Boxen - Die Akte Tyson Fury: Kokain, Schweinefett und der pure Wahnsinn

Tyson Fury hat im November 2015 Wladimir Klitschko bezwungen.
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Drogen, Fettleibigkeit und fragwürdige Interviews - seit seinem Sieg über Wladimir Klitschko im November 2015 ist Tyson Fury von einer Eskapade in die nächste gerutscht. Vor dem anstehenden Schwergewichtskampf gegen Deontay Wilder (So., 3 Uhr live auf DAZN) blickt SPOX auf die Skandal-Orgie zurück.

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Mit seinen 39 Jahren war Wladimir Klitschko im November 2015 dem besten Boxer-Alter schon länger entwachsen. Trotzdem ging er als klarer Favorit in den WM-Kampf gegen Tyson Fury, dem man vieles, aber nicht unbedingt einen Sieg über den seit elf Jahren ungeschlagenen Dr. Steelhammer zutraute.

Doch Fury lehrte Wettanbieter, Experten und Kritiker eines Besseren. Er hielt nicht nur zwölf Runden durch, er war mit seinem unkonventionellen Stil, seinen immer wiederkehrenden Jabs und seiner Ringpräsenz an diesem Abend der bessere Boxer und gewann so einstimmig wie verdient nach Punkten. Der "Gypsy King", wie sich der Brite mit Sinti- und Roma-Abstammung selbst einmal taufte, hatte mit dem Triumph den Thron erklommen. Die WM-Titel der vier Verbände WBA, WBO, IBF und IBO waren seine. Der Höhepunkt seiner Karriere erreicht.

Doch Fury wäre nicht eine leibhaftige Version von Dr. Jekyll und Mr. Hyde, hätte er diese Blütezeit ausdehnen können. So aber dauerte es gerade einmal zehn Tage, bis er den ersten Stein aus seinem so instabilen Jenga-Turm des Lebens herauszog und seine 2,06 Meter zum Wanken brachte.

Anstatt nämlich wie vertraglich festgeschrieben gegen Pflichtherausforderer Vyacheslav Glazkov anzutreten, zog Fury einen Rückkampf gegen Klitschko vor. Die Folge: Die IBF erkannte ihm den gerade erst gewonnenen Titel ab.

Tyson Fury: "Ich bin fett wie ein Schwein"

Das Duell 2.0 sollte im Juli 2016 steigen. Bevor es aber dazu kam, machte Fury erst einmal mit einem Video-Interview auf sportsviewlondon.com auf sich aufmerksam, in dem er unter anderem von "Gehirnwäsche" durch "Zionisten und Juden, denen alle Banken, Zeitungen und TV-Sender gehören" sprach.

Diesen antisemitischen Aussagen folgten Prognosen, laut denen der moralische Niedergang der Gesellschaft zu einer baldigen Legalisierung von Sex mit Tieren führen würde. Außerdem drängte er darauf, dass Homosexualität genauso wie Pädophilie verboten gehöre - Sprüche, die ihm allesamt massive Kritik einbrachten und von denen er sich mittlerweile entfernt hat.

Doch Fury sorgte nicht nur mit seinen Inhalten für Aufregung, auch sein Äußeres war Gesprächsstoff: Trotz des anstehenden Rückkampfs hatte er seinen alten Kraftraum offenbar nur selten von innen gesehen und stattdessen jede Menge Junk Food zu sich genommen. 177 Kilogramm stellte er zwischenzeitlich auf die Waage. "Ich war so fett, dass ich keine 100 Meter rennen konnte", erzählte der Koloss später von seinen Gewichtsproblemen.

Probleme, die er damals wenig selbstkritisch ignorierte und stattdessen in Richtung Klitschko posaunte: "Ich bin fett wie ein Schwein und habe überhaupt keine Lust auf Boxen. Aber trotzdem wird das reichen, um dich K.o. zu schlagen. Du bist nur ein Stück Scheiße!"

Tatsächlich reichte es nicht, um Klitschko auf die Bretter zu schicken. Der Rückkampf fand nämlich nie statt.

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Kokain und der Rücktritt vom Rücktritt: Fury von der Rolle

Zunächst kam Fury eine Knöchelverletzung dazwischen, die ihn aber nicht daran hinderte, während der Fußball-Europameisterschaft mit englischen Fans in einer Bar in Nizza auf den Putz zu hauen. Einen zweiten Termin, für Ende Oktober 2016 angesetzt, sagte das Feierbiest ebenfalls ab. Wieder nannte er gesundheitliche Probleme als Grund.

Wer an eine erneute Verletzung dachte, täuschte sich jedoch. Wie sich später herausstellte, gab es einen ganz anderen Grund: Kokain. Auf diese Droge testete ihn die amerikanische Anti-Doping-Agentur am Tag der Absage positiv. "Ich habe jede Menge in meinem Leben genommen, darunter auch viel Kokain. Jede Menge", gestand er, fragte sich aber verwundert: "Warum sollte ich es nicht nehmen? Es ist doch mein Leben, oder?"

Sein Leben, das sich 2016 wie eine Skiabfahrt im Schuss entlang einer Schwarzen Piste angefühlt haben muss - steil bergab, ohne Chance auf Ruhe. So bestand sein Alltag nicht mehr aus Training, sondern aus Kokain, Alkohol und sonstigen Drogen.

"Ich bin zuhause in Morecambe (Seebad in England; Anm. d. Red.) aus dem Haus, um in den Laden zu gehen und drei Tage später in New York aufgewacht", berichtete Fury vor wenigen Wochen über seine damaligen Alkoholexzesse. Es waren private Tiefschläge, die ihn in den Wahnsinn trieben. Und seine sportliche Zukunft auf kuriose Art und Weise in Frage stellten.

So erklärte er Anfang Oktober 2016 via twitter seinen Rücktritt aus dem Profigeschäft. "Boxen ist das Traurigste, was ich je gemacht habe. Es ist ein Haufen Scheiße. Ich bin der Größte, und ich bin es auch im Ruhestand", hieß es dort, nur um wenige Stunden später mit einem Widerruf nachzulegen: "Hahahaha, ihr denkt, ihr werdet den Gypsy King so einfach los!!! Ich werde bleiben. #TheGreatest zeigt euch nur, was die Medien wollen. Tut tut."

Tyson Fury legt wegen Depressionen seine WM-Gürtel nieder

Welches schlimme Schicksal sich hinter den skurrilen Eskapaden verbarg, stellte sich dann ein paar Tage später heraus. "Er ist auf einem Selbstzerstörungstrip", erklärte Onkel und Trainer Peter Fury der BBC die Handlungen seines Neffen: "Ich glaube nicht, dass er abhängig von Drogen ist. Was immer er genommen hat, letztendlich ist es eine Folge seiner Depression."

Diese - manische - Depression machte der ungeschlagene Boxer selbst kurz zuvor öffentlich. "Ich hoffe jeden Tag, endlich zu sterben. Ich will nicht mehr aufwachen, nicht mehr leben", offenbarte er gegenüber dem Rolling Stone tiefe Einblicke in seine Seele. Er hoffe, dass ihn "jemand umbringt, bevor ich es selbst tue. Sonst würde ich die Ewigkeit in der Hölle verbringen".

Einen Grund für seine Krankheit sah Fury, dessen Mutter bei 14 Schwangerschaften vier Kinder gebar, ausgerechnet im Sieg gegen Klitschko: "Ich war viel glücklicher, als ich den Titel nicht hatte."

Der Mann aus Manchester zog also seine Konsequenzen und legte, von einem Paukenschlag begleitet, Mitte Oktober desselben Jahres seine übrig gebliebenen Weltmeistertitel der WBO, WBA und IBO ab. "Ich bin im Moment nicht in der Lage, meine Titel im Ring zu verteidigen, und habe die schwere und emotionale Entscheidung getroffen, nun offiziell meine wertvollen Welttitel abzugeben", hieß es in einem Statement seines Managements. Er wolle sich vollständig erholen, "ohne jeglichen Druck und mit der nötigen Hilfe medizinischer Experten".

Tyson Fury verwundert mit Grimassen und Tanzeinlagen

Folgerichtig gab er im Juli 2017 abermals seinen Rücktritt bekannt. Fury nutzte die Zeit, um sich zu sammeln, er ging in Therapie und wieder zum Training. Innerhalb weniger Monate nahm er zahlreiche Pfunde ab - und feierte schließlich am 9. Juni diesen Jahres sein Comeback im Ring.

Das Duell mit Sefer Seferi glich jedoch eher einer Zirkusveranstaltung als einem ernstzunehmenden Boxkampf. Nicht nur, dass der Albaner nach der vierten Runde ohne ersichtlichen Grund aufgab, schon zuvor sorgte Fury mit Grimassen und clownesken Tanzeinlagen mitten im Ring für Buhrufe der Zuschauer. Der Schiedsrichter sprach gar eine Verwarnung wegen "Showboating" aus.

Nachdem Fury im August dann auch Francesco Pianeta besiegte, war schnell klar: Der nächste Gegner heißt Deontay - oder um es mit Furys Worten zu sagen: Beyonce - Wilder. Auf den offiziellen Pressekonferenzen vor dem Kampf machte der 30-Jährige seinem Ruf als Trash Talker bereits alle Ehre. Ob im Ring des Staples Centers also die nächste Eskapade bevorsteht?

Tyson Furys Profi-Bilanz

Anzahl der Kämpfe27
Anzahl der Siege27
Anzahl der K.o.-Siege19
Anzahl der Niederlagen0
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