"Er ist in meinem Blut ausgerutscht" - Alex Zanardi über Lausitzring-Unfall, The Pass & F1

Alex Zanardi kämpfte sich zurück, nachdem er beide Beine verlor, und gewann Paralympics-Gold
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SPOX: Sie haben sich in den Jahren 1997 und 1998 den Titel gleich zweimal gesichert. Danach wechselten Sie allerdings zurück nach Europa, zurück in die Formel 1. Warum? Sie waren bei Chip Ganassi der Starpilot schlechthin, Williams hatte Renault als Motorenhersteller gerade verloren und schien auf dem absteigenden Ast.

Zanardi: Das stimmt. Aber Williams führte schon Gespräche mit BMW. Der Vertrag war fast schon unterschrieben. Ich hatte deshalb die Gelegenheit, eine komfortable Saison zur Eingewöhnung in einer Art Übergangsjahr zu absolvieren. Im nächsten Jahr sollte BMW dazustoßen und Williams sehr viel stärker machen. Was später passiert ist, hat meine Annahme bestätigt: Juan Pablo Montoya hat die WM nicht gewonnen, aber er wurde Dritter und hat viele Rennen gewonnen. Das zeigt: Meine Wahl war sehr gut.

SPOX: Sie mussten allerdings nach dem Übergangsjahr 1999 ihren Platz für Jenson Button räumen.

Zanardi: Ich sage immer: Es ist meine Stärke, den richtigen Weg für mich zu wählen. Damals war es wohl noch nicht so. Ich habe von der Formel geträumt, seit ich ein kleiner Junge war. Als ich nach so vielen Jahren der Anstrengungen und des unglaublichen Erfolgs in den USA diese Möglichkeit bekam, konnte ich einfach nicht widerstehen. Ich war stärker von meinem Ehrgeiz getrieben statt von meiner Leidenschaft. Ich hatte den falschen Ansatz, um eine gute Beziehung mit Williams aufzubauen. Ich war zu schwach. Nicht, weil ich die Leute hätte schlechter behandeln müssen, sondern weil ich damals ein entschlosseneres Auftreten gebraucht hätte. Wenn man von etwas überzeugt ist, muss man auf den Tisch hauen und sagen, was man will.

SPOX: Frank Williams, Patrick Head und ihr Team schränkten Sie zu sehr ein?

Zanardi: Nein, nicht wirklich. Als ich ankam, war alles von Williams festgelegt. Aber sie hatten mich geholt, weil ich zweifacher Champion war. Sie wollten meinen Input, doch ich war zu bescheiden. Das Team um mich herum bestand aus großartigen Ingenieuren. Das war trotzdem nicht ideal, weil es nicht auf eine Person wie mich ohne wirkliche Formel-1-Erfahrung angepasst war. Von Anfang an ging es in die falsche Richtung, ich habe mich herunterziehen lassen. Statt zu reagieren, habe ich mir eingeredet, die Dinge würden von allein besser werden. Pustekuchen. Wenn man nichts tut, wird überhaupt nichts besser. Als ich das realisiert hatte und neu anfangen wollte, wurde ich nicht mehr als derselbe Alex Zanardi angesehen. Ich war nur noch die falsche Wahl, nicht gut genug für das Team. Von da an war es eine Qual bis zum Saisonende.

SPOX: Sie fuhren bei Williams im FW21, Ihr Teamkollege war Ralf Schumacher. Bis heute haftet ihm der Ruf an, "nur" der kleine Bruder von Rekordweltmeister Michael Schumacher zu sein, obwohl der das bessere Material hatte. Wie beurteilen Sie das Kräfteverhältnis der beiden Kerpener?

Zanardi: Ralf war nie ein vollkommener Fahrer so wie sein Bruder. Michael war immun gegenüber sämtlichen Einflüssen. Er hat immer das Beste geliefert, zu dem er fähig war. Und das war nichts anderes als das Beste. Ralf war allerdings nicht langsamer als sein Bruder. Ich habe von ihm verblüffende Dinge gesehen mit dem Williams. Er war vielleicht nicht so schwach wie ich in dem Jahr, aber er war auch nicht so stark wie sein Bruder. Um ihn herum musste alles stimmen, damit er sein Bestes abrufen konnte. Sobald das so war, war Ralf unbezwingbar. Sogar Juan Pablo Montoya hatte Probleme mit ihm und der ist ein richtiger Motherfucker. Sorry, für den Ausdruck.

SPOX: Das hört sich eher nach einem Lob für den Kolumbianer an.

Zanardi: Was ich damit meine: Selbst wenn man ihm die Hinterreifen an die Vorderachse montieren würde und die Vorderreifen an die Hinterachse, wäre er immer noch genauso schnell. Er ist ein höchst talentierter Kerl. Er steigt ein, passt sich an alles an und sorgt dafür, dass das Auto schnell ist. Das hat man die letzten beiden Jahre in der Indycar-Serie gesehen: Nach seinem Comeback in der Saison 2014 siegte er beim Indy 500, in der Saison 2015 und wurde Vizemeister. Und dabei ist er nicht mehr der Juan Pablo Montoya, der er früher war. Auch wenn er immer noch eine richtig schnell Rennmaschine ist.