurück und fuhr 2017 seine bis dahin beste Tour de France - bis er wegen des Sturzes aufgeben musste. Nach seinem erneuten Teamwechsel startete er in diesem Jahr mit Platz 3 zum Auftakt in die Große Schleife; bisher hat er noch nicht die Möglichkeit, das grüne Trikot zu verschleißen.

Marcel Kittels Grand Tour Platzierungen

Grand Tour20112012201320142015201620172018
Giro d'Italia---WD-WD--
Tour de France-DNF166161-166DNF
Vuelta a EspaneWD------
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